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den Rumpelkammern hervorzusuchen“[1]. Demnächst war es von übler Vorbedeutung, dass einer der Commissäre, Klewiz, mit der unverhohlenen Meinung, man müsse sich auf die Einrichtung berathender Provinzialstände beschränken, ans Werk ging. Endlich ward die Auswahl der ins Verhör genommenen „Eingesessenen“ der Art angeordnet, dass es sehr ungewiss blieb, ob man glauben durfte, aus ihren Worten die Stimme des Volkes heraus zu hören. Nur die „Wohlgesinnten“ sollten nach Hardenberg’s dehnbarem Ausdruck befragt werden. Die Zusammenstellung der Listen der einer Anfrage für würdig zu Achtenden war danach vorzunehmen. Von einem Baron von Nostiz in Görlitz heisst es in den Acten: „Wegen der künftigen ständischen Verfassung konnte mit ihm nicht füglich gesprochen werden, da er dazu von dem Herrn Oberpräsidenten Merckel nicht empfohlen ist und gegen manche Verwaltungsmassregeln sich äussert“. Uebrigens stellte der eingesessene Adel bei weitem das stärkste Contingent der Befragten. Auch die Zahl der höheren Staatsbeamten, die ihr Gutachten abgeben durften, war nicht gering. Kaufleute, Gewerbtreibende, Gemeindebeamte, Geistliche, Gelehrte traten gegen diese beiden Klassen zurück. Vom Bauernstand kamen nur wenige zu Gehör. Aus den Ergebnissen einer so willkürlich angestellten Enquête einen sicheren Schluss auf die Wünsche des Landes ziehen zu wollen, war höchst gewagt.

Da nun aber ein paar hundert Männer auf einmal aufgerufen wurden, ihre Meinung über die öffentlichen Angelegenheiten zu äu8sern, so war es begreiflich, dass sie sich nicht immer nur an den zunächst vorliegenden Gegenstand hielten. Es finden sich denn auch mannigfache Bemerkungen über das Preussische Kriegswesen, den Gang der Verwaltung, das Steuersystem, die Lage von Handel und Gewerbe, die häufig einen bitteren Beigeschmack haben. Die Hauptsache aber war: ein Urtheil über die wünschenswerthe „künftige Verfassung“ abzugeben. Unleugbar herrschte darüber fast völlige Einmüthigkeit, dass es gemäss der Verordnung vom 22. Mai 1815 an Provinzialständen in keinem Falle mangeln dürfe. Nur ausnahmsweise wurde die Meinung laut, dass solchen neben Reichsständen kein Platz einzuräumen sei. So erklärte sie der Oberbürgermeister Francke in

  1. Aus den Papieren Theodor’s v. Schön III, 55.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_065.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2023)