Seite:De DZfG 1892 07 271.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

scheint, zu den Unzufriedenen[1]. Es war eine uralte Praxis des Kaiserthums, diejenigen Beamten, deren Machtstellung sie gefährlich erscheinen liess, durch concurrirende Gewalten beobachten und schwächen zu lassen. So wurde die Gardepräfectur meist collegialisch verwaltet, und jede Provinz, in der Truppen standen, besass schon seit Augustus einen kaiserlichen Finanzbeamten, dessen Competenzen mit denen des Statthalters sich so mannigfach berührten und durchkreuzten, dass Conflicte unvermeidlich waren und sich in Folge dessen zwischen den beiden Beauftragten des Herrschers fast regelmässig ein erbitterter Hass entwickelte. Dies System des gegenseitigen Hemmens und Belauerns war von dem misstrauischen Diocletian noch sehr viel weiter ausgedehnt worden; namentlich war auch dem Stadtpräfecten, welcher bis dahin in Rom die höchste Gerichtsbarkeit und die oberste Polizeigewalt allein besessen hatte, jetzt ein Vicar an die Seite gestellt, der ihn von einem Theil seiner Geschäfte entlasten sollte, ihn aber thatsächlich bei jeder Gelegenheit zu chicaniren, mitunter wohl auch beim Kaiser zu denunciren pflegte. Diese Rolle war im Jahre 306 dem Präfecten Annius Anullinus gegenüber einem gewissen Abellius zugewiesen, der als ergebenstes Werkzeug der Kaiser galt[2]. Wahrscheinlich bestand auch zwischen diesen Männern die übliche Feindschaft, und Anullinus scheute selbst vor einem halsbrechenden Wagniss nicht zurück, um an dem verhassten Beobachter Rache zu nehmen und sich seiner zu entledigen.

Da wurden auf Befehl des Galerius die Bildnisse Constantin’s in Rom aufgestellt und seine Ernennung zum Cäsar officiell verkündigt[3]. Das Gerücht, dass der Sohn des Constantius von den Brittannischen Truppen mit dem Purpur bekleidet sei, hatte

  1. Nach dem Chronographen von 354 (Mommsen, Chronica minora I S. 66) ist der Stadtpräfect Annius Anullinus, welchen Galerius ernannt hatte, von Maxentius nicht abgesetzt worden, sondern hat auch nach der Erhebung desselben noch zehn Monate lang sein Amt weiter verwaltet. Wenn ihn aber der Usurpator, wie man hieraus schliessen muss, als ergebenen Anhänger betrachtete, so wird auch der weitere Schluss berechtigt sein, dass er dem Aufruhr, durch welchen das neue Regiment in Rom begründet wurde, zum mindesten nicht sehr energisch entgegengetreten ist. Eine Bestätigung bietet die zweideutige Rolle, welche sein Verwandter, der Präfectus Prätorio des Severus, gespielt hat. Zos. II, 10, 1.
  2. Zos. II, 9, 3.
  3. Zos. II, 9, 2.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 270. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_271.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)