Seite:De DZfG 1892 07 152.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Die Schlüsse, die sich aus dieser Untersuchung für die anderen Briefe des Grafen d’Estrades aus den nächsten Jahren, die Goll mit Recht verdächtigt hat, ziehen lassen, sind leicht. Man wird in ihnen viele wahre Thatsachen in gleicher Weise wie in den hier besprochenen behandelt und den Grafen in ähnlicher Weise herausgestrichen finden[1]. Es liegt eine Fälschung vor, deren systematische Mache wir noch an einzelnen Stellen aufdecken können, wie später vielleicht von mir gezeigt werden wird.

Die Frage, wann die Zusätze der ersten Briefe zu der ursprünglichen Redaction entstanden sind, ist nicht mit Gewissheit zu beantworten. Unwahrscheinlich ist, dass Estrades, der die ursprüngliche Fassung seinen Bekannten mittheilte, selbst später die Zusätze fabricirt haben sollte. Man findet bei den Geschichtsschreibern vor 1718, in welchem Jahr die erste Ausgabe der Briefe von 1637 und den folgenden Jahren erschien, keine Spur, die auf eine Kenntniss dieser Stellen in den Briefen hinwiese. Die Publication der Briefschaften von Estrades im Jahre 1718 hat wahrscheinlich politischen Zwecken gedient[2]; erst um diese Zeit scheinen die Zusätze entstanden zu sein. Die Hand des ungeschickten Interpolators ist noch an einer Stelle erkennbar. In der Ausgabe von 1718 heisst es in dem Briefe Richelieu’s vom 2. Dec. 1637: „Je profiteray de l’avis que vous me donnés pour l’Ecosse, et feray partir »dans peu de jours« l’abbé Chambre, mon aumosnier, qui est Ecossois de nation – – –“. In der Ausgabe von 1743 fehlt „dans peu de jours“; aus richtigem Gefühl hat der Interpolator diese Worte gestrichen, denn Chambres war erst 1639 in England[3]. Wenn diese Worte fehlten, konnte ein chronologischer Widerspruch in den Briefen nicht gefunden werden, da Chambres später wirklich nach England gekommen ist. Aber es macht doch einen sonderbaren Eindruck, wenn Richelieu sich in Drohungen gegen

    vorzüglich zu dem Character des letzteren (vgl. Correspondance de Henri d’Escoubleau de Sourdis I. Einl. p. 46). – Zu den Actenstücken bei Avenel und Prinsterer halte man noch einen Brief des Marschall Châtillon an Aerssens bei Le Vassor, Histoire du règne de Louis XIII. IX p. 507 f.

  1. Revue historique IV p. 325. Wie Estrades seine Kenntniss von politischen Vorgängen für seine Fälschungen verwerthete, zeigt recht deutlich die gefälschte Instruction vom 5. Dec. 1638. Hier giebt er an, von Richelieu beauftragt zu sein, den Pater Monod, den Beichtvater der Herzogin von Savoyen, zu verhaften, während nach einer authentischen Instruction Richelieu’s vom 6. Dec. (Avenel VIII p. 349) dem Cardinal La Valette, wie selbstverständlich, dieser Auftrag wird. Man sieht, wie Estrades, der wahrscheinlich die Instruction vom 6. Dec. überbracht und von ihrem Inhalt Kenntniss gewonnen hat, sie zu seiner Fälschung benutzt.
  2. Salomon a. a. O. p. 47 f.
  3. Ebendaselbst p. 13.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_152.jpg&oldid=- (Version vom 5.2.2023)