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Ansturm rannte er die Macht des Gegners nieder, in hurtiger Verfolgung liess er ihm keine Zeit, wieder zu Athem zu kommen. Selbst wo es ihm möglich war, mit einigem Zeitverlust bedeutende Streitkräfte zusammenzuziehen, hat er doch mitunter nur eine kleine Schaar gegen weit überlegene Heere ins Feld geführt, weil Ueberraschen des Feindes und höchste Beweglichkeit der Truppe seinem kriegerischen Genius besser zusagte, als die sichrere, aber langsamere Wirkung grosser, schwerfälliger Massen. So hat er fast immer in der Minderheit gefochten, aber niemals ist er besiegt worden[1]. Denn den Geist tollkühner Siegeszuversicht, welcher ihn selbst beseelte, wusste er auch jedem Gemeinen einzuflössen, und wo der Kaiser persönlich keine Gefahr und Strapaze scheute, konnte er auch von seinen Truppen die höchsten Leistungen beanspruchen[2]. Im Heerlager aufgezogen, beherrschte er das Technische des Kriegsdienstes bis zur Vollendung. Der vorzügliche Drill seiner Soldaten gestattete ihm, ihnen auf dem Schlachtfelde die schwierigsten Manöver zuzumuthen, und eine eiserne Disciplin machte sie in seinen Händen zu willenlosen Werkzeugen. Hat er es doch fertig gebracht, Städte, welche im Sturm genommen waren, vor jeder Plünderung zu schützen[3], und das in einem Zeitalter, wo die Zuchtlosigkeit der Soldatesca jeden Augenblick in Meutereien ausbrach.

Die Kehrseite der Tapferkeit ist der Leichtsinn. Wer mit jeder Gefahr fertig zu werden meint, wird künftigen Gefahren nicht ängstlich vorbauen, ja sie mitunter selbst heraufbeschwören. Dies war auch Constantins Fehler: für seine Person ist er nie besorgt gewesen, und auch was dem Reiche drohte, hat er nicht immer vorgesehen und rechtzeitig abgewandt. Politischen Theorien zu Liebe hat er die Macht derjenigen, welche einst seine Gegner werden sollten, in thörichter Uneigennützigkeit gross gezogen und seine eigene über die Massen geschwächt. Eine sanguinische Vertrauensseligkeit bestimmte sein Verhalten, wie zu den feindselig lauernden Mitregenten, so auch zu seiner schmeichelnden Umgebung. Von den Rathschlägen seiner Günstlinge war er in hohem Grade abhängig[4], ja sogar seine Kammerdiener

  1. Euseb. vit. Const. I 6.
  2. Eumen. paneg. IX 21; Nazar. paneg. X 19; Eutr. X 3, 2.
  3. Eumen. paneg. IX 6: tibi licuit clementiam tuis victoribus imperare.
  4. Dies kann es doch nur bedeuten, wenn Eutrop. (X 7, 2) an ihm die docilitas seinen Freunden gegenüber rühmt.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1892, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1892_07_085.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2023)