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den „Arbeiten des geographischen Institute an der k. k. Universität Wien“, pag. vij–xxij.

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Es ist in den letzten Jahren eine Reihe von Werken erschienen, welche für Unterrichtszwecke eine Auswahl von Quellen und Quellenauszügen zusammenstellen. Wir erinnern an die Fortführung der Richter’schen Annalen der Deutschen Geschichte, an das Erler’sche Buch, das die Deutsche Geschichte des Mittelalters mit den Worten der Quellen zu erzählen unternahm, ferner auf dem speciellen Gebiete der Verfassungs-G. an die kürzlich von uns besprochenen Sammlungen von Altmann-Bernheim und von Lehmann. Ist hier der akademische Unterricht, bei Richter vorzugsweise das Bedürfniss des Gymnasiallehrers, bei Erler daneben populäre Belehrung in’s Auge gefasst, so macht sich daneben in letzter Zeit lebhafter das Bestreben geltend, die Quellenlectüre direct für den Schulunterricht zu verwerthen. Es werden alle darüber einig sein, dass Werke wie die genannten Handbücher dem wissenschaftlichen Studium die nützlichste Hilfe gewähren können, und man wird andererseits auch, ohne grossen Widerspruch befürchten zu müssen, behaupten dürfen, dass Bücher, welchen es gelänge, für das grosse Publicum die historische Darstellung durch blosse Quellenauszüge nicht nur zu ergänzen, sondern zu verdrängen, nahezu den Bankerott der historischen Wissenschaft bedeuten würden. Weit mehr aber werden die Meinungen auseinandergehen, wenn es sich um Quellenauszüge handelt, die dem Schüler an die Hand gegeben werden sollen. Der Gedanke scheint uns, richtig ausgeführt, ein sehr glücklicher zu sein. Der Lehrer selbst wird ja, wenn auch in bescheidenen Grenzen, öfter mit Vortheil directe Mittheilungen aus den Quellen machen, und zur Ergänzung seines mündlichen Vortrages muss eine gute Zusammenstellung von Quellenauszügen ihm sehr willkommen sein. Es handelt sich dabei nicht nur darum, das Bild der Vergangenheit durch Vorführung der directen Zeugnisse in kräftigeren Farben zu malen und Einzelzüge hinzuzufügen, die keine Ueberarbeitung so unverfälscht übermitteln kann; sondern es kommt wenigstens in den obersten Classen noch ein anderer Gesichtspunkt hinzu. Der Schüler soll aus dem Unterricht der Geschichte wie aus dem der Naturwissenschaften Anregung und Anleitung zur Bethätigung eigenen Urtheils davontragen, er soll aus der Geschichte wenigstens eine Ahnung davon bekommen, wie an der Ueberlieferung menschlicher Dinge richtige Kritik zu üben, wie Glaubwürdiges und Unglaubwürdiges, primäres Zeugniss und abgeleiteter Bericht zu sondern ist. Wir begnügen uns absichtlich mit einer „Ahnung“ und wollen ja nicht zu viel verlangen; aber es wäre jedenfalls zu wünschen und zu erreichen, dass der Secundaner nicht mehr nach Dilettantenart Becker’s Weltgeschichte für eine vorzügliche „Quelle“ hält, sondern dass er eine zwar nur sehr allgemeine, aber doch richtige Vorstellung davon gewinnt, wie die histor. Ueberlieferung beschaffen ist und wie aus ihr histor. Kenntniss gewonnen wird. Der naturwissenschaftliche Unterricht führt den Schüler viel näher an die Quellen der Erkenntniss heran, vielleicht weil er jünger ist und nicht mit den Eierschalen längerer Entwicklung sich zu schleppen hat. Die Geschichte bleibt, so weit unsere Beobachtungen reichen, zu sehr in erzählender Darstellung oder gar im

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_406.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2023)