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Was folgt aus der Benutzung des Carmen in den Annalen für die Erkenntniss der Historiographie Lambert’s? – Das Gedicht kann nicht als eine Quelle im modernen Sinne des Wortes aufgefasst werden; dasselbe ist ihm nur eine Vorlage; er verwendet dasselbe zur Ausschmückung und Erweiterung seiner Darstellung, stellenweise dient es ihm zur Disposition. Lambert hat aus dem Carmen nichts gelernt, er hat weder seine Kenntniss erweitert noch berichtigt, ja er hat vielmehr die in vieler Hinsicht richtigere Auffassung des Gedichtes vollständig ignorirt. Er sieht in demselben eine Tendenzschrift, und schreibt das Carmen als solche aus, ohne sich aber hierbei stets seiner anderen Darstellung ganz bewusst zu sein. Die Folge hiervon waren zahlreiche Widersprüche, die wir anmerken konnten. Offenbar misst Lambert seiner Kenntniss, seiner Auffassung einen weit grösseren Glauben bei, als der im Carmen; er hält sich für befugt, die seiner Ansicht nach verdrehte Darstellung des Gedichtes zu verbessern. Damit gewinnt aber Bresslau’s Ansicht von der Bedeutung des „Klosterklatsches“ für viele Einzelheiten der Annalen eine ganz hervorragende Stütze. Auf dem Klosterklatsch, auf der Autorität seiner Mitbrüder beruht Lambert’s Ueberzeugung. Nur dadurch, dass er sich mit einer grossen Menge im Einklang wissen mochte, konnte er dem Carmen gegenüber an seiner Auffassung festhalten. Nicht unser biederer Mönch allein, seine Mitbrüder müssen für seine Darstellung verantwortlich gemacht werden. Sie waren es, die ihm z. B. die Wirren des Reiches als einen Ausfluss des Zehntstreites erscheinen liessen, sie waren es, die seine Auffassung von dem Charakter des Königs beeinflussten. In unserem Autor haben wir den verdichteten Niederschlag dieser schwülen und dumpfen Atmosphäre vor uns.


IV.
Kritik einzelner Nachrichten.
Der Kaiserswörther Königsraub.

Mit den Worten: „Den Hergang erzählt in anschaulicher Weise der Hersfelder Mönch Lambert, welcher allerdings in seinem Kloster leicht die genaue Kunde davon erhalten konnte, da noch

    schriftstellerischen Individualität hätte verleugnen sollen, von dem er in der poetischen Darstellung einen so überaus reichen Gebrauch gemacht haben würde!

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_341.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)