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Wir werden uns den Standpunkt, den Lambert dem Gedichte gegenüber einnimmt, im allgemeinen in ähnlicher Weise zu denken haben, wie bei Abfassung der Vita Lulli zu Eigil’s Vita Sturmi (vergl. Diss. S. 40 ff.). Er tritt an das Gedicht mit der festen Ueberzeugung heran, dass die Ereignisse in demselben von einem durchaus falschen Standpunkte aus dargestellt wurden.

Von Anfang an stossen wir auf einen grundsätzlichen Unterschied der Auffassung. Hatte das Carmen die Erhebung der Sachsen als eine Auflehnung gegen die Gesetze erscheinen lassen, die der König zur Abstellung der in seiner Minderjährigkeit eingerissenen recht- und gesetzlosen Zustände erlassen hatte, so weiss Lambert von diesem charakteristischen Zug, der den wirklichen Verhältnissen, wie wir sie uns jetzt vorstellen, am nächsten kommt, anscheinend nichts zu berichten. Er hat den Aufstand der Sachsen, wie wir oben S. 317 zeigten, gänzlich anders motivirt. Trotzdem weiss er ähnlich wie in der Vita Lulli dieses seiner Auffassung widersprechende Moment, freilich an anderer Stelle, zu verwerthen[1].

Carmen I, 11.
     
Ann. pag. 48.
Domni regis adhuc pueri gens
 effera laxis,
Dum fluit imperiis nec habebat
 iura timoris,
– – –
Quod fuerat libitum sibi
 quisque
secutus eorum.
 et temporis oportunitate, quia, rege adhuc in puerilibus annis constituto, singuli quod sibi animus suggessisset facere impune poterant.

Indem Lambert diese Stelle herübernimmt, geräth er mit seiner eigenen Darstellung in Widerspruch. Auf der folgenden Seite nämlich (pag. 49) kommt er auf jene Goslarer Streitigkeiten zu reden, wo von den „pueriles anni“ nichts mehr zu merken ist, und die Frevler, wenn auch ungerecht, immerhin bestraft werden. Andererseits tritt dieser Standpunkt sonst bei Lambert nirgend hervor, ich erinnere nur an seine Auffassung von der Ursache des Kaiserswörther Attentates, das er kurz vorher (pag. 47) erzählt hatte.

Die Verwendung einzelner Motive des Gedichtes tritt deutlich

  1. Man vergleiche unsere Ausführungen S. 302 Anm. 2, III.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 326. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_06_326.jpg&oldid=- (Version vom 23.1.2023)