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sich schon im ersten Viertel des 11. Jahrhunderts, und scheinen ihre Lehren aus Italien dorthin verpflanzt worden zu sein. Die Schuldigen wurden übrigens noch mit grosser Milde behandelt und durch Belehrung in den Schoss der Kirche zurückgeführt (Nr. 12). Fünfzig Jahre später üben die geistlichen Behörden bereits grössere Strenge, wie denn der Bischof von Cambrai 1075 einen gewissen Ramihrd verbrennen liess, nur weil er sich weigerte, von Priestern, die in Unzucht und Simonie lebten, das Abendmahl zu empfangen (Nr. 7). Im Beginne des 12. Jahrhunderts tritt dann in Flandern und Antwerpen der räthselhafte Tranchelm auf, der durch seine hinreissende Beredsamkeit alles Volk des Küstenlandes bis nach Utrecht hin um sich schaart und mystische Lehren verbreitet, die unmittelbar gegen die herrschende Kirche und deren Organisation gerichtet sind; er wurde schliesslich 1115 von einem Priester ermordet (Nr. 11, 14–22). In der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts und in der ersten des folgenden erscheinen in den Niederlanden zahlreiche Katharer; sie bieten schon 1162 dem Erzbischof von Reims sechshundert Mark Silber, wenn er sie in dem zu seiner Kirchenprovinz gehörigen Flandern dulden wollte. Sechs Männer und zwei Frauen dieser Secte, die sich nach Köln geflüchtet hatten, wurden dort 1163 durch Erzbischof Reinald verbrannt. Im Jahre 1182 fand dann eine grosse Verfolgung der Katharer in Flandern und Artois statt, der auch viele Edelleute und Geistliche zum Opfer fielen. In Folge der Albigenserkriege flüchteten sich zahlreiche Katharer nach Welschflandern, wo sie auf Anregung der Päpste mit grösstem Eifer aufgespürt und verbrannt wurden. Der strengste Inquisitor war ein bekehrter Albigenser, der Dominicaner Robert, der, obwohl von König Ludwig IX. beschützt, schliesslich seinen Verfolgungseifer mit dem Leben büsste (Nr. 34. 37. 38. 40. 42. 48. 52. 90. 94–98. 100. 104. 106. 108. 109. 116. 117. 121). In geringerer Zahl zeigten sich die Waldenser, seit dem Jahre 1241, zumal in Antwerpen, wo ein ehemaliger Domherr, Wilhelm Cornelisz, ihre Anschauungen zu verbreiten suchte (Nr. 119. 125. 126).

Das 14. Jahrhundert ist in den Niederlanden durch das Wiedererwachen des Mysticismus gekennzeichnet, der sich damals mit schlimmster Unsittlichkeit paarte: worüber Prof. Fredericq zahlreiche höchst belehrende Actenstücke beibringt. Was man zu jener Zeit in den Französisch redenden Landen Vaudoisie nannte, war nichts anderes als Zauberei und Teufelsdienst und hat mit dem eigentlichen Waldenserthum nichts zu thun. Diese ganze Richtung verschwindet dann im 15. Jahrhundert; die Secte der „Turlupinen“, die noch den Mysticismus pflegte und deren Führer ein gewisser Alfons von Portugal war, umfasste im Grunde ganz friedliche und ungefährliche Leute (Nr. 219.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_373.jpg&oldid=- (Version vom 27.12.2022)