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Erzherzogs grüne Hoffnung auch diesmal eine trügerische war: sie hinderten ebenso wenig, dass die Huld und Gnade der Königin auch dem Graugewordenen bewahrt blieben. Durch volle 30 Jahre, bis zu seinem Tode hat er sich seiner bevorzugten Stellungen und der königlichen Gunst erfreut. Was er immer sündigen mochte, durch zwei heimliche Vermählungen, die seine Untreue ausser Zweifel setzten, durch Unbotmässigkeit in politischen Dingen und Unfähigkeit in militärischen – alles wurde ihm verziehen. Selbst als Elisabeth's Bedarf an Schwärmerei oder Genuss durch jüngere Kräfte gedeckt wurde, hat dies an Umfang und Nutzungen seiner Günstlingschaft nichts geändert. Es ist unleugbar, dass solches von seiner Seite einige Geschicklichkeit und Kunst erforderte, auf Elisabeth’s Seite aber eine grosse Liebe zur Voraussetzung hatte – eine Liebe, die dem Spott der Feinde, der Warnung ergebenster Freunde Trotz geboten, und was ungleich mehr sagen will, sich stärker erwiesen hat, als die Wirkungen der Zeit.




Nachdem Vorstehendes zum Druck gegeben war, kam mir Bekker’s Essay über Elisabeth und Leicester zur Hand[1]. Es sei mir desshalb gestattet, mit dessen Verfasser mich hier in kurzem auseinanderzusetzen.

Der Punkt von Belang, in dem wir differiren, betrifft den Tod Amy Robsart’s und die Frage nach Leicester’s und Elisabeth’s Schuld an demselben. Was Bekker dessfalls aus dem Leicester-Blount’schen Briefwechsel und den Bekenntnissen Appleyard’s folgert, kann ich wohl auf sich beruhen lassen. Diese Actenstücke lassen, wie aus Gairdner’s oben citirtem Aufsatz erhellt, eine der Bekker’schen völlig entgegengesetzte Auslegung zu, und es will mir scheinen, dass sowohl Bekker als auch Gairdner mit ihren Auslegungen einen Beweis erbringen wollen, für welchen es in den Briefen, wie in dem Bekenntnisse an einem festen, über alle Zweifel erhabenen Anhaltspunkte fehlt. Wer billig urtheilen will, darf nicht übersehen, dass weder Froude noch Bekker aus dem Briefwechsel und Appleyard’s Confession ihre Schlüsse auf Leicester’s Schuld gezogen hätten, wenn die Aeusserungen

  1. Giessener Studien auf dem Gebiet der Geschichte V: Elisabeth und Leicester. Beiträge zur Geschichte Englands in den Jahren 1560–1562. Giessen, Ricker. 1890. 131 p. 3 M.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 137. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_137.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)