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an Frankreichs Hofe, den Staatssecretär Cecil von dem Vorhaben in Kentniss setzte, mit dem Morette nach England gehe, liess er die Bemerkung einfliessen: die Könige von Spanien und Frankreich seien für die Werbung des Herzogs von Nemours; aber der päpstliche Nuntius habe ihm, dem Throckmorton, gesagt: Elisabeth stehe auf dem Punkte, ihren Stallmeister zu heirathen. Und dieser päpstliche Nuntius hatte mit dieser seiner Meinung in eben dem Zeitpunkte vollkommen Recht.

Der Oberst-Hofstallmeister der Königin war Lord Robert Dudley, den sie später zum Grafen von Leicester erhoben hat, unter welchem Namen er durch Schiller unsterblich gemacht ist. Dieser Lord, der „süsse Robin“, wie ihn Elisabeth halb kosend, halb spottend zu nennen pflegte, war drei Jahre vor ihr, aber gleichfalls am 7. September und in derselben Tagesstunde wie sie geboren und in früher Jugend ihr Spielgenosse gewesen. Die Beiden hatte unter Herrschaft von Elisabeth’s älterer Schwester, der Königin Marie Tudor, ein gemeinsames Schicksal verbunden: sie sassen im Tower gefangen – er als Sohn jenes Herzogs von Northumberland, der Johanna Grey auf ein paar Tage zur Königin gemacht hatte und dafür im Beginne der Regierung Mariens geköpft worden war; sie auf Tod und Leben processiert, weil sie der Theilnahme an einer gegen ihre Schwester gerichteten Rebellion verdächtig war. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Elisabeth im Laufe dieser Gefangenschaft auch von Eros gefesselt worden und in heftiger Liebe zu ihrem Kerkergenossen entbrannt. Aber die erste urkundliche Erwähnung des Liebesverhältnisses zwischen beiden wird uns mehr als vier Jahre später, in einem Schreiben Feria’s, des Spanischen Botschafters in England, vom April 1559[1]; die zweite, sehr bedeutsame, vom Mai desselben Jahres datirt, in der Depesche des Venezianischen Botschafters an Philipp’s Hofe, welche die Meldung enthält, dass Lord Robert’s Frau krank sei und leicht sterben könne, worauf Elisabeth ihn wahrscheinlich zum Manne nehmen würde[2]. Wir ersehen hieraus, dass jenes am Englischen Hofe in Umlauf gesetzte Gerücht, welches Dudley’s Frau krank sagte, um ihren durch Gift geplanten Tod nicht auffällig erscheinen zu lassen,

  1. Bei Mignet, a. a. O. I cap. 4; ausführlicher bei Froude, Hist. of Engl. since the Fall of Wolsey. VII, 85.
  2. Depesche d. P. Tiepolo, Brüssel 4. Mai 1559, im Venet. Archive.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 122. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_122.jpg&oldid=- (Version vom 19.12.2022)