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das wirkte damals zusammen und machte seinen Erfolg zu einem durchschlagenden. Anders lagen die Verhältnisse jetzt. Der Reiz der Neuheit, den die Kreuzpredigt 1214 bei den Friesen gehabt, war jetzt keine Triebfeder mehr. Wassersnoth mehrere Jahre hintereinander[1], welche die Ernte vielfach vernichtete und auch Menschenleben forderte, und in deren Gefolge Hungersnoth oder wenigstens Theuerung, waren Ereignisse, welche die Gedanken der Friesen mehr auf die Gegenwart und die häuslichen Angelegenheiten lenkten, so dass sie für fernliegende Kriege wenig empfänglich waren. Dabei erfahren wir von Zwistigkeiten unter dem Volke im Osten und Westen, hervorgerufen vermuthlich durch die Germanische Fehdesucht und die Unbeugsamkeit des Friesischen Charakters und fortgesetzt durch das Recht der Blutrache, der das Volk noch ganz und gar huldigte[2]. Frieden zu stiften gelang Oliver nicht immer; im Gegentheil sahen wir, dass er durch seine Bemühungen um Frieden sogar zu weiteren Blutthaten reizte. Wie die Laien, so waren aber auch die Geistlichen nicht einig, von denen doch gerade in erster Hinsicht Oliver hätte Unterstützung erwarten können. Schwerlich wird die eine Partei leicht geneigt gewesen sein, gemeinsam mit der andern sich einer grösseren Sache hinzugeben, sobald sie durch Oliver als Schiedsrichter um ihr vermeintliches Recht gebracht zu sein glaubte[3]. – Alle diese misslichen Verhältnisse trafen jetzt zusammen und mussten dem Magister sein Amt nicht unwesentlich erschweren. Dass Oliver die Hindernisse dennoch bewältigte oder wenigstens so weit beseitigte, dass er einen Erfolg erzielte, mit dem er zufrieden war, das war sein Werk; wenn seine Bemühungen diesmal nicht so grosse Erfolge aufweisen konnten wie 1214, so lag das nicht an ihm

  1. Seit der grossen Ueberschwemmung vom Jahre 1219 vier Jahre hintereinander, vgl. Menko a. a. O. S. 527 und Ubbo Emmius, Rer. Fris. hist. (Arnhemii 1605) S. 339 ff.; 349.
  2. Thomas Cantipr. de apibus (Ausgabe Duaci 1617) lib. II, cap. 1, Nr. 15 (S. 120) sagt noch von seiner Zeit: Ab antiquissimo tempore in consuetudinem immanissimam haec habebant Frisones, ut occiso homine unius cognationis ab altera occisum corpus non sepeliebatur a suis, sed suspensum in loculo servabatur et desiccabatur in domo, quousque ex cognatione contraria in vindictum occisi plures vel saltem unum adversa cognatio pro morte vicaria trucidaret.
  3. Wie dies in dem Streite Emo’s und Herderich’s der Fall war, der nicht ohne Todtschlag und Brandstiftung endigte.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_04_073.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2022)