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sich das Resultat, dass das ohne einen Zusatz gebackene Brod kuchenförmig breit lief, die Rinde sich ablöste, ein bläulicher Schliff sich bildete, das Gebäck ungeniessbar war.

Bei einem Zusatz von 1⅓ Loth Salz auf 3 Pfund Mehl wurde das Brod wesentlich besser, es behielt seine Form, die Rinde löste sich aber ab, und es zeigte sich immer noch ein kleiner Schliff an der untern Seite: das Brod war geniessbar.

Ein Zusatz von 2 Loth Salz auf 3 Pfund Mehl zeigte die vollständige Wirkung: das Brod war in jeder Beziehung zufriedenstellend, locker, trocken, wohlschmeckend, ohne allen Schliff.

Die Operation ist einfach; vor dem Einwirken wird das in Wasser gelöste Salz zugesetzt; sonst in Allem verfahren wie gewöhnlich.

Die gleichzeitig angestellten Versuche mit Mehl aus ausgewachsenem Weizen ergaben bis jetzt kein befriedigendes Resultat: sie sollen fortgesetzt werden.

Wenn hiernach das gewachsene Korn mit gleichem Vortheil, wie das ungewachsene, durch den Zusatz von Kochsalz verbacken werden kann, so hat das Kochsalz noch weitere sehr beachtenswerthe Eigenschaften bei dem Brodbacken, indem, abgesehen davon, dass zur vollständigen Verdauung der im Brod enthaltenen Proteinstoffe Salz nöthig ist, dieses auch die Schimmelbildung verhindert. Es ist durch die Versuche von Herrn Dr. Lehmann erwiesen, dass selbst nach Monaten sich noch kein Schimmel bei dem mit Salz gebackenen Brode einstellt, während solcher, wo der Zusatz von Kochsalz unterbleibt, oft schon nach wenigen Tagen sich einstellt.

Endlich aber bäckt sich das Mehl ungleich weisser bei einem Zusatz von Salz; es haben dieses nicht allein die vom Herrn Dr. Lehmann bereits vor 2 Jahren angestellten Versuche bewiesen, sondern es ist auch erst vor kurzem durch Mège-Mouriès hierauf öffentlich hingewiesen worden.

Ganz abgesehen von der besondern Wichtigkeit des Kochsalzzusatzes für das Verbacken von Mehl aus ausgewachsenem Roggen, würde es überhaupt wünschenswerth sein, wenn sich auch unser Publicum der in Süddeutschland bekanntlich allgemein eingeführten Sitte, gesalzenes Brod zu geniessen, dafür aber die nicht zu längerer Aufbewahrung bestimmte Butter nicht zu salzen, anschliessen wollte. Denn ausser den allgemein günstigen diätetischen Wirkungen solcher Sitte würde man dann in Jahren, wo das Getreide stark auswächst, nicht die besondere Schwierigkeit der Gewöhnung der Consumenten an den Genuss gesalzenen Brodes zu überwinden haben. Die secundäre Wirkung der Abschaffung der mit dem Verkaufe gesalzener Butter verbundenen Missbräuche würde ebenfalls keine ungünstige sein.

Allen, welche sich für die wichtige Aufgabe zweckmässiger Volksernährung interessiren, sind diese Sätze lebhaft an’s Herz zu legen.

Zunächst aber handelt es sich darum, der Verbackung des Mehls an ausgewachsenem Roggen mit Hülfe von Salzzusatz rasch und allgemein Eingang zu verschaffen.

(Dresdner Journal.)
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 476. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_476.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)