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Ammoniak – als Düngmittel dieselbe Wirkung haben, welche der Guano, in gleichem Grade vielleicht nicht hervorbringen würde. Eine Düngung mit saurem phosphorsaurem Kalk (Phosphorit) erhöhte auf einem der ärmsten ausgenutzten Felder in der Umgegend Münchens, in Versuchen, welche das Generalcomité des landwirthschaftlichen Vereins zu Schleissheim ausführen liess, den Kornertrag (Sommerweizen) um mehr als das Doppelte des ungedüngten Stückes. Wäre dieses Stück mit Guano gedüngt worden, so würde der Ertrag ohne allen Zweifel den des ungedüngten Stückes weit überstiegen haben, und ein Anhänger der sogenannten Stickstofftheorie würde eben so zweifellos dem im Guano zugeführten Ammoniak die Wirkung zugeschrieben haben, von welcher in dem erwähnten Versuch nicht die Rede sein kann. Durch dasselbe Düngmittel hat man an vielen andern Orten, ohne alle Mitwirkung von Ammoniak, Erträge an Korn erhalten, welche die mit Guano erzielten häufig übertrafen, und dass für Felder dieser Art das Pfund Ammoniak keinen Pfennig werth ist, liegt auf der Hand.

Auch der Grund hiervon ist durch die chemische Untersuchung des Bodens ermittelt worden; es hat sich ergeben, dass die meisten Felder auf zehn bis zwölf Zoll Tiefe hundert-, fünfhundert-, oft tausendmal mehr Ammoniak in einer ähnlichen Form enthalten, als es im verrotteten Stallmist, im Knochenmehl oder Repskuchenmehl enthalten ist, und man sieht ein, wenn es an einem einzigen der andern Bodenbestandtheile mangelt, dass der vorhandene Reichthum an Ammoniak nicht wirksam und tätig sein kann.

In der Umgebung Magdeburgs hat man angefangen die Brennrückstände der Rübenzuckermelasse, welche die löslichen Salze der Runkelrübe (keine Ammoniaksalze) enthalten, als Düngmittel zu verwenden, und ich bin versichert worden, dass damit auf einem und demselben Felde mehrere Jahre hinter einander die reichsten Reps- (ebenfalls eine Rübe-) Ernten erzielt worden sind. Für ein jedes Feld giebt es ein solches Mittel; wenn man sich aber begnügt das Ammoniak lobzupreisen, so findet man es nicht.

Der Boden enthält, wie aus dem 38sten Brief erhellt, niemals freies Ammoniak, und während der Fäulniss des Mistes geht der grösste Theil des frei gewordenen in eine chemische Verbindung mit den humosen Bestandtheilen desselben über, die es direct der Jauche entziehen, woher es denn kommt, dass diese verhältnissmässig so arm an diesem Bestandtheil ist. Führt man freies Ammoniak oder ein Ammoniaksalz dem Felde zu, so geht es augenblicklich mit den Bestandtheilen der Ackerkrume eine Verbindung ein, von welcher die Pflanze diesen Nahrungsstoff empfängt. In dieser Weise häufte und häuft sich das im Regen zugeführte Ammoniak im Boden an, und man sollte deshalb verständigerweise kein Geld für das theuerste aller Düngmittel ausgeben, ehe man sich versichert hat, dass weder phosphorsaurer Kalk für sich oder mit Schwefelsäure aufgeschlossen, oder Asche, oder beide vereinigt, oder Kalk eine Wirkung auf dem Felde, zunächst bei Hackfrüchten, auf welche man Halmgewächse folgen lässt, hervorbringen. Erst wenn dies alles geschehen, ist die Anwendung des Ammoniaks gerechtfertigt.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_434.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)