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Wirkung auszuüben, bis sie gänzlich in Kalk- und Bittererdesalze sich umgesetzt haben.

Wenn man den günstigen Einfluss der vergrösserten Löslichkeit und Verbreitbarkeit der Knochenerde im Boden durch ihre Aufschliessung mit Schwefelsäure in Betrachtung zieht, so kann die Bedeutung der oben erwähnten Eigenschaft der Ammoniaksalze, des Kochsalzes und des Chilisalpeters nicht hoch genug angeschlagen werden.

Die stärkste Düngung mit phosphorsauren Erden in grobem Pulver kann in ihrer Wirkung kaum verglichen werden mit der einer weit kleineren Menge in einem unendlichen Zustande der Zertheilung, welche bewirkt, dass ein Theilchen derselben sich in allen Theilen der Ackerkrume befindet. Eine einzelne Wurzelfaser bedarf von dem Orte aus, wo sie den Boden berührt, unendlich wenig an Nahrung, aber zu ihrer Function und zu ihrem Bestehen gehört, dass dieses Minimum gerade an dieser Stelle vorhanden ist; denn wenn sich die Nahrungsmittel im Wasser nicht lösen, so ist ein Ueberschuss an jeder anderen Stelle für ihre ernährende Function nicht vorhanden. Die genannten Salze besitzen nun die Eigenschaft, diese Pflanzennahrungsmittel von dem Orte aus, wo sich ein Ueberfluss befindet, nach den Stellen hin, wo daran Mangel ist, zu verbreiten, und auch wenn sie durch ihre Elemente keinen Theil an dem Ernährungsprocesse nehmen, so müssen sie dennoch einen bemerklichen Einfluss auf die Steigerung der Erträge ausüben.

Wenn das schwefelsaure Ammoniak, der Chilisalpeter, sich vollständig in Kalk- und Magnesiaverbindungen, das Kochsalz in Chlorcalcium und Chlormagnesium sich umgesetzt haben, so hört diese Wirkung völlig auf; es ist alsdann eine wiederholte Gabe dieser Salze nöthig, um die Wirkung zum zweiten Male hervorzubringen.

Wenn die Wirkung der Ammoniaksalze auf dem Ammoniak beruht, so ist es kaum zu begreifen, warum nach starken Düngungen mit diesen Salzen der Theil, der im ersten Jahre nicht gewirkt hat, im zweiten nicht wirken sollte, da der Theil, welcher nicht wirkte, in derselben Form im Boden der Pflanze dargeboten wird, als der Theil, welcher gewirkt hatte.

Das schwefelsaure Ammoniak wirkt auf kieselsaure Alkalien auf eine ähnliche Weise, wie gegen phosphorsaure Erdsalze; wenn man dieses Salz in sehr verdünnter Lösung mit einer Ackererde in Berührung bringt, welche mit kieselsaurem Kali gesättigt ist und die an Wasser keine Spur von Kali abgiebt, so löst sich augenscheinlich durch das Ammoniaksalz eine gewisse Menge durch die gewöhnlichen Reagentien nachweisbares Kali auf.

Es ist klar, dass der Landwirth durch die geeignete Anwendung der chemischen Actionen des Kochsalzes, Chilisalpeters und der Ammoniaksalze die mechanische Arbeit des Pfluges und die Wirkung der Atmosphäre in der Brache ersetzt und vertritt.

Man würde einen Fehler begehen, wenn man den Schluss ziehen wollte, dass der gleichen Eigenschaft gemäss das Kochsalz die nämliche Wirkung haben müsse, als eine entsprechende Quantität salpetersaures Natron, denn wenn wir uns denken, was in der Regel statt haben wird, dass beide Salze sich in Kalkverbindungen, das Kochsalz in Chlorcalcium,

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_368.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)