Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 334.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


wir in ihren festen Excrementen keine Kieselerde, wir haben darin phosphorsauren Kalk und Bittererde, in den flüssigen Excrementen haben wir kohlensaures Kali und Natron, so wie Verbindungen dieser Basen mit anorganischen Säuren. Wir haben mit einem Wort in den flüssigen Excrementen alle löslichen Bestandtheile der Asche der genossenen Speise, in den festen Excrementen haben wir die im Wasser nicht löslichen Theile dieser Asche. Hinterlässt das Futter oder die Speise nach dem Verbrennen eine Asche, welche lösliche phosphorsaure Alkalien enthält (Brod, Mehl, Samen aller Art, Fleisch), so bekommen wir von dem Thiere, von dem sie verzehrt werden, einen Harn, in dem wir dieses phosphorsaure Alkali wiederfinden. Giebt die Asche des Futters an Wasser kein lösliches phosphorsaures Alkali ab (Heu, Klee, Stroh), sind darin nur unauflösliche phosphorsaure Erden enthalten, so ist der Harn frei von phosphorsaurem Alkali; wir finden alsdann in den Fäces die phosphorsauren Erden. Der Harn der Menschen, der fleisch- und körnerfressenden Thiere enthält phosphorsaures Alkali, der Harn grasfressender Thiere ist frei von diesem Salz.

Die Analyse der Excremente der Menschen, der fischfressenden Vögel, des Guano, so wie der Excremente des Pferdes und der Kuh geben über die darin enthaltenen Salze den genügendsten Aufschluss. Wir bringen, wie diese Analysen ergeben, in den festen und flüssigen Excrementen der Menschen und Thiere auf unsere Aecker die Asche der Pflanzen zurück, welche zur Nahrung dieser Menschen und Thiere gedient haben. Diese Asche besteht aus löslichen und unlöslichen Salzen und Erden, welche, zur Entwickelung der Culturpflanzen unentbehrlich, der fruchtbare Boden liefern muss.

Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass wir mit der Zufuhr dieser Excremente die in der Ernte entzogenen Bodenbestandtheile wieder zurückbringen, dass wir damit dem Boden wieder das Vermögen geben, einer neuen Ernte Nahrung darzubieten – wir stellen das gestörte Gleichgewicht wieder her. Jetzt, wo wir wissen, dass die Bodenbestandtheile des Futters in den Harn und in die Excremente des Thieres übergehen, das sich davon ernährt, lässt sich mit der grössten Leichtigkeit der verschiedene Werth der Düngerarten feststellen. Die festen und flüssigen Excremente eines Thieres haben als Dünger für diejenigen Gewächse den höchsten Werth, welche dem Thiere zur Nahrung gedient haben. Der Koth der Schweine, die wir mit Erbsen und Kartoffeln ernährt haben, ist vor allem andern zur Düngung von Erbsen- und Kartoffelfeldern geeignet. Wir geben einer Kuh Heu und Rüben, und erhalten einen Dünger, der alle Bodenbestandtheile der Graspflanzen und Rüben enthält, dem wir zur Düngung der Rüben vor jedem andern den Vorzug geben müssen. So enthält der Taubenmist die mineralischen Bestandtheile der Körnerfrüchte, der Kaninchenmist die der krautartigen und Gemüsepflanzen; der flüssige und feste Koth der Menschen enthält die Mineralbestandtheile aller Samen in grösster Menge[1].

  1. Auf einem Stück Feld in der Nähe von Giessen, von der schlechtesten Beschaffenheit, auf welchem seit Jahrhunderten nur Kiefern gediehen und das als Ackerland kaum einen Werth hatte, habe ich drei Jahre lang eine Reihe von Versuchen über die Wirkung der Mineralbestandtheile des Düngers angestellt und mich überzeugt, dass für perennirende Gewächse, für Holzpflanzen und Weinreben, ihre Aschenbestandtheile ausreichen, um den Boden fruchtbar für diese Gewächse zu machen, dass aber für Getreide und Sommergewächse, um ein Maximum von Ertrag zu erzielen, der Gehalt des Bodens an organischen Substanzen von der grössten Bedeutung ist. Durch Hinzufügung von Sägespänen wurde die Wirkung des Mineraldüngers in auffallendem Grade schon erhöht, und es scheint mir nicht im geringsten zweifelhaft zu sein, dass der Hauptgrund der erhöhten Wirksamkeit in der durch die Verwesung gebildeten Kohlensäure gesucht werden muss, die in diesem Falle weit weniger als Nahrungsmittel, sondern vorzüglich als Lösungsmittel für die phosphorsauren Erdsalze (phosphorsauren Kalk und Bittererde) und für die Ueberführung der neutralen kohlensauren Alkalien und Erden in Bicarbonate und zur Aufschliessung der Silicate wirksam ist. Diese Kohlensäure ist die von der Natur gegebene Bedingung des Uebergangs der genannten Nahrungsmittel in den Organismus der Pflanze; denn die phosphorsauren und kohlensauren Erden sind für sich im Wasser nur dann löslich, wenn das Wasser Kohlensäure enthält, und ist offenbar die im Regenwasser vorhandene Kohlensäure-Menge nicht ausreichend, um in der kurzen Zeit des Wachsthums der Sommerpflanzen die für ein Maximum ihrer Entwickelung unumgänglich nöthige, verhältnissmässig grosse Menge von Mineralbestandtheilen in den löslichen, d. h. in den für die Pflanzen geeigneten Zustand zu versetzen. Es ist bekannt, welchen Erfolg für diesen Zweck ein mässiger Regen schon bewirkt und es lässt sich ermessen, in welchem hohen Grade dessen Wirkung gesteigert werden muss in Folge des Hinzutretens der Kohlensäure, durch welche das Lösungsvermögen des Regenwassers für diese Substanz um das Hundertfache, ja Tausendfache erhöht wird. Der Kohlensäuregehalt des gewöhnlichen Brunnenwassers, welches oft so beträchtliche Mengen von anorganischen Bestandtheilen gelöst enthält, rührt von dieser Quelle, nämlich von der Verwesung organischer Stoffe her.

    Am wirksamsten zeigte sich eine Mischung Stalldünger mit Mineraldünger; der Stalldünger enthält im Verhältniss zu seinen Mineralbestandtheilen zu viel organische Substanz, so viel jedenfalls, dass durch die in seiner Verwesung gebildete Kohlensäure die vielfache Menge mehr an Mineralsubstanzen gelöst werden könnte. Die ausserordentliche Erhöhung der Wirkung der Knochen durch Zusatz von Schwefelsäure beruht lediglich auf der Vergrösserung der Löslichkeit des phosphorsauren Kalks. Bei den erwähnten Versuchen habe ich, wie Viele vor mir, die Erfahrung gemacht, dass die Fruchtbarmachung eines an sich unfruchtbaren Bodens, wenn dessen Unfruchtbarkeit von dem Mangel an wirksamen Bestandtheilen und nicht von einer ungeeigneten physikalischen Beschaffenheit herrührt, zu Ausgaben nöthigt, welche mehr betragen, als man für den Ankauf des fruchtbarsten Feldes zu machen hätte. Man kann sich hierüber leicht eine Rechnung stellen.

    Wenn man einem Acre (engl.) 8950 Pfund Asche oder Aschenbestandtheile von Weizen, Kartoffeln u. s. w. einverleibt, so reicht diese grosse Menge doch nur hin, um jedem Cubikzoll des Bodens auf 12 Zoll Tiefe einen einzigen Gran zu geben; dies ist weit weniger als ein mässig fruchtbarer Boden in einem Cubikzoll enthält, es ist hingegen weit mehr als man für eine Ernte bedarf. Da aber nur der Theil des Düngers wirkt, der in Berührung mit einer Wurzelfaser ist, so versteht man, warum der Boden das mehrfache enthalten muss. Es scheint, dass in vielen Fällen die Hauptwirkung des Düngers auf unseren Feldern darin besteht, dass in Folge der reichlicheren Nahrung in der oberen Kruste des Feldes die Pflanzen während der ersten Zeit ihrer Entwickelung die zehnfache, vielleicht hundert- und tausendfache Anzahl von Wurzelfasern treiben, die sie in dem magern Boden getrieben haben würden, und dass ihr späteres Wachsthum im Verhältniss zu der Anzahl dieser Organe steht, durch die sie befähigt werden, den minder reichlichen Nahrungsstoff in den tieferen Schichten aufzusuchen und sich anzueignen, und es erklärt sich vielleicht hieraus, warum eine im Verhältniss zu der im Boden enthaltenen kleinen Menge von Ammoniak, von Alkalien und phosphorsauren Erden die Fruchtbarkeit in so hohem Grade erhöht.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_334.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)