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die Pflanze ab. Diese Beobachtung macht man namentlich an blattreichen Pflanzen von grosser Oberfläche, welche eine beträchtliche Menge von Wasser ausdunsten.

Bei Rüben, Kürbissen, Erbsen tritt diese Krankheit mehrentheils ein, wenn der Boden nach anhaltend trockenem Wetter, zu einer Zeit, wo die Pflanze ihrer Ausbildung nahe, wo sie aber noch nicht vollendet ist, durch heftige, aber kurz dauernde Regengüsse durchnässt wird, und wenn auf diese wieder trockenes Wetter erfolgt. Durch die eintretende stärkere Verdunstung gelangt mit dem durch die Wurzeln aufgesaugten Wasser eine weit grössere Menge von Salzen in die Pflanze, als sie verwenden kann. Diese Salze effloresciren an der Oberfläche der Blätter und wirken, wenn sie krautartig und saftig sind, ganz ähnlich auf sie ein, wie wenn man sie mit Salzauflösung begossen hätte von einem grösseren Salzgehalt, als ihr Organismus verträgt. Von zwei Pflanzen gleicher Art trifft diese Krankheit immer die, welche ihrer vollendeten Ausbildung am nächsten steht; ist die eine Pflanze später gepflanzt oder ist sie in ihrer Entwickelung weiter zurückgeblieben, so tragen die nämlichen Ursachen, welche auf die andere schädlich einwirkten, dazu bei, ihre eigene Entwickelung zu befördern.



Vierunddreissigster Brief.


In einigen der vorhergehenden Briefe habe ich es versucht, Ihnen meine Ansichten über die verschiedenen Nahrungsmittel und über die Zwecke vorzuführen, welche sie in dem thierischen Organismus zu erfüllen haben – in meinem heutigen Briefe will ich einen Gegenstand berühren von gleichem Interesse, von gleicher Wichtigkeit, die Mittel nämlich, auf einer gegebenen Fläche Landes ein Maximum dieser Nahrungsmittel für Thiere und Menschen zu erzielen.

Die Landwirthschaft ist eine Kunst und eine Wissenschaft. Die wissenschaftliche Grundlage derselben umfasst die Kenntniss aller Bedingungen des Lebens der Vegetabilien, des Ursprungs ihrer Elemente und der Quellen ihrer Nahrung. Aus dieser Kenntniss entwickeln sich bestimmte Regeln für die Ausübung der Kunst, Grundsätze der Nothwendigkeit oder Nützlichkeit aller mechanischen Operationen des Feldbaues, welche das Gedeihen der Gewächse vorbereiten und befördern und die auf sie einwirkenden schädlichen Einflüsse beseitigen. Keine in der Ausübung der Kunst gemachte Erfahrung kann in Widerspruch stehen mit den wissenschaftlichen Principien, eben weil diese, aus allen Beobachtungen zusammengenommen abgeleitet, nur ein geistiger Ausdruck dafür sind. Die Theorie kann keiner Erfahrung widersprechen, weil sie nichts anderes sind, als die Zurückführung einer Reihe von Erscheinungen auf ihre letzten Ursachen.

Ein Feld, auf dem wir eine Anzahl von Jahren hintereinander die nämliche Pflanze cultiviren, wird in drei, ein anderes in sieben, ein

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 323. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_323.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)