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ausser diesen kaum nachweisliche Spuren von verbrennlichen Gasen; stets enthält die Luft eine gewisse sehr wechselnde Menge Feuchtigkeit.

Die Mittel, welche die Chemiker anwenden, um die Bestandtheile der Luft ihrer Menge nach zu bestimmen, sind von der grössten Einfachheit. Das Kalihydrat oder sogenannte kaustische Kali absorbirt sein mehr als hundertfaches Volum kohlensaures Gas, und es ist leicht verständlich, dass man in der Gewichtszunahme einer Röhre, die damit gefüllt ist und durch welche man einen Cubikfuss trockener Luft z. B. langsam geleitet hat, genau erfährt, wie viel kohlensaures Gas dieser Cubikfuss Luft enthielt. Aehnlich wie die Kohlensäure gegen Kalihydrat verhält sich der Sauerstoff der Luft gegen glühendes Kupfer, und wenn man einen Cubikfuss trockener, kohlensäurefreier Luft durch eine glühende Röhre leitet, welche mit reinen Kupferdrehspänen angefüllt ist, so bleibt aller Sauerstoff beim Kupfer, und die Gewichtszunahme der Röhre giebt genau den Sauerstoffgehalt in diesem Cubikfuss Luft an, dessen Totalgewicht ebenfalls bekannt ist. (Dumas.)

In dieser Weise hat man ermittelt, dass die trockene kohlensäurefreie Luft in 1000 Gewichtstheilen 231 Theile Sauerstoffgas enthält, der Rest ist Stickgas. Da das Sauerstoffgas etwas schwerer ist als ein gleiches Volum Stickgas, so erhält man für die Verhältnisse der Bestandtheile der Luft dem Volum nach andere Zahlen. In 100 Volumtheilen Luft sind 21 Volum Sauerstoffgas (genau 20,90, Dumas, Brunner, Bunsen, Regnault), und in gewöhnlicher atmosphärischer Luft im Mittel 1 Volum Kohlensäuregas in 2000 Volum oder ¾ Gewichtstheile in 1000 Gewichtstheilen Luft enthalten.

Die ausgeathmete Luft ist in ihrer Zusammensetzung von der atmosphärischen Luft sehr verschieden.

Bringt man in eine Glasröhre, welche an dem einen Ende verschlossen, in gleiche Volumtheile eingetheilt und mit trockener ausgeathmeter Luft angefüllt ist, starke Kalilauge (etwa 1/40 von dem Volum der Luft), so nimmt das Luftvolum[1] sogleich ab, indem die vorhandene Kohlensäure von dem Kali hinweggenommen wird; lässt man jetzt zu der nämlichen Kalilauge eine concentrirte Auflösung von Pyrogallussäure treten (die Hälfte etwa vom Volum der Kalilauge), so absorbirt diese Mischung den Sauerstoff der Luft mit eben der Schnelligkeit, wie dies vom metallischen Kupfer in der Glühhitze geschieht; es entsteht eine neue Volumabnahme der Luft, welche genau ihrem Sauerstoffgehalte entspricht; das rückbleibende Gas ist der Stickstoff der Luft.

In dieser Weise findet man, dass 100 Volumtheile ausgeathmeter Luft bei gewöhnlichen normalen Athemzügen 4½ bis 5 Volum Kohlensäure und 16½ bis 15 Volum Sauerstoff enthalten. Die im Anfang ausgeathmete Luft enthält weniger, bei sehr tiefen Athemzügen noch mehr kohlensaures Gas, in manchen Fällen fand man 8½ bis 9 Procent.

Der Sauerstoffgehalt der reinen Luft wird demnach bei Berührung mit dem Blute in den Lungen um ⅕ bis ¼ vermindert, der Kohlensäuregehalt über hundertmal grösser. Es ist augenscheinlich, dass der Uebergang des venösen Blutes in arterielles Blut, der Farbwechsel desselben, auf einer Abscheidung von kohlensaurem Gas, welches an die Luft tritt, und einer Absorption des Sauerstoffs, der sich mit gewissen

  1. WS: korrigiert, im Original: Luftvolnm
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 228. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_228.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)