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1) Hat man Gasentwickelung im Zellgewebe nur in Leichnamen und zwar nur in sehr aufgetriebenen und angeschwollenen Leichen wahrgenommen; sodann ist das Gas nicht durch die Haut entwichen, sondern es musste ein Schnitt in Haut und Zellgewebe gemacht werden; zuletzt hat zwar das Gas gebrannt, der todte Körper wurde aber davon nicht angesteckt, er wurde dadurch nicht selbstverbrennlich und ist nicht verbrannt.

2) Hat man an den durch Selbstverbrennung Umgekommenen niemals einen durch Luftarten, die sich im Zellgewebe befanden, aufgetriebenen Zustand wahrgenommen, sondern sie waren vollkommen gesund.

Die völlige Unhaltbarkeit dieser Erklärung ist demnach augenfällig.

Ein Anderer nimmt an, dass sich in gewissen Krankheitszuständen ein Gas, Phosphorwasserstoff, erzeuge, welches sich an der Luft von selbst entzünde und dass diesem ungemein verbrennlichen und entzündlichen Körper die Selbstentzündlichkeit und Leichtverbrennlichkeit des Körpers zugeschrieben werden müsse.

Es giebt in der That einen Phosphorwasserstoff, welcher sich in der Luft von selbst entzündet, aber dieses Gas verliert diese Eigenschaft durch minutenlange Berührung mit Gyps, Holzkohle, Papier, Terpentinöl, und was seine Gegenwart im menschlichen Körper betrifft, so ist niemals eine solche Verbindung weder im gesunden, noch kranken Zustande, noch an Leichen bei ihrer Fäulniss beobachtet worden, und was noch mehr ist, der menschliche Körper enthält keinen Phosphor in einem solchen Zustande, dass sich durch irgend einen Process, im Leben oder Tode, Phosphorwasserstoff bilden könnte.

Die Thatsache der Existenz von Phosphorwasserstoff ist nicht zu bezweifeln, aber seine Bildung und sein Vorhandensein im menschlichen Körper ist völlig unwahr, keine Erfahrung spricht für die Möglichkeit seiner Bildung. Das Phosphorwasserstoffgas ist zuletzt im hohen Grade giftig, so giftig wie Arsenik, und seine Gegenwart im Blute eines lebenden Körpers vollkommen unverträglich mit dieser Eigenschaft.

Andere wieder schreiben die Leichtverbrennlichkeit des menschlichen Körpers einem ungewöhnlichen Fettgehalte oder dem Umstande zu, dass derselbe in Folge von Branntweingenuss wie getränkt sei mit Spiritus, und deshalb brenne wie ein Licht oder eine Weingeistlampe, wenn derselbe von Aussen angesteckt werde.

Diese Ansicht beruht auf einer unrichtigen Auffassung der Verbrennlichkeit oder der Unbekanntschaft mit den Bedingungen des Verbrennens.

Man kann eine schwerverbrennliche Substanz nicht leichtverbrennlich machen durch eine leichtverbrennliche, sondern nur dadurch, dass man die Ursache entfernt, wodurch sie schwerverbrennlich wird, oder dadurch, dass man ihre Oberflächen und damit den Zutritt der Luft vergrössert, welche zur Verbrennung unumgänglich nöthig ist.

Wenn man einen gewöhnlichen Badeschwamm oder Papierschnitzel mit Branntwein oder starkem Weingeist tränkt und diesen anzündet, so wird der Badeschwamm und die Papierschnitzel damit nicht verbrennlicher, als sie an sich waren. Der Branntwein brennt ab und wenn er verbrannt ist, so entzünden sich vielleicht die Papierschnitzel, aber sie brennen jedenfalls nicht früher, als bis der Branntwein verbrannt ist, und nicht besser, als wie sie verbrennen würden, wenn sie nicht mit

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 197. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_197.jpg&oldid=- (Version vom 30.7.2017)