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Dieser Fall ist eine Hauptstütze für die Ansicht, dass eine von selbst entstehende Verbrennung möglich sei, und es hat sich an denselben die Idee eines ganz eigenthümlichen Feuers geknüpft, welches die thierische Substanz verbrenne, ohne die ringsumgebenden verbrennlichen Substanzen zu entzünden. Weder Marc noch Franck, welche diesen Fall von den andern Fällen trennen, erwähnen aber, was gewissenhaftere und genauere Referenten (Devergie und Munke) anführen, dass sich in dem Zimmer des Priesters vor der Verbrennung eine mit Oel gefüllte Lampe befunden habe, welche nach dem Ereigniss leer und deren Docht völlig zu Asche verbrannt war.

Wenn man in Betrachtung zieht, dass nur da der Körper verbrannte, wo das Hemd verbrannt war, dass alle übrigen Theile, wo dies nicht geschah, auch keine Brandspuren zeigten, dass ferner die Haut gar nicht verbrannt oder verkohlt, sondern nur abgelöst (sie hing in Fetzen herab) vom Körper war, während das Hemd völlig verbrannt und in Asche verwandelt war, so ist es völlig unmöglich anzunehmen, die Entzündung und Verbrennung des Hemdes sei durch die Haut verursacht worden, die doch selbst nicht brannte, und es bleibt keine andere Erklärung möglich als die, dass das Hemd Feuer gefangen habe und die Brandwunden des Körpers eine Folge von dessen sehr oberflächlicher Verbrennung gewesen seien. Das Vorhandensein der Oellampe, welche, wie das verzehrte Oel zeigt, gebrannt hat, entfernt jeden Zweifel über die Ursache der Entstehung des Feuers.

Was die Eigenthümlichkeiten betrifft, die zuweilen bei den Fällen von sogenannter Selbstverbrennung nach dem Ereigniss beobachtet worden sind, dass nämlich sonst leicht verbrennliche Gegenstände in der Nähe des verbrennenden Körpers nicht Feuer fingen, woraus man eine ganz eigne Art von Feuer, verschieden vom gewöhnlichen Feuer, erschloss, so giebt der Bericht Battaglia’s in dem eben erwähnten Fall ein sprechendes Beispiel davon ab. Er erzählt nämlich, dass das Priesterkäppchen Bertholi’s völlig verzehrt worden sei ohne im Mindesten die Haare zu versengen, er sagt, dass er diese Thatsache als ganz gewiss und ganz bestimmt verbürge. Wenn man annimmt, dass der Priester das Käppchen auf dem Kopfe hatte, was der Berichterstatter offenbar voraussetzt (denn hätte das Käppchen auf einem Stuhle gelegen und wäre da verbrannt, so hätte das Nichtversengen der Haare seine Verwunderung sicher nicht erweckt), so ist dies gewiss ein zufälliger Umstand, aus welchem kein Mensch schliessen wird, dass es ein ganz besonderes Feuer war, was das Käppchen verzehrte; in welchem Zustand der Gesundheit oder des Krankseins der Priester auch gewesen sein mag, sicher ist, dass das Käppchen diesen Zustand nicht theilte, es war nicht krank und in ihm selbst keine Ursache, um von selbst in Flammen auszubrechen, und in der Flamme kein Feuer, verschieden von allen Feuern, wodurch Haare verbrennen.

Es dürfte dieses eine Beispiel hinreichen, um die Unglaubwürdigkeit der drei vereinzelten Fälle, die sich übrigens blos auf Männer, nicht auf Weiber beziehen, von denen angenommen wird, dass eine Verbrennung statt hatte, ohne dass Feuer in der Umgebung sich befand, darzuthun[1].

  1. Das zweite Beispiel, was angeführt worden ist, kann ein unterrichteter Mann eigentlich gar nicht nacherzählen, denn dem Individuum, an dem sich das Phänomen ereignete, brannten die Finger der rechten Hand, welche die Beinkleider und bei Berührung die Finger der linken Hand entzündeten; dieses Feuer brannte fort im Sand und konnte durch Wasser nicht gelöscht werden. – Der dritte Fall begegnete einem Geistlichen in Amerika: er fühlte im linken Bein ein Stechen, wie wenn ihm ein Haar ausgerissen worden sei, er sah an diesem Theil eine leichte kleine Flamme, welche, mit der Hand bedeckt, erlosch, und einen Brandfleck ¾ Zoll breit und 3 Zoll lang: auch hier waren die Kleider oberhalb der Stelle durchgebrannt, die Haut aber nicht verbrannt, es zeigte sich nicht einmal eine Blase, die Haut war wie abgeschabt, sehr trocken und dunkel gefärbt (Overton, American Journal 1835. Nov.). Bei Cigarrenrauchern mag dieser Fall von Selbstentzündung häufig vorkommen; so wie er erzählt ist, gleicht er einem amerikanischen Puff. Ueber den Fall der 17jährigen Nätherin Heinz in Hamburg sagt Devergie (Dict. d. Méd. et d. Ch. 375. Tom. V.): „der Verlauf der Heilung der verbrannten Stellen zerstört alle Voraussetzungen, die man in Beziehung auf Selbstentzündung machen könnte.“ Dr. Franck sagt über denselben Fall (Encycl. Wört.-B. Bd. 31, S. 528), er sei mit Kühn und Devergie der Meinung, dass die hysterische Heinz den seel. Fricke täuschte, da bei der Verbrennung Niemand zugegen war. Der neueste in dem Journal des Débats vom 24. Febr. 1850 erzählte Fall ist eine sogenannte Zeitungsente, welche, wie man weiss, periodisch wiederkehren, gleich der grossen Seeschlange, welche so viele amerikanische Reisende und wahrheitsliebende Matrosen und Schiffscapitaine gesehen und beschrieben haben.

    WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 190. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_190.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)