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zusammengerechnet C4H4O4. Dieser letzteren Formel gemäss kann man auch ein essigsaures Salz in folgender Weise schreiben:

 ; es stellt dar Essigsäurehydrat, in welchem an den Platz von 1 Aequivalent Wasserstoff getreten ist 1 Aequivalent Metall.

Um die chemischen Verbindungen in Beziehung auf ihre Zusammensetzung zu vergleichen, um ihre Veränderungen, Umwandlungen und Zersetzungen einzusehen und ohne weitere Auseinandersetzung darzulegen, ist diese Zeichensprache von unschätzbarem Werth.

Ich habe eine Analyse der Essigsäure gemacht, und will sehen, ob die durch das Experiment gefundenen Zahlen richtig sind, so drücke ich das Ergebniss des Versuches, die gefundene Kohlenstoff-, Wasserstoff- und Sauerstoffmenge in Aequivalentzahlen aus; diese letzteren sind mit aller erdenklichen Genauigkeit ausgemittelt worden, und je mehr meine Zahlen mit diesen stimmen (man heisst dies mit der Rechnung stimmen), desto mehr Zutrauen habe ich zu meiner Analyse; weichen meine Zahlen ab, so muss ich einen Fehler vermuthen, und die Arbeit fängt von vorne an. So hat man denn in den Aequivalentzahlen strenge Berichtiger der chemischen Analyse; sie zeigen mir an, dass ein Fehler begangen worden ist, oder dass meine Substanz nicht den gehörigen Grad der Reinheit besass; Jedermann wird die folgenden Formeln übersetzen können:

C14H6O2 Bittermandelöl.
C14H6O4 Benzoesäure.

Das Bittermandelöl nimmt an der Luft Sauerstoff auf und verwandelt sich in Benzoesäure.

Die Ansicht der Formeln drückt die Beziehung zwischen beiden aus, in die Zahlenwerthe übersetzt, giebt sie das Quantitative in dieser Umwandlung genau an.

C4H6O2 Alkohol.
Essigsäure.

Der Alkohol verwandelt sich durch Aufnahme von Sauerstoff in Essigsäure. Man sieht leicht aus den Formeln, dass die Umwandlung darin besteht, dass 2 Aequivalente Wasserstoff im Alkohol ausgetreten und ersetzt sind durch 2 Aequivalente Sauerstoff. Alles dies ist ausserordentlich einfach, und man wird nun leicht verstehen, was in einem vorhergehenden Briefe angedeutet wurde, dass wenn ein neues Metall oder ein neues Metalloid entdeckt werden würde, es genügt, zu bestimmen, wie viel von diesem Metall sich mit 8 Sauerstoff oder wie viel von dem Metalloid sich mit 39,2 Kalium verbindet, um in der erhaltenen Zahl das Gewicht zu kennen, in welchem sich dieser neue Körper mit den andern verbindet; das Aequivalent des Lanthans, des Didyms, zweier neuen Metalle, die kürzlich in dem Cerit, und das des Broms, welches vor einigen Jahren in dem Meerwasser entdeckt wurde, ist auf keine andere Weise ausgemittelt worden.

An den Thatsachen, oder dem Verhalten der Körper, welches ich auseinandergesetzt habe, hat die schöpferische Phantasie nicht den geringsten Antheil; jede Zahl ist das Resultat einer grossen Menge sorgfältig

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_064.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)