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was im auch gelang. Voller Erbitterung über diß Begegnis mit dem Wirbelwinde warf er nun unter Fluchen und Schelten sofort sein schön geformtes Meßer – villeicht war es ein Pinzgermeßer – in die Höhe nach dem Bündel. Da fiel das Seil, in welches das Heu gebunden war, aus der Höhe auf den Boden zurück, wärend das Bündel mit dem Meßer den Augen des erbosten Zuschauers entschwand und verloren war. Alsbald hatte sich die Windsbraut gelegt, und der Heuer konnte wider ungehindert weiter arbeiten.

Im nächsten Herbste gieng der Montavoner, wie so vile andere fleißige und strebsame Männer dises gut veranlagten und unternemungslustigen Volkes, auf den Krautschnit ins „Niderland“ (Alem. 16, 261 ff.). Daselbst lenkte er, müde und erschepft von der Wanderung, seine Schritte in ein an der Straße gelegenes Wirtshaus, um hier etwas auszuruhen und eine kleine Erfrischung zu nemen. Es stand dises Einkerhaus in der Nähe des Dorfes, welches er bereits früher als Zil seiner Reise bestimmt hatte. Er trat in die Gaststube und gewarte daselbst unwillkürlich an dem Balken, der die Decke trug, dem sogenannten „Durchzuge“, einen „Schnizer“ stecken. Weil im diser sogleich in die Augen fiel – es war sonst niemand im Gastzimmer – so besah er sich denselben etwas näher. Sofort bemerkte er zu seinem grösten Erstaunen, daß dises jener Schnizer sei, welchen er im vorigen Sommer der im Wirbelwinde fortfliegenden Heubürde entgegenwarf. Da schrit der Wirt bei der Türe herein, und auf sein Anfragen, ob er etwa dises Meßer kenne, da er es so eifrig betrachte, erwiderte der Montavoner ganz gelaßen: „Nein, ich schaue nur deshalb mir dises Meßer etwas genauer an, weil ich meinen Gefallen daran finde und ich zeit meines Lebens noch nie ein so geformtes, schönes Stilet gesehen habe“. Darauf bemerkte der Wirt, er möchte nur einmal jemanden finden, der dises Meßer kennte; mit dem wollte er schon abrechnen. Dasselbe sei im vergangenen Sommer seiner Frau, die zu der farenden Schule gehöre, im Tale Montavon ins Knie geworfen worden. Wie der Montavoner dises hörte gab er sich über dise Aufklärung bezüglich seines Schnizers satsam zufriden, trank schnellstens das im vorgestellte Glas Wein, beglich mit dem Wirte seine Zeche und suchte wider eilends mit heiler Haut dises im anrüchige Haus zu räumen, bevor etwa noch die Wirtsfrau selbst erschine. Auf dise Weise werde die Volkssage von der „Windsbraut in der Nähe der Alpe Zamang“ erzält, sagte mir ein Gutsbesizer aus St. Gallenkirch (in Montavon), der JAFriz sich nennt und während der günstigeren Jareszeit im benachbarten Prätigau und dem tirolischen südwestlich an Montavon grenzenden Tale Paznaun sich mit dem Fange der schädlichen Feldmäuse und mitunter auch der zalreich vertretenen Maulwürfe beschäftigt.

Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia XVII. Hanstein, Bonn 1889, Seite 169. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XVII_179.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)