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dem Richterstul, einen schwarzen Stab in der Hand. Hundert schwarze Kobolde und eben so viel Delphine ligen zu seinen Füssen, und Tausende von Nymphen, in weissem Gewand, hüpfen um ihn, während unzälige silberne Glöckchen an der Decke des Saals in regelmässiger Bewegung harmonisch erklingen. Man hält Gericht über die Verwegenen. Die Verführerinnen werden zum Tode verurteilt.

Die Jünglinge, hingerissen von Mitleid, werfen sich auf die Kniee, und flehen um Gnade für die Schönen. Ihre Fürbitte wird erhört von dem grauen Alten. »Was Euch betrifft – sagt er zu den unbärtigen Gesellen – so sey der Leichtsinn diessmal eurer Unerfahrenheit verziehen; es sey euch vergönnt, auf die Oberwelt zurückzukehren, aber hütet euch, je einen Stein in den See zu werfen, augenblicklich wird sonst die Rache des Himmels fürchterlich über euch kommen. Hier sind drei Steine, bewahrt sie zum Andenken an diesen unterirdischen Ort, wie der Rache also der Gnade. Merket: so wie ein Fels von einem dieser Steine berührt wird, quillt heisses Wasser aus solchem hervor.« –

Kaum hatten die leichtsinnigen Jünglinge auf der Oberwelt von dem glücklich bestandenen Abenteuer sich erholt, als Vorwitz und Neugier sie verleitet, einen Stein in den See zu werfen. Plözlich erhebt sich Sturm und Ungewitter, so schrecklich, dass sie jeden Augenblick fürchten, der Abgrund werde sich abermal auftun, und sie auf ewig verschlingen. Von der fürchterlichsten Todesangst gequält, eingedenk der warnenden Drohung des Wassergottes, rennen sie, ohne Rast, verfolgt von dem Ungewitter, über Berg, Wald und Thal eiligst davon, bis sie, halbtot vor Angst und Ermattung, an dem Berg der heutigen Stadt Baden niedersinken, und von dem Schlaf überwältigt werden.

Während sie da sinnlos ruhen, fällt einer von den drei Steinen aus der Reisetasche auf den Platz, wo jezt die Hauptquelle (der sogenannte Ursprung) fliesst. Alsbald öffnet sich der schwarze Fels, und es strömt siedheisses Wasser armdick hervor. Der Stein rollt weiter noch den Berghang hinab, und es sprudeln allenthalben wo er den Felsen berührt, heisse Quellen heraus. Diess der Ursprung der warmen Heilquellen von Baden!

Kohlbrenner, die aus dem nahen Wald das seltsame Ereigniss bemerkt hatten, fallen über die rätselhaften Fremdlinge her, und drohen sie als vermeinte Zauberer zu morden. Schon schweben die Keulen über ihren Häuptern, als der Angstruf, sie anzuhören, noch erhört wird. Bebend stammeln sie, was mit ihnen vorgegangen, welches Abenteuer sie bestanden, wie Todesangst sie auf diesen Hügel getrieben habe. Als Pfand der Wahrheit, bieten sie den Köhlern die noch übrigen zwei Wundersteine. Das steinerne Sühnopfer wird angenommen.

Der eine Köhler begibt sich in das heutige Huber Bad, und bringt da mit seinem Stein das warme Badwasser zum Ausfluss;

Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger (Hrsg.): Alemannia II. Marcus, Bonn 1875, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_II_162.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)