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Autor: Anton Birlinger
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Titel: Schwarzwaldsagen
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aus: Alemannia, Band II, S. 146–159
Herausgeber: Anton Birlinger
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Erscheinungsdatum: 1875
Verlag: Adolph Marcus
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Erscheinungsort: Bonn
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Quelle: Google-USA*, Commons
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[146]
Schwarzwaldsagen.
1 Der Werwolf in Thummlingen[1].
Zur Mythologie 1047–1050, 3. Ausgabe 1854.

Mein Urgrosvater war von 1688–1700 Pfarrer des Dorfes Thummlingen im Oberamte Dornstädt, auf dem wirtenb. Schwarzwalde, und erzälte seinen Nachkommen oft folgende als Beitrag zur Geschichte des lange fortdauernden Wahns der Werwölfe merkwürdige Geschichte, die sich in seiner Pfarre selbst zutrug und deren Wahrheit er auch deswegen verbürgen konnte, ob er gleich das Factum mit ganz andern Augen als seine Bauern ansahe.

Aus dem Pferche des Orts wurde mehreremale eines der fettesten Schafe von einem Wolfe entwendet, der in der Abenddämmerung einbrach, den Schäfer nicht scheute und – was das auffallendste war, vom Dorfe herkam und mit seinem Raube wieder zum Dorfe eilte.

Der erschrokene Schäfer zeigte die Sache an, aber da war Keiner, der über den gleich allgemein regen Glauben an Wolfsmenschen erhaben, auf eine vernünftige Begegnung der Sache gedacht hätte, als der herrschaftliche Jäger, der im Dorfe seinen Sitz hatte.

[147] Dieser stellte sich in Geheim mehrere Abende auf die Lauer[2], und sah dann einen ihm wohlbekannten Bürger des Orts kommen, unter einen auf dem Felde befindlichen Heuhaufen seine Kleider alle ablegen und dann zum Wolf werden, der auf den Pferch zulief. Als wirklich nun ein leibhafter Wolf einst vom Dorfe heraus und auf den Pferch zukam, so empfing ihn eine volle Ladung aus [148] seiner Jagdbüchse. Verwundet entrann der Räuber, und gefährlich verwundet lag den anderen Morgen einer der Bürger des Orts in seinem Bette. Ob er wirklich an seinen Wunden starb und wie weit die Sache gerichtlich untersucht wurde, erinnere ich mich blos deswegen immer aus der Erzählung meines Grosvaters, weil [149] meine jugendliche Flüchtigkeit auf solche Nebenumstände damalen noch nicht merkte.

[150]
2 Der Schatz auf Waldeck.

Der Waldecker Hof ligt ungefähr 1 Stunde von Teinach im Nagoldthale zwischen Wildberg und Calw. Auf einer waldigten Anhöhe oberhalb des Hofes ligen die Ruinen des alten Schlosses Waldeck, dessen Inhaber in den ältesten Zeiten Vasallen und Truchsessen der Grafen zu Calw waren. Eine noch jezt im Munde des Volkes lebende Sage erzählt, es habe daselbst einst ein Raubritter gehaust, welcher unermessliche Schätze zusammengehäuft und in einem unterirdischen Versteck mitten im Berge verborgen habe. Dieser Schatz lige noch in dem Berge und werde von einem gespenstischen schwarzen Hunde bewacht, erscheine jedoch in der Kristnacht jedes Jahr oberhalb der Erde. Auch wandle in den Ruinen und ihren unterirdischen Gängen der Geist der Tochter jenes Raubritters, die Jungfrau im Schacht genannt, ihrer Erlösung harrend umher. Oefters schon sei sie Kindern der Bewohner des Waldecker Hofes, bald als Jungfrau, bald als eine schöne zahme Schlange erschienen, habe mit ihnen gespielt und ihnen als Jungfrau eines ihrer langen goldenen Haare oder als Schlange einige ihrer Schuppen geschenkt: das Haar waren goldene Spitzen und Bänder, die Schuppen Goldstücke. Wer die Jungfrau in der Kristnacht erlöst, bekommt den Schatz. Müllers Teinach 1834. S. 66.

3 Die Triberger Wallfart[3].

Oberhalb Triberg auf hohem Felsen gegen Sonnen-Untergang stand ein grosser Tannenbaum mit zackigten Aesten. Hart daran vorbei gieng der Fussweg durch wildes Gebüsch und Granitblöcke eingeengt Schonach zu. Zur Weges Seite rann aus hartem Gestein klares gesundes Wasser: kurz Wasser und Baum waren in der Menschen lieben Erinnerung, und das mit Recht, denn der Himmel hatte etwas ganz Besonderes damit vor. Eine fromme Hand, Niemand weiss wes sie war, schnitt in die Tanne eine Oeffnung und schob ein pergamentenes Muttergottesbildchen hinein. Jeder ders wusste lüpfte seinen Hut im Vorbeigehen und betete auch bisweilen einer davor. Das Bildchen fällt vom Baume, die kleine Barbara Kierzler vom Städtchen mit ihrer Mutter findet es, puzt und küsst es und wills natürlich heimnehmen; was die Mutter zulezt zugab. Das Bildlein kömmt wieder an seine Stelle, denn nach mehreren Tagen wollte sichs nicht mehr in der Kruzifixecke aufhalten, ganz so wies der Vater voraussagte. Barbara sei krank geworden und ihre Gesundheit (im Traume) habe von der Zurückschaffung des Bildchens abgehangen. Man brachte es wieder in den Baum. Der Wallfartsdirektor Dr. Degen bezeugte, die Wiedergenesung. Noch viel schlimmer war der miselsüchtige Friedrich Schwab von Triberg daran, er ward ins Siechen- oder Gutleuthaus geschafft: wäscht sich eines Tages beim Tannenbaum und die Aussatzschülpen fallen von [151] ihm und ganz Triberg verwunderte sich ob dem Schwab. Der aber ließ jezt ein geschnizeltes Marienbild anbringen, weil das andere längst dem Winter und Wetter erlegen war. Schwabs Bild kam nachher in die Kirche hinein. Ein eiserner Ring um die Tanne mit dem Opferstock ward bald angebracht, aber leider auch das Opfer des Strauchgesindels. Die Bildtanne kömmt durch ein sonderbaren Gesang wieder zum Vorschein und Hochachtung. Am 20. des Kristmonats 1692, während des österreich. und französ. Krieges kehrten drei Soldaten der Kompagnie Nadliani, Tiroler, vom Städtchen in ihre Wachposten aufwärts der Schanze nach dem Rohrhartsberg zurück und vernahmen gegenüber der Schonacherstrasse einen nie gehörten lieblichen Gesang, sagten davon den Kameraden, der Müller Adam Fröhlich wusste auch Wunders viel zu erzälen; die Soldaten waren auf des Alten Aussagen nur noch begieriger und die andern wolltens auch hören. Es kamen ihrer 3 des andern Abends herunter, durchliefen den Wald, stiegen diesseits den Berg hinauf und suchten nach der Tanne. Der eben entdeckte die Sache, streifte mit dem Seitengewehr das Spinngewebe ab und säuberte die Wunderstelle an der Tanne. »Es sei ihnen vorgekommen, als ob ein heller Glanz von der Stelle ausgienge, und alle wurden zur Andacht gestimmt.« Die Tiroler verkündeten die Märe und darauf kamen immer mehr und mehr Leute von dem Kriegsvolke, selbst Offiziere. Die Bildtanne wird von den Soldaten in grosses Ansehen gebracht, a. 1693–96 ward der Ort also förmlich zur Wallfart. Zuerst kleine Einfriedigung, dann Bretterverschlag bis endlich eine Kirche[4] entstand.

Die übrigen Wallfartsörter wurden neidisch und Triberg amtlich von Konstanz angefochten: schon Wallfarten genug, schrofiger Felsen, Abgelegenheit, die Heilungen beschränken sich bis jezt nur auf Einheimische, auf den leicht- und abergläubischen Pöbel sei es abgesehen! A. 1713 sagt ein Dokument, sei das Mirakelbild nach Triberg in die Pfarrkirche geflüchtet worden, »worbei sehr verwunderlich war, dass die Französische Räuber, so rings herumb alles ausgeplündert, Heerden fortgetriben, Hirten erschossen, sobald sie nur von der Höhe die Wallfart erblickt gleich als von einem Blitz getroffen sich widerumb zurückgezogen und Wallfart und Tryberg durchaus unversehrt gelassen.«

Kurze Geschichte der Wallfart zu Tryberg auf dem Schwarzwalde. Von einem Benediktiner des ehmaligen Stiftes St. Georgen[5]. Rotweil 1820.

4 Die Sagen vom Mummel- und Hutzenbachersee[6].

1 Ein Markgraf von Baden, der mit Geistlichen und Hofleuten den See in Augenschein nahm, schose geweihte Kugeln [152] hinein und versenkte heilige Sachen. Plözlich sprang ein fürchterliches Ungeheuer aus dem Wasser, jagte die Verwegenen in die Flucht und 7 Tage lang war stürmisches Wetter. Klübers Beschreibung von Baden II Teil (1810) S. 191. Bader, Schnezler. Der gelehrte Jesuit Athanasius Kircher behauptete im 2. Teile seines „Mundi subterranei“ (Edit. Antwerp. 1678 fol.), dass er aus eigener Erfahrung vom Jahre 1666 versichern könne, dass das Steinwerfen in den Pilatus- und Mummelsee Sturm und Gefahr bringe. Dagegen meldet der Badener Jesuit Bernhard Dyhlin in seinem discursu de thermis Badensibus (Rast. 1728. 8.) in dem appendice de famoso Lacu Mummelsee p. 65, er habe so etwas nicht bemerkt, als er 1727 nicht nur mehrere Steine in den See geworfen, sondern auch mehrmal mit der Flinte hineingeschossen habe.

2 Ein seltsam gestalteter Bewohner des Sees, in Rattenpelz gekleidet, holte einst eine Hebamme aus Kappel, seiner Gattin bei der Niederkunft beizustehen. Mit einer Birken-Ruthe schlug er in den See. Sogleich theilte sich das Wasser, und beide stiegen, auf einer alabasternen Wendeltreppe in den Abgrund zu einem vergoldeten Prachtzimmer, in welchem ein aus Karfunkel zusammengesezter Thron aufgeschlagen war. Hier hatte die Wehmutter ihr Geschäft zu verrichten. Derselbe rätselhafte Mann führte sie, auf derselben Treppe, wieder zu der Oberwelt. Hier angekommen, gab er der Geburtshelferin als Belohnung einen Strohbündel. Voll der herzlichsten Freude, dass sie das Abenteuer glücklich bestanden, weigerte sie sich bescheiden, das Geschenk anzunehmen. Verschone mich, sagte sie, es ist gern geschehen; auch fehlt es mir zu Hause nicht an Stroh. Durch vieles Nötigen gelang es endlich dem Ratten-Pelzmann, dass sie das vermeintliche Stroh-Geschenk annahm. Doch kaum hatte er, im Zephyrschritt, sich entfernt, so warf sie den Strohbündel weg. Nach Hause gekommen, bemerkte sie, dass ein Strohhalm, der unversehens an ihr war hängen gebliben, sich in das reinste Gold verwandelt hatte. Nicht wenig grämte sich nun das arme Weib, dass sie das rätselhafte Geschenk so gering geachtet hatte.

3 Einst hauseten wundersame Seefräulein in dem dunkeln Wasser dieses Bergsees. Eine dieser Nixen bezauberte einen schönen Hirtenknaben, der ihr unvermutet in dem Gebüsch begegnet war. Oft fanden sich beide liebäugelnd zusammen an der kühlen, einsamen Quelle einer Bergschlucht. Sie lehrte den Knaben wundersame Lieder, während seine nervigen Arme um ihren weissen Nacken spilten. Stunden vergiengen im traulichen Gespräch wie Minuten. »Dringe nicht zu dem See, strebe nicht dahin, wie lang ich mich auch dir entziehen möge«, – diess war die Warnung, die sie jedesmal dem Knaben zuflüsterte, wenn sie, von dem Abendstern erglänzend, aus seinen Armen sich losriss. Mehrere [153] Tage schon hatte, gequält von der Liebe Pein, der Jüngling vergebens geharrt. In dem Rausch der Liebe eilt er ungeduldig und sehnsuchtvoll zu dem See. Plözlich dringt aus dem Schoose des Sees, wie aus beklemmter Brust, dumpfes Aechzen zu seinem Ohr, und blutrot färbt sich der See, mit den breiten Blättern der Nymphea bedeckt. Zittern und Beben überfällt die Glieder des lüsternen Knaben, er eilt in seine Hütte, und – stirbt auf diesen Sündenfall.

4 Manche nützliche Hülfe wiederfuhr von den See-Nymphen, selbst unbekannterweise, den Dorfnachbarn. Während diese der nächtlichen Ruhe pflagten, arbeiteten für sie insgeheim die Wasserjungfrauen. Oft, wenn jene erwachten, war die für den kommenden Tag bestimmte Arbeit schon gethan – von den Unbekannten. Sogar Haus- und Küchengeschirr waren gereinigt, das Brot gebacken, nur die Betten nicht gemacht. Dass ihre Tugend und Betriebsamkeit auf die Probe gestellt sey, ahneten die Kurzsichtigen nicht; auch bestanden sie in der Probe so wenig, als der schöne Hirtenknabe. Trägheit und Wolleben, Unzucht und Schwelgerei waren die Klippen, an denen ihre Tugend scheiterte. Mit Abscheu flohen die vestalischen See-Jungfern diese Werkstatt der Sünde, wo nun die Gefallenen, ihrer Hülfe beraubt, der Arbeit entwöhnt, in dem Joche des Lasters dreifach büsseten.

Gross war die Zahl dieser Nymphen, die, in grauer Vorzeit, in und unter dem See ihren Wohnsitz hatten. Sie stunden unter der Aufsicht eines sehr alten Mannes, mit einem Karfunkel-Gesicht, und mit langem, schneeweissem Bart. Ein Theil derselben pflegte bei Nacht im Murgtal die Waldung auszustecken und anzubauen. Andere mischten sich in die Tanzgesellschaften der Dorf-Bewohner, liehen diesen Geld, Getreide und andere Lebensmittel. Noch andere widmeten sich dem menschenfreundlichen Geschäft, die Reisenden in den Einöden des Schwarzwaldes zu geleiten, und die Verirrten zurechtzuweisen. Einige von diesen bieten sich einst etlichen schönen Jünglingen, die dort wanderten, zu Führerinnen an. Man verspätet sich, die Schönen bitten, unter allerlei Versprechungen, die rotbackigen Fremdlinge, mit ihnen nach dem See zu wandern, und da zu übernachten. Die Jünglinge weigern sich. »Auf ewig seyd ihr verloren: wofern ihr unsere Bitte verschmäht!« sprechen drohend die Seejungfern. Die Zudringlichkeit siegt über das Mistrauen der geschämigen Jünglinge. Sie folgen.

Kaum an das Schilfgestade des Sees gekommen, werden Alle von dem Gebirg verschlungen. Wie auf einen Zauberschlag fallen sie in den Abgrund, unter dem See. Da stehen sie mitten in einem sehr grossen schwarzen Saal, der mit vielen grossen Spiegeln und einer zahllosen Menge Perlen und Diamanten ausgeschmückt, und von Millionen Lampen erleuchtet ist. Ein Greis, der Wassergott, sizt da unter einem goldenen Thronhimmel auf [154] dem Richterstul, einen schwarzen Stab in der Hand. Hundert schwarze Kobolde und eben so viel Delphine ligen zu seinen Füssen, und Tausende von Nymphen, in weissem Gewand, hüpfen um ihn, während unzälige silberne Glöckchen an der Decke des Saals in regelmässiger Bewegung harmonisch erklingen. Man hält Gericht über die Verwegenen. Die Verführerinnen werden zum Tode verurteilt.

Die Jünglinge, hingerissen von Mitleid, werfen sich auf die Kniee, und flehen um Gnade für die Schönen. Ihre Fürbitte wird erhört von dem grauen Alten. »Was Euch betrifft – sagt er zu den unbärtigen Gesellen – so sey der Leichtsinn diessmal eurer Unerfahrenheit verziehen; es sey euch vergönnt, auf die Oberwelt zurückzukehren, aber hütet euch, je einen Stein in den See zu werfen, augenblicklich wird sonst die Rache des Himmels fürchterlich über euch kommen. Hier sind drei Steine, bewahrt sie zum Andenken an diesen unterirdischen Ort, wie der Rache also der Gnade. Merket: so wie ein Fels von einem dieser Steine berührt wird, quillt heisses Wasser aus solchem hervor.« –

Kaum hatten die leichtsinnigen Jünglinge auf der Oberwelt von dem glücklich bestandenen Abenteuer sich erholt, als Vorwitz und Neugier sie verleitet, einen Stein in den See zu werfen. Plözlich erhebt sich Sturm und Ungewitter, so schrecklich, dass sie jeden Augenblick fürchten, der Abgrund werde sich abermal auftun, und sie auf ewig verschlingen. Von der fürchterlichsten Todesangst gequält, eingedenk der warnenden Drohung des Wassergottes, rennen sie, ohne Rast, verfolgt von dem Ungewitter, über Berg, Wald und Thal eiligst davon, bis sie, halbtot vor Angst und Ermattung, an dem Berg der heutigen Stadt Baden niedersinken, und von dem Schlaf überwältigt werden.

Während sie da sinnlos ruhen, fällt einer von den drei Steinen aus der Reisetasche auf den Platz, wo jezt die Hauptquelle (der sogenannte Ursprung) fliesst. Alsbald öffnet sich der schwarze Fels, und es strömt siedheisses Wasser armdick hervor. Der Stein rollt weiter noch den Berghang hinab, und es sprudeln allenthalben wo er den Felsen berührt, heisse Quellen heraus. Diess der Ursprung der warmen Heilquellen von Baden!

Kohlbrenner, die aus dem nahen Wald das seltsame Ereigniss bemerkt hatten, fallen über die rätselhaften Fremdlinge her, und drohen sie als vermeinte Zauberer zu morden. Schon schweben die Keulen über ihren Häuptern, als der Angstruf, sie anzuhören, noch erhört wird. Bebend stammeln sie, was mit ihnen vorgegangen, welches Abenteuer sie bestanden, wie Todesangst sie auf diesen Hügel getrieben habe. Als Pfand der Wahrheit, bieten sie den Köhlern die noch übrigen zwei Wundersteine. Das steinerne Sühnopfer wird angenommen.

Der eine Köhler begibt sich in das heutige Huber Bad, und bringt da mit seinem Stein das warme Badwasser zum Ausfluss; [155] der andere bewirkt mit dem seinigen dasselbe zu Badenweiler. Doch, was noch wundersamer ist, die Erlösung der Nymphen in und um den Mummelsee, scheint auf der Lösung dieser warmen Wasser beruht zu haben; denn seitdem diese Quellen fliessen, sind jene Nymphen verschwunden, bis auf die lezte Spur![7]

5 Es sollen auch Seefräulein drin hausen, die man nicht nur allda wahrgenommen haben will, sondern die – wie man erzählt – sogar zu den benachbarten Hütten- und Dorfbewohnern auf Besuch zu kommen pflegen.

Das Lexikon von Schwaben erzählt: »Den 21. Juli 1756 ist aus einem kleinen Wölkchen, das in der Grösse eines runden Huts aus diesem See aufstieg, sich aber nach und nach vermehrte, eines der entsetzlichsten Gewitter entstanden, welches in einem Bezirk von acht Stunden alles verderbt hat. Die nahe wohnenden Seebacher haben schon öfters die Tiefe des See’s mit Seilen zu messen versucht, aber keinen Grund gefunden. Die Tiefe des Wassers lässt sich daraus schliessen: Wenn Steine von grossem Gewicht hineingewälzt werden, so entsteht nach einer halben Minute eine Blähung des Wassers mit einem Getöse, welches dem siedenden Wasser gleicht. Dasselbe wirft sich an dem Ort, wo der Stein gesunken, einen Fuss hoch auf, und braust wie siedendes Wasser. Dieses dauert vier bis fünf Minuten lang. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, von 1730 bis 1738, machte man einen Versuch, den See aufzuschwellen, um hinlängliches Wasser zu erhalten, um Holz durch das Thal zu flössen. Kaum war der Damm fertig, so zernichtete die Gewalt des drückenden Wassers alle Werke; das ganze Thal mit allen am Wasser stehenden Gebäuden und Feldern wurde verwüstet; Kappel, Ober- und Nieder-Sachern, mit andern an der Acher liegenden Orten und Feldern, wurden verheert, und ein unbeschreiblicher Schaden angerichtet.«

Wenn ich nun auf meiner Homann’schen Karte die Gegend aufsuchte, und mitten auf dem wilden, unbewohnt scheinenden Gebirg den Lacus mirabilis antraf, so wünschte ich wohl seiner Zeit diesen unheimlichen Ort zu besuchen, glaubte aber nicht, dass mir diess je werden würde. Nun war er erreicht der Jugendwunsch, wie so manches im Verlauf des Lebens erlangt wird, nach was man ernstlich strebt, und wohl im Ganzen mehr, als man zu hoffen gewagt. Aber wie ganz anders war die wirkliche Anschauung als das selbstgemachte Bild?

Der Mummelsee ist auf drei Seiten vom Waldgebirg umschlossen und ligt, so zu sagen, am Hals des Katzenkopfs. Wäre er nicht ganz von Gehölz umgeben, so würde man von seinem Erdwall aus gegen Südwest durch den Ausschnitt des Gebirgs in die [156] Ferne gegen die Niederung des Rheinthals sehen können. Er mag ungefähr 3000 Fuss über der Meeresfläche liegen. Ob seine Tiefe je gemessen worden, kann ich nicht angeben. Wie sich im festen Gebirg ein Trichter senkrecht hinab in’s Unendliche ziehen soll, ist nicht wohl zu begreiffen. Der Blautopf bei Blaubeuren, der gerade so in der Ecke des Gebirges, nur aber im Thal ligt, galt Jahrhunderte lang ebenfalls für unergründlich. Die Leute trugen sich mit der Sage, man habe einst ein Seil, dreimal um das Städtchen langend, mit einem grossen Stein beschwert in den Kessel hinabgelassen, und keinen Grund gefunden. Zwei Messungen, die lezte von 1783, ergaben eine Tiefe von – 63 Fuss.

6 Der freundliche Pfarrherr in Simmersfeld hatte uns gestern von seiner im Jahr 1823 in diese Gegend gemachten Reise Folgendes erzählt. In der Leinmiss, einer über der Zwickgabel ligenden Häusergruppe, habe er den 81jährigen Jakob Schmieder, der bei fünfzig Jahren mit seinem nicht viel jüngern Eheweib in dieser Waldeinsamkeit hause, besucht und durch Wein gesprächig gemacht, wo dann derselbe manches Mährchenhafte, mit was sich die Leute zu unterhalten pflegten, vorgebracht. Unter Anderm: Der wilde See sey unergründlich – (er ligt zwei Stunden südöstlich vom Mummelsee, ist die Quelle der Schönmünzach, und bei der von einem Herzog befohlenen Messung 60 Fuss tief erfunden worden;) – ob sich Seeweiblein (Mümmelchen) drin aufhalten, wisse er nicht. Dass nach Röthenberg, seinem Geburtsort, vordem zwei Erdmännlein gekommen, habe ihm sein Vater hundertmal erzählt. – Bei dergleichen Sagen bleibt immer problematisch, wann das Ereigniss denn eigentlich sich zugetragen; die Alten erzählen es den Jungen, als wäre es noch bei ihrem Denken gewesen, ob sie es gleich auch nur aus der Erzählung ihrer Aeltern etc. haben; so bleibt eine Geschichte leicht ein Jahrtausend frisch. –

Sie haben sich stets als wolthätige Geister erzeigt, den Bauern ihr Vieh gefüttert (versteht sich mit keinem gewöhnlichen Futter) und es immer reinlich und glänzend erhalten, so dass den Leuten nichts zu thun übrig geblieben, als es zu tränken. Mitunter, wiewol selten, habe Jemand die hülfreichen Wesen erblickt. Ihr Essen musste man an einen bestimmten Ort hinstellen; diess verzehrten sie und entfernten sich wieder. Sobald man es ihnen nicht recht gegeben, oder Etwas davon genommen, oder sich in ihr Geschäft gelegt habe, seien sie ausgebliben.

7 »In Hutzenbach im Murgthal« – habe der Alte erzählend fortgefahren, und bei solchen einsam wohnenden Leuten hat die mährchenhafte Ueberlieferung schon darum mit der wahren Geschichte gleiches Recht, weil sie poetisch schön und ihrer Einbildungskraft als Stellvertreter der Lektüre nothwendig ist – »in Hutzenbach hat sich, wie ich von alten Leuten daselbst nicht nur Einmal vernommen, folgendes merkwürdige Ereigniss begeben. In [157] dem Gebirg über dem Dorf ein See, der Hutzenbacher-See genannt, aus welchem ein Seemännlein und Weiblein oftmals in’s besagte Dorf auf Besuch gekommen, so dass man ihre Erscheinung, gleich als wären es Wesen unsers Gleichen, nach und nach gewohnt worden. Als nun eines Tages in dem nicht weit entfernten Dorf Schwarzenberg – (wahrscheinlich in der Sonne, wo wir von gestern auf heute über Nacht gelegen) eine Hochzeit gewesen, haben zwei Töchter dieses Wasser-Ehepaars Lust bekommen, dabei zu erscheinen und desshalb ihre Aeltern gebeten, dahin zum Tanz gehen zu dürfen. Den ledigen Purschen, welche sonst diese sonderbaren Wesen doch mit ein wenig Grauen angeschaut, ist durch Wein und Freude das Herz gegen sie aufgegangen, und wenn sie ihnen so als Tänzer nahe kamen und in’s Auge sahen, so war ihr Blick ganz anders und viel leuchtender, als der ihrer Dorfdirnen. So wurde ihnen denn zulezt ganz warm um’s Herz.«

»Es schlug die Stunde, wo die Seefräulein wieder heimkehren sollten, aber die jungen Leute baten inständig, dass sie bleiben möchten. Gern hätten diese eingewilligt, denn sie waren nicht kalt wie die Fische, und gefühllos, insbesondere hatten zwei manierliche und hübsche Pursche bei ihnen ein solches Wohlgefallen erregt, wie sie es bisher noch nicht empfunden; aber ein strenges Verbot schien ihnen zu rufen, und sie wurden nach einigem Verweilen so ängstlich, dass ihre Tänzer Mitleid mit ihnen hatten, und sich anschickten, sie nach Hause zu begleiten, was auch nach Mitternacht geschah. Hinter dem sogenannten Silberbuckel führt ein Weg die Schlucht hinauf, durch welche aus dem See herab ein rasches Bächlein fliesst. Hier sagte die ältere Schwester zur Jüngern mehrmals: Hörst du die Alten zanken? Ach wohl höre ich es! erwiederte diese. Die Begleiter vernahmen aber nichts, als das Rauschen des Bachs in seinem felsigen Bett.«

»Endlich waren sie nur noch wenige Schritte vom See. Sie nahmen herzlichen Abschied, und gestatteten jede ihrem Führer drei Küsse; als aber die Jünglinge unter Händedrücken sie baten, recht bald wieder nach Schwarzenberg zu kommen, sahen die Schwestern einander an und seufzten. Wartet einige Zeit am See – sagte endlich die Aeltere, – und wenn ihr seht, dass er sich rot färbt, so denket nur, dass es uns schlimm ergangen; es ist unser Blut. Wenn ihr nichts wahrnehmt, so leben wir und – kommen vielleicht recht bald wieder zu euch.«

»Nach diesen Worten traten sie eilig an den Schilf des See’s und in einem Augenblick waren sie nicht mehr zu sehen. Die beiden jungen Leute blickten mit Herzklopfen in den See hinein, der vom Frühlicht schon ziemlich erhellt war. Sie harrten und harrten; als sich aber, so lange man braucht, etwa zehn Vater Unser zu beten, keine Veränderung zeigte, so nahm der Eine den Andern beim Arm und sagte: Komm Bruder! ich kann es nicht mehr aushalten; meine Augen gehn mir über. Es steht ja wohl [158] gut mit ihnen, ich bemerke keine Röthe. Sein Kamerad starrte aber unverändert in den See hinein, und liess sich nicht von dannen bringen. Somit ging der Eine allein hinweg und wohl mehr aus Angst, das Wahrzeichen möchte noch kommen, als aus Ueberzeugung, dass es mit den Seefräulein keine Gefahr mehr habe.«

»Jener wartete noch eine gute Weile, und wollte eben getrost den See verlassen, als er etwas wie ein Wehklagen aus der Tiefe herauf vernahm und nicht lange hernach das Wasser an einer Stelle unruhig werden und blutrot überwallen sah. Da graute ihm, und er lief dem Andern mit zerstörtem Sinne nach. Wie steht es? rief ihm dieser zu. Er gab ihm keine Antwort, todtenbleich trat er neben ihn und so liefen sie ohne ein Wort zu sprechen, aber wohl wissend, dass die Seefräulein den Ungehorsam gegen ihre Aeltern mit dem Leben gebüsst, der Heimat zu. Sie massen sich einen Theil der Schuld hievon bei und blieben vom Andenken an jene Nacht, in welcher ihnen Lieb und Leid im höchsten Masse begegnet, viele Jahre lang stille, in sich gekehrte, von allem lautfrölichen Wesen abgewandte Pursche.«

»Lasst Euch sagen, was sich ein andermal begeben, und das hört sich um ein Gutes ergötzlicher an, als das Vorige; – manche Jahre, ehe jenes geschehen, kam das Seemännlein nach Hutzenbach, ging zu der Hebamme und bewog sie, ihm zu folgen. Er nahm sie mit sich hinab in den See und führte sie in ein Zimmer, das von den hellsten Krystallen, den vielfarbigsten Korallen wiederglänzte und auch sonst auf’s wunderbarste ausgestattet war. Hier versah sie denn bei dem Seeweiblein, als deren Stunde gekommen, ihren Hebammen-Beruf wie bei andern Frauen und erhielt zur Belohnung für ihre Verrichtung – ein Büschel Stroh.«

»Sobald sie wieder an’s Tageslicht kam, warf sie dieses nicht ohne Aerger über die kargen Seeleute weg, und sagte bei sich: Habe ich doch genug Stroh daheim, und glaube für meine Willfährigkeit etwas Besseres verdient zu haben. Ein Hälmchen hatte sich an ihren Rock gehängt, und so wie sie diesen zu Haus ablugen wollte, fiel es als ein blankes Goldstück klingend auf den Boden.«

»Nun ärgerte sie sich noch weit mehr über ihre Thorheit, denn wohl hätte sie den Wasser-Geistern etwas Besseres zutrauen sollen. Eiligst lief sie wieder der Stelle zu, wo sie das Stroh weggeworfen, – es war aber weder Stroh noch Gold zu sehen.«

In den alten Reisebüchern und Erdbeschreibungen ligt das Merkwürdige zerstreut umher als ein Wunderbares, Unendliches, Grenzenloses. Die neuere Erdkunde hat freilich diesem Mirakulosen in allen Welttheilen den Nimbus abgestreift, indem sie das einzelne Auffallende aus allgemeinen Erscheinungen zu erklären sucht. Wenn aber dort von der Phantasie zu viel geschah, so geschieht hier oft vom Verstand zu wenig, und während er dem alten Aberglauben steuert, wird er selbst zu einem eiteln Wissens-Wahn, [159] aus Schul- und Stubenbegriffen genährt, der sich mit der Einsicht in die organischen Einrichtungen der Naturwerkstätte brüstet, und messend, zählend und klassifizirend den Zusammenhang zu fassen meint, weil im Kompendium keine Lücke ist.

Insofern haben nun wohl beide, der Aberglaube und der Schulwahn, Unrecht, und nur diejenige Ansicht möchte bescheidenverständig auf dem rechten Wege seyn, welche das einzelne Wunderbare auf das allgemeine Wunder der Schöpfung zurückführt und selbst in den natürlichen, begreiflichen Erscheinungen der Erdbildung ein unsichtbares Band und einen dunkeln, uns ewig unerforschlichen Grund anerkennt.

Wir liefen an dem See hin und schleuderten Steine hinein, aber kein Aufwallen entstand, kein siedendes Brausen liess sich vernehmen, wir sahen nicht einmal eine Blase aufsteigen; noch weniger erhob sich ein Nebel und blähte sich zu einem verderblichen Gewitter auf[8].

A. Birlinger.     

  1. Uralter schon im 8. Jhd. vorkommender Ort bei dem ebenso alten Dornstetten, Ob. A. Freudenstadt.
  2. Vom † Pfarrer Köhler in Marschalkenzimmern. Ueber Währwölfe in Irland sieh Ausland 1873 Nro. 27. 582.
    M. Jo. Mich. Schwimmers deliciae physico-hortenses, oder Physicalisches Garten-Buch, darinnen auffrichtig-eröffnete Kunst-Griffe, zu nutzbarer und ersetzender Baum-Zucht, durch gründlich-eröffnete Haupt- und Neben-Fragen, denen Garten-Liebhabern und Hauss-Vätern, zu Lust und Nutz, auf Verlangen, gewiesen, sammt gehörigen Register zum dritten mahl gedruckt. Erfurt, in Verlag der Stösselischen Erben, 1717.
    IIX Frage. Warumb kan der Satan nicht wahrhafftig einen Menschen zu einem Wolff machen? und was kan er sonst nicht? Erforschung. Dass er viel könne, ist ausser Zweiffel; zumal kan er weidlich stehlen, wo es ihm Gott zulässet. Eine gar merckwürdige Historie muss ich hier anführen, dergleichen kein ältester Mann, so siebentzig, achtzig, neuntzig oder mehr Jahr alt, sich erinnern kan, dass er am hellen Tage in seiner hesslichen und grausamen Gestalt sich sehen lassen, und zugleich mit seinem Diebstahl. Im Frühling des 1698. Jahres, in der Wollen-Scheere, da zugleich bey uns an der Saale die Scheit-Flösse war, giengen drey Mannes-Personen und ein Weib aus einem Dorff, nahmentlich Eichfeld, das über Rudolstadt gegen Abend lieget, Nachmittags umb zwey Uhr, bey schönen Sonnenschein, aus der Scheit-Flösse nach Hause, und da sie gegen Schala, einem Dorff zwischen Rudolstadt und benanntem Eichfeld, einige Schritt über dem Gericht herkamen, siehe, da höreten sie ein starckes Geräusche, dass sie sich fast entsetzeten und als sie auf und umb sich sahen, da kam dieser Herrscher in der Lufft von Abend her geflogen, sein Kopff war gross, wie eine Stuntze; seine Augen wie ein Hut-Napff, sein Schwantz feurig, und länger als ein Wiesebaum, und hatte auffgepackt, auf beyden Seiten so grosse Tracht als Spreu-Körbe, der Raub war weiss als Wolle und leinen Tuch, und da ihm auff denen Seiten bald hie ein Stück, bald dort ein Stück entfallen wolte, streckete er seine Krallen aus, und zog immer eins nach dem andern wieder in die Höhe zu sich, und solche Mühe mit dem abfallenden hatte er so lang, biss er sich in das daselbst stehende Höltzgen nieder liess. Da der eine Mann solcher Zuschauer sagte, sie wolten hin und diesem Räuber den Raub abjagen, wiederriethen es die andern, und zwar gantz recht, denn es ihnen nichts genutzet hätte, ob sie es schon behalten gehabt, welches sie hätten abjagen können, wann sie den Nahmen Gottes genennet: Die Zeugen solcher erschrecklichen Geschicht sind gewesen, Meister Heinrich Söffing, Böttiger in Eichfeld; Meister Hans Fischer, der Schmid daselbst, dessen Weib, Magdalena, und Hans Heinrich, dessen Sohn, zehen Jahr alt. Selbigen Tages hatte ein Weib, eine Meil Weges davon, hundert Ellen Bleich-Tuch verlohren etc.
    Freylich heisst es recht: Gross Macht und viel List seine grausame Rüstung ist, auff Erden ist nicht seines gleichen. Er hat seine listigen Künste lange gelernet, und hat viel erfahren; Weiss je länger je mehr, was die Gelehrten neues lehren und auff die Bahn bringen; Aber es [148] ist seine List und Arglistigkeit, wie nicht weniger seine Macht, wie gross sie auch ist, dennoch von den Ketten Göttlicher Majestät umschränket.
    Daher kan er nicht warhafftig einen Menschen zu einem Bär-Wolffe (andere nennen sie Währ-Wölffe) machen, ob man gleich von solchen Erscheinungen weiss; Es mag es Bodinus, de Magorum Daemonomania, Spondanus Comment. in Homer. M. Jo. Fried. Wolffeshusen behaupten wollen, so gut es ihnen scheinet, so ists doch in Warheit nur Blendung. Daher die Sache würdig zu erforschen, wie es damit zugehe? und woher solche also scheinende Wölffe ihre Macht und Krafft schädlich zu seyn, das Vieh zu zerreissen, zu fressen, auch andern Menschen Schaden anzufügen, haben, und aus was Krafft sie solches vermögen.
    Eine erstaunbare Historie, welche zu Agran in Croaten von solchem Wolffe geschehen, muss ich aus denen neulichen Zeitungen hier anführen, wie sie referiret ist? Agran in Croaten, den 16. Julj A. 1698. Um diese Stadt lässet sich eine grausame Bestia in Gestalt eines Wolffes sehen, welche denen Menschen sehr zugesetzet, und deren bereits viele zerrissen hat, dem unvernünfftigen Vieh thut es keinen Schaden. Es darff sich kein Hirt bey den Heerden blicken lassen, dass sie nicht auf ihn lossgehet, und wo zween beysammen seyn, muss der andere davon Haar lassen: Es habe sich unterschiedliche Edelleute mit ihrem Landvolck zusammen gezogen, die Bestia zu tödten, allein, wenn sie vermeynet, solche zu Stand zu bringen, vexiret solche Wolffs-Bestia ihre Verfolger, und zeiget sich an einem andern Ort, und ob sie gleich des geweyheten Pulvers und mit Silber gefütterten Kugeln sich bedienen, können sie doch, wie gedacht, nichts gegen dieselbe ausrichten. Dahero muthmasset man (nicht unrecht!), dass es entweder eine Hexe oder Hexenmeister seyn müsse, weil täglich solche Leute eingezogen werden, wie dann jetzo wircklich bey dreissig Personen gefangen sitzen, und bringen viele Bauren ihre eigene Weiber selbst in die Stadt gefangen herein, mit dieser Anzeige, dass sie, wenn man solche nicht abstraffen würde, selbst an sie Hand anlegen, und verbrennen wolten. Bey den Gefangenen werden Proben angestellet, welche eine Hexe offenbaret haben soll, dass man dergleichen Personen erkennen möge, nemlich, man bindet ihnen die Hände Creutzweiss auf den Rücken zusammen, und wirfft sie in den Sau-Fluss hinein; Schwimmet sie nun empor, so werden sie für schuldig erkannt; gehen sie aber unter, werden sie wieder frey gelassen etc. Also ists beschrieben.
    Anreichend nun den Bär-Wolff, wie er erscheinet und genennet wird, ists eine Blendung und Verdüsterung, theils in dem Menschen, welcher meynet, er sey zum Wolffe worden; theils in anderen Menschen, welche meynen, sie sehen einen rechten Wolff: und obgleich solche vermeinte Wölffe das Vieh anfallen, beissen, thun doch solches nicht so wohl solche vermeinte Wölffe, als der Satan, solches Gauckelwerck und Bethörung zubestärcken, welches alles hier desto deutlicher und gläubiger wird erfunden werden. Auch thut nichts zur Wahrheit solcher rechten Verwandelung, dass solche Leute selbst meynen oder [149] meine jugendliche Flüchtigkeit auf solche Nebenumstände damalen noch nicht merkte.sagen, sie wären Wölffe gewesen, denn ihre Phantasie ist verruckt und verdüstert durch des Satans Arglist und Blendung; denn es war Georgius Sabinus, ein Gelehrter zu Königsberg, welcher als ein Bär-Wolff denen Preussischen Bauren begegnete, ihnen Schaden zufügte an ihrem Vieh und ihnen selbst, der grausam anzusehen und blutend war, als ob ihn die Hunde wären angefallen, und hätten ihn gebissen, wie Er auch solches nachgehends, wann Er wieder zu einen Menschen worden, denen Hunden Schuld gab. Er bekannte hernach, als die Sache zur Untersuchung kam, und die Obrigkeit es richtete, in Beyseyn des Hertzogs: Es begegnete ihm solches des Jahres zweymahl, einmahl auf Weynachten, das andere mahl auf Johannis-Tag, da Er dann gezwungen würde, grimmig zu werden, in den Wald zu lauffen und alles anzufallen, was ihm begegnete; da ihm vorher die Haut gantz rauch würde; aber ehe ihm die Haut rauch würde, und er Haare auf seinem gantzen Leibe bekäme, hätte er einen starken Schauer und grosse Mattigkeit, so dann würde er zum Wolffe, wenn er völlig rauch worden.
    Allein, dass dieses aus Satans List und Betrug also geschehen, erhellet bald daraus, da man ihn ins Gefängnis legte, und erwartete, ob dergleichen Verwandelung zu solchen zweyen Zeiten weiter an ihm sich finden möchte. Da war aber dergleichen nicht mehr zu spüren, sondern der Satan hatte ihn geblendet und selbst verwundet; daher Johannes Evvichius, de Sagarum natura, von diesem Manne schreibet, er habe sich unter das Heu verkrochen und geschrien, er müsse fliehen, wie ein Wolff, damit er nicht gefressen würde.
    Ob nun gleich solche Verwandelung in einen Wolff nur eine Satanische Blendung ist, welche die Phantasie verwirret in denen, über welche er Macht bekommen, so treibet er ihre Phantasie auch zu Grimmigkeiten und er selbst der Satan unter der angenommenen Gestalt eines Wolffes, zerreisset Vieh und Menschen, nachdem und wie weit es ihnen Gott zulässet. Wohin aber Nebucadnezaris wilde Art und Benehmung der gesunden Vernunfft bey weiten nicht zu ziehen, als welcher seine menschliche Gestalt behielt, und nur der Phantasie nach, und nach der äusserlichen Haut, mit garstigen Haaren auf dem Haupt, und gewachsenen grossen garstigen Nägeln an Händen und Füssen, eine Zeitlang ungestalt worden.«
    Aus Barth. Anhorns Magiologia. Basel 1674. S. 577:
    »Anno 1573 wurd zu Dol in Burgund ein Zauberer gefangen, vnd nach seinem Verdienen gestrafft; der bekendte, dass er in der Gestalt eines Wolffs in einem Weinberg, nahe bey einem Waldt, vnfern von Dol, ein Mägdlin von zehen oder zwölff Jahren angefallen, getödet, einen Theil von seinem Leib gefressen, vnd den übrigen Theil seinem Weib zugebracht. Vnlang hernaher, hab er in gleicher Wolffsgestalt ein ander Mägdlin angegriffen, getödet vnd auch fressen wollen, wann er nicht von dreyen Männeren wäre verjagt worden.
    Zu Besançon in Burgund führte auf eine zeit Michael Verdün den Peter Burgot mit sich an einen Ort, da ein Liecht von grünem Wachs, mit dunkeler Flamm gebrunnen, vnd die Anwesenden dem Teufel geopferet, vnd vmb jhn her gedanzet; haben sich mit gewisser Salbe geschmieret, seyen zu Wölffen worden, in den Wald geloffen, leiblichen Wölffinen mit grossem Lust beygewohnet, und zu vnderschiedlichen mahlen vier Mägdlin zerrissen vnd gefressen.«
  3. Vergl. Schnezler, Bad. Sagenb. I, 443. Sagen aus den Rheingegenden etc. von Schreiber. 3. Aufl. 1848. S. 172.
  4. Die Bildtanne wurde umgehauen, der Mittelstamm der Ort des Marienbild abgesondert, die Aeste und alle übrigen Abfälle verbrannt, damit sie nicht abergläubisch möchten misbraucht werden. Gesch. d. Wallfart 44.
  5. Diese Sage unvollständig bei Schnezler, Bad. Sagenb. I, 443 ff.
  6. Sieh E. Meier, Deutsche Sagen, Sitten und Gebräuche aus Schwaben S. 71 ff. A. Schnezler, Badisches Sagenbuch II, 81 ff. A. Schreiber, Sagen. Frankf. 1848. S. 148.
  7. Beschreibung von Baden bei Rastatt und seiner Umgebung von J. L. Klüber. 2. Tl. Tüb. 1810. Cotta.
  8. Bilder aus dem Schwarzwald von F. L. Bührlen, Stuttgart 1828. I Bdchen. S. 263 ff.

Anmerkungen (Wikisource)

Die Sagen finden sich auch als Einzeltexte unter:

  1. Der Werwolf in Thummlingen
  2. Der Schatz auf Waldeck
  3. Die Triberger Wallfart
  4. Die Sagen vom Mummel- und Hutzenbachersee