Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309 | |
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nach dem Sinn der Empfänger abzufassen pflegte. Das wurde ihm zum Unglück. Denn wie er im Oktober 1591 ein Exemplar seiner neuen Chorographie (Landesbeschreibung) dem Erzherzog Ferdinand von Österreich zuschicken wollte, verursachte die Vorrede derselben in Ulm[1], wo sie eingesehen wurde, solches Bedenken, daß die Handschrift dem Herzog Ludwig nach Stuttgart eingesandt wurde. Schon daß die Vorrede nach dem neuen gregorianischen Kalender datiert war, den die Protestanten noch nicht angenommen hatten, erregte Anstoß, noch mehr, daß die von Herzog Ulrich im Kadener Frieden Österreich gegenüber unfreiwillig eingegangene Afterlehenschaft offen anerkannt und daß demgemäß Württemberg als des Erzherzogs anererbtes Lehen bezeichnet wurde. Denn dieses Verhältnis wurde im Lande sehr schwer empfunden; immer wieder wurde versucht, es abzulösen, was denn auch nicht lange nachher gelungen ist. Wolleber wurde zur Verantwortung nach Stuttgart vorgeladen und hier am 3. November 1591 verhaftet. Damit begann der zweite Akt seiner Leidensgeschichte.
Noch am Tage der Verhaftung erteilte der Geheimrat Melchior Jäger von Gärtringen und der Kanzler Aichmann den beiden herzoglichen Räten und Geschichtschreibern Georg Gadner und Oswald Gabelkover den Befehl, sofort ein Verhör anzustellen. Bald darauf wurde eine Haussuchung in Weiler vorgenommen. Der Bürgermeister und der Stadtschreiber von Schorndorf begaben sich in die Wohnung Wollebers, lasen seiner Hausfrau den fürstlichen Befehl vor und befahlen ihr, die Gemächer, Truhen und Kästen, darinnen seine Bücher und Schriften zu finden, aufzuschließen. Die Frau entsetzte sich und behauptete, die Schlüssel nicht zu haben. Wie ein Schlosser geholt wurde, fanden sich die Schlüssel, wenigstens zu den Behältern, in denen keine Schriften waren. Ein vom Schlosser geöffneter Kasten im Hausgang enthielt allerlei Bücher und Schriften, die in einer entlehnten Reisetruhe nach Stuttgart geschickt wurden. Die meisten derselben werden wir später als „Quellen“ Wollebers kennen lernen; außerdem befanden sich darunter zahlreiche fürstliche Stammbäume, namentlich ein österreichischer, der vorher illuminiert im Druck ausgegangen und im Reich allgemein auf den Rathäusern aufgehängt worden war. Der Verhaftete suchte die Harmlosigkeit seiner Tätigkeit nachzuweisen; seine Frau wies auf die Blödigkeit seines Hauptes hin und erreichte wenigstens die Erlaubnis, ihn in Gegenwart des Vogts besuchen zu dürfen. Wie die Untersuchung sich hinzog, erklärte Wolleber feierlich, daß die beanstandete Handschrift gar nicht ganz fertig sei und
- ↑ Pfaff a. a. O.
Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309. Kohlhammer, Stuttgart 1911, Seite 291. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Wolleber_-_ein_Bild_aus_den_Anf%C3%A4ngen_der_w%C3%BCrttembergischen_Geschichtschreibung.djvu/3&oldid=- (Version vom 31.7.2018)