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Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309

Rüttel (seit 1575 im Amt). Diese beiden hatten, wie es dem damaligen Brauch entsprach, das Bedürfnis gefühlt, die Lücken im Stammbaum der Herren von Württemberg auszufüllen und den Stammbaum selbst recht weit zurückzuführen. Nachdem sie im Anschluß an einen Chronisten Jakob von Mainz, von dem wir sonst sehr wenig wissen[1], angenommen hatten, daß die Herren von Württemberg aus Frankreich stammen, war die Verbindung mit Karl d. Gr. oder schon mit Pipin gegeben. Da man keinen Württemberger fand, nahm man Namen aus anderen vornehmen Geschlechtern und behauptete deren Gleichheit mit den ersteren, weil diese doch gelebt und vornehmen Geschlechtern angehört haben müssen. So sind Graf Erlafried von Calw und namentlich manche Herren von Löwenstein bei Rüttel und Studion Herren von Württemberg geworden[2]. Daß die älteren dann am fränkischen Hofe mit den höchsten Würden ausgestattet wurden, war vollends selbstverständlich. Der naivere Erfinder war Andreas Rüttel (Mscr. 23 des Staatsarchivs S. 33 ff. und S. 1116 ff.), indem er die Reihe durch Hereinnahme einiger fremder und durch Wiederholung dieser und der echt württembergischen bildete. Simon Studion (Mscr. 1 des Staatsarchivs), der versgewandte Lateiner, verbrämte die seinige mit gelehrten Brocken und hat es glücklich dahin gebracht, daß er bis zur zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mehr oder weniger Glauben fand. Wolleber hat zuerst sich an Simon Studion gehalten, der ihm wahrscheinlich einen Stammbaum aufgesetzt hat; in der Historischen Beschreibung folgte er plötzlich dem Andreas Rüttel, offenbar auch auf Grund eines Aufschriebs, den er von diesem erhalten hatte. In der Chronik kehrte er wieder zu Stadion zurück, nicht ohne durch einzelne Einschiebungen, Umstellungen und Weglassungen zu zeigen, daß er auch noch andere Aufzeichnungen zur Verfügung hatte. Die Rüttelsche Stammreihe beginnt mit Albrecht, dem Großhofmeister Pipins, und Ebertal, dem Karls d. Gr.; die Studionsche bietet eine fortlaufende Reihe erst mit Eberhard im Jahr 893 und seinem Sohn Philipp, genannt Andreas.

Eine besondere Stellung, sowohl was den Stoff, als was die Quellen betrifft, nimmt Wollebers Staufergeschichte ein. Wolleber galt für einen Kenner der Geschichte des schwäbischen Kaiserhauses. Martin Crusius hat ihm nicht nur die schon erwähnte Mitteilung über Konradin


  1. Über ihn: Joachim, Johannes Nauclerus und seine Chronik (1874), S. 45 ff., Forschungen zur deutschen Geschichte 20, 55 ff. Deutsche Geschichtsblätter 10, 72.
  2. In einer Widmung von 1597 rühmt sich Studion, daß er in seinem 1579 geschriebenen Werk die Abstammung von den Grafen von Löwenstein und Calw aufgedeckt hat (Mscr. 1 a des St.A.).
Empfohlene Zitierweise:
Eugen Schneider: David Wolleber, ein Bild aus den Anfängen der württembergischen Geschichtschreibung. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte NF 20 (1911), S. 289–309. Kohlhammer, Stuttgart 1911, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Wolleber_-_ein_Bild_aus_den_Anf%C3%A4ngen_der_w%C3%BCrttembergischen_Geschichtschreibung.djvu/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)