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7. Die Theorie der algebraischen Zahlkörper.
[Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung Bd. 4, S. 175–546 (1897).]
Vorwort.

Die Zahlentheorie gehört zu den ältesten Zweigen mathematischen Wissens, und es wurde der menschliche Geist sogar auf tief liegende Eigenschaften der natürlichen Zahlen frühzeitig aufmerksam. Doch als selbständige und systematische Wissenschaft ist sie durchaus ein Werk der neueren Zeit.

An der Zahlentheorie werden von jeher die Einfachheit ihrer Grundlagen, die Genauigkeit ihrer Begriffe und die Reinheit ihrer Wahrheiten gerühmt; ihr kommen diese Eigenschaften von Hause aus zu, während andere mathematische Wissenszweige erst eine mehr oder minder lange Entwicklung haben durchmachen müssen, bis die Forderungen der Sicherheit in den Begriffen und der Strenge in den Beweisen überall erfüllt worden sind.

Es nimmt uns daher die hohe Begeisterung nicht wunder, von der zu allen Zeiten die Jünger dieser Wissenschaft beseelt gewesen sind. „Fast alle Mathematiker, die sich mit der Zahlentheorie beschäftigen“, so sagt Legendre, indem er Eulers Liebe zur Zahlentheorie schildert, „geben sich ihr mit einer gewissen Leidenschaft hin“. Weiter erinnern wir uns, welche Verehrung unser Meister Gauss für die arithmetische Wissenschaft empfand, wie, als ihm zuerst der Beweis einer ausgezeichneten arithmetischen Wahrheit nach Wunsch gelungen war, „ihn die Reize dieser Untersuchungen so umstrickten, daß er sie nicht mehr lassen konnte“, und wie er Fermat, Euler, Lagrange und Legendre als „Männer von unvergleichlichem Ruhme“ preist, weil sie „den Zugang zu dem Heiligtume dieser göttlichen Wissenschaft erschlossen und gezeigt haben, von wie großen Reichtümern es erfüllt ist“.

Eine besondere Eigentümlichkeit der Zahlentheorie bildet die oft entgegentretende Schwierigkeit der Beweise einfacher und durch Induktion leicht entdeckter Wahrheiten. „Gerade dieses ist es“, sagt Gauss, „was der höheren Arithmetik jenen zauberischen Reiz gibt, der sie zur Lieblingswissenschaft der ersten Geometer gemacht hat, ihres unerschöpflichen Reichtums nicht zu gedenken, woran sie alle anderen Teile der Mathematik so weit übertrifft.“

Empfohlene Zitierweise:
David Hilbert: David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie. Julius Springer, Göttingen 1932, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Hilbert_Gesammelte_Abhandlungen_Bd_1.djvu/80&oldid=- (Version vom 31.7.2018)