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auch die letzte Beschränkung, auf den unverzweigten Fall, in seinen Augen nur eine vorläufige ist, und daß seine programmatisch skizzierte Theorie eine Theorie der allgemeinen relativ-Abelschen Zahlkörper über einem beliebigen algebraischen Zahlkörper anstrebt.

Das neue Jahrhundert hat dieses in seinem Weitblick wie in seinem Wesen großartige Hilbertsche Programm restlos durchführen können, und insbesondere nahezu alle von Hilbert vermuteten Einzeltatsachen bestätigt.

Über die Einzelheiten dieser Entwicklung der Theorie der relativ-Abelschen Zahlkörper ist, in Fortsetzung des Hilbertschen Zahlberichts, ebenfalls im Jahresbericht der Deutschen Mathematiker-Vereinigung, zunächst in kleinerem Rahmen von Fueter[1], später ausführlich von Hasse[2], mit genauen Literaturangaben berichtet worden. Hier mögen nur die Hauptzüge der Entwicklung und die gewonnenen Hauptsätze angeführt werden.

1. Zunächst hat Furtwängler in unmittelbarer Fortsetzung des Hilbertschen Werks den von Hilbert skizzierten Fall der unverzweigten relativ-Abelschen Körper allgemein durchgeführt und zum Abschluß gebracht. Ferner hat dann Takagi, unter Heranziehung von H. Webers tiefgreifenden Ansätzen, auch den allgemeinen Fall der relativ-Abelschen Körper beliebiger Relativdiskriminante erledigt.

Die Hauptsätze der so gewonnenen Theorie lauten:

Definition des Klassenkörpers. Ein algebraischer Körper über heißt Klassenkörper zur Idealgruppe aus , wenn von den Primidealen aus alle und nur die zu gehörigen in in verschiedene Primideale vom Relativgrade zerfallen.

Dabei bedeutet „Idealgruppe“ irgendeine solche Gruppe von Idealen, die für ein geeignetes ganzes Ideal [3]

1. alle Hauptideale () mit mod. enthält,

2. für keinen echten Teiler von alle Hauptideale () mit mod. enthält,

3. nur aus zu primen Idealen besteht.

Das durch diese Forderungen eindeutig bestimmte heißt der „Führer“ von .


  1. Die Klassenkörper der komplexen Multiplikation und ihr Einfluß auf die Entwicklung der Zahlentheorie. Jber. dtsch. Math.-Ver. 20 (1911).
  2. Bericht über neuere Untersuchungen und Probleme aus der Theorie der algebraischen Zahlkörper. Teil I: Klassenkörpertheorie. Jber. dtsch. Math.-Ver. 35 (1926). Teil Ia: Beweise zu Teil I. Jber. dtsch. Math.-Ver. 36 (1927). Teil II: Reziprozitätsgesetz. Erg. Bd. 6 (1930) zum Jber. dtsch. Math.-Ver.
  3. In sind dabei, den reellen konjugierten zu entsprechend, „unendliche Primstellen“ ab Faktoren zuzulassen, für die die Kongruenz durch die Vorzeichengleichheit der betreffenden reellen konjugierten erklärt ist.
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David Hilbert: David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie. Julius Springer, Göttingen 1932, Seite 531. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Hilbert_Gesammelte_Abhandlungen_Bd_1.djvu/548&oldid=- (Version vom 19.9.2016)