David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie/Kapitel 1

David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie (1932) von David Hilbert
1. Über die Transzendenz der Zahlen und .
2. Zwei neue Beweise für die Zerlegbarkeit der Zahlen eines Körpers in Primideale.
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1. Über die Transzendenz der Zahlen und .
[Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen S. 113–116 (1893). Mathem. Annalen Bd. 43, S. 216–219 (1893).]

Man nehme an, die Zahl genüge der Gleichung -ten Grades

,

deren Koeffizienten ganze rationale Zahlen sind.

Wird die linke Seite dieser Gleichung mit dem Integral

multipliziert, wo eine ganze positive Zahl bedeutet, so entsteht der Ausdruck

und dieser Ausdruck zerlegt sich in die Summe der beiden folgenden Ausdrücke:

Die Formel

zeigt, daß das Integral eine ganze rationale durch teilbare Zahl ist und ebenso leicht folgt, wenn man bezüglich die Substitutionen anwendet, daß ganze rationale durch teilbare Zahlen sind. Daher ist auch eine durch teilbare ganze Zahl, und zwar gilt, wie man sieht, nach dem Modul die Kongruenz

(1)
Andrerseits ist, wenn mit bezüglich die absolut größten Werte bezeichnet werden, welche die Funktionen

bezüglich

in dem Intervalle bis annehmen:

und hieraus folgt, wenn zur Abkürzung

gesetzt wird, die Ungleichung

(2)

Nun bestimme man eine ganze positive Zahl , welche erstens durch die ganze Zahl teilbar ist und für welche zweitens wird. Es ist dann infolge der Kongruenz (1) eine nicht durch teilbare und daher notwendig von verschiedene ganze Zahl, und da überdies infolge der Ungleichung (2) absolut genommen kleiner als wird, so ist die Gleichung

unmöglich.

Man nehme an, es sei eine algebraische Zahl und es genüge die Zahl einer Gleichung -ten Grades mit ganzzahligen Koefiizienten. Bezeichnen wir dann mit die übrigen Wurzeln dieser Gleichung, so muß, da den Wert hat, auch der Ausdruck

den Wert haben und hierin sind, wie man leicht sieht, die Exponenten die Wurzeln einer Gleichung -ten Grades mit ganzzahligen Koeffizienten. Sind überdies etwa die Exponenten von verschieden, während die übrigen verschwinden, so sind diese Exponenten die Wurzeln einer Gleichung -ten Grades von der Gestalt

deren Koeffizienten ebenfalls ganze rationale Zahlen sind und in welcher insbesondere der letzte Koeffizient von verschieden ist. Der obige Ausdruck erhält dann die Gestalt

wo eine ganze positive Zahl ist. Man multipliziere diesen Ausdruck mit dem Integral

wo wiederum eine ganze positive Zahl bedeutet und wo zur Abkürzung gesetzt ist; dann ergibt sich

und dieser Ausdruck zerlegt sich in die Summe der beiden folgenden Ausdrücke:

wo allgemein das Integral in der komplexen -Ebene vom Punkte längs einer zur Achse der reellen Zahlen parallelen Geraden bis zu hin und das vom Punkte längs der geraden Verbindungslinie bis zum Punkte hin zu erstrecken ist.

Das Integral ist wieder gleich einer ganzen rationalen durch teilbaren Zahl, und zwar gilt, wie man sieht, nach dem Modul die Kongruenz

Mittels der Substitution und wegen ergibt sich ferner

wo eine ganze ganzzahlige Funktion von bedeutet, deren Grad in unterhalb der Zahl bleibt und deren Koeffizienten sämtlich durch teilbar sind. Da die Wurzeln der ganzzahligen Gleichung sind und mithin durch Multiplikation mit dem ersten Koeffizienten zu ganzen algebraischen Zahlen werden, so ist

notwendig eine ganze rationale Zahl. Hieraus folgt, daß der Ausdruck gleich einer ganzen rationalen durch teilbaren Zahl wird, und zwar gilt nach dem Modul die Kongruenz

Andrerseits ist, wenn mit bezüglich die größten absoluten Beträge bezeichnet werden, welche die Funktionen bezüglich auf den geradlinigen Integrationsstrecken zwischen bis annehmen:

und hieraus folgt, wenn zur Abkürzung

gesetzt wird, die Ungleichung

. (4)

Nun bestimme man eine ganze positive Zahl , welche erstens durch teilbar ist und für welche zweitens wird. Es ist dann infolge der Kongruenz (3) eine nicht durch teilbare und daher notwendig von verschiedene ganze Zahl, und da überdies infolge der Ungleichung (4), absolut genommen, kleiner als wird, so ist die Gleichung

unmöglich.

Es ist leicht zu erkennen, wie auf dem eingeschlagenen Wege ebenso einfach auch der allgemeinste Lindemannsche Satz über die Exponentialfunktion sich beweisen läßt.

Königsberg i. Pr., den 5. Januar 1893.


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