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5. Über den Dirichletschen biquadratischen Zahlkörper.
[Mathem. Annalen Bd. 45, S. 309–340 (1894).]
Einleitung.

Nachdem durch Gauss die ganzen imaginären Zahlen in die Arithmetik eingeführt waren, untersuchte Dirichlet in einer Reihe von Abhandlungen[1] denjenigen biquadratischen Zahlkörper, welcher die imaginäre Einheit und mithin alle jene Gaußschen imaginären Zahlen enthält. Dieser biquadratische Körper werde der Dirichletsche Zahlkörper genannt. Dirichlet hat auf denselben seine allgemeine analytische Methode zur Bestimmung der Anzahl der Idealklassen angewandt und insbesondere den Fall in Betracht gezogen, in welchem der biquadratische Zahlkörper außer dem durch bestimmten quadratischen Körper noch zwei andere quadratische Körper enthält. Es ergibt sich dann das Resultat, daß die Anzahl der Idealklassen dieses speziellen Dirichletschen Zahlkörpers im wesentlichen gleich dem Produkt der Anzahl der Idealklassen in den beiden letzteren quadratischen Körpern ist. Diesen mit analytischen Hilfsmitteln gewonnenen rein arithmetischen Satz bezeichnet Dirichlet als einen der schönsten in der Theorie der imaginären Zahlen, vornehmlich weil durch denselben ein Zusammenhang zwischen den Anzahlen der Idealklassen derjenigen beiden quadratischen Körper aufgedeckt wird, die durch Quadratwurzeln aus entgegengesetzten reellen Zahlen bestimmt sind.

Die vorliegende Abhandlung hat das Ziel, die Theorie des Dirichletschen biquadratischen Körpers auf rein arithmetischem Wege bis zu demjenigen Standpunkt zu fördern, auf welchem sich die Theorie der quadratischen Körper bereits seit Gauss befindet. Es ist hierzu vor allem die Einführung des Geschlechtsbegriffs sowie eine Untersuchung derjenigen Einteilung aller Idealklassen notwendig, welche sich auf den Geschlechtsbegriff gründet. Nachdem in den ersten acht Paragraphen der Arbeit diese Aufgabe für den allgemeinen Dirichletschen Zahlkörper gelöst wird, behandeln die beiden letzten Paragraphen den vorhin charakterisierten speziellen Dirichletschen


  1. Untersuchungen über die Theorie der komplexen Zahlen; Recherches sur les formes quadratiques à coefficients et à indéterminées complexes. Werke 1, 505, 511, 533.
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David Hilbert: David Hilbert Gesammelte Abhandlungen Erster Band – Zahlentheorie. Julius Springer, Göttingen 1932, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:David_Hilbert_Gesammelte_Abhandlungen_Bd_1.djvu/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)