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entfernten Sandbank inmitten der schäumenden Brandung lag, jetzt ein hilfloses Wrack, und vor drei Tagen noch ein schmucker Segler, den erst der verhängnisvolle Sturm in regenfinsterer Nacht aus seinem Kurs gegen die gefährliche Westküste von Holstein getrieben hatte.

Doktor Heinz Gerster, der neben Frau Käti Deprouval auf der Spitze des Bootssteges stand, ließ soeben das Fernglas sinken, mit dem er bisher nach dem gestrandeten Fahrzeug hinübergeschaut hatte.

„Ein Boot kommt bereits zurück. Da werden wir bald näheres über das Schiff erfahren, gnädige Frau,“ sagte er interessiert.

„Ob denn wirklich die ganze Besatzung den Tod in den Wellen gefunden haben mag?“ meinte die schlanke, blasse Dame mit ihrer müden, aber selten wohlklingenden Stimme.

„Leider besteht sehr wenig Hoffnung, daß sich auch nur ein einziger von der Bemannung gerettet hat,“ erwiderte Doktor Gerster.

Frau Deprouval schauderte wie fröstelnd zusammen.

„Die armen, armen Leute,“ sagte sie leise.

Wieder führte jetzt Doktor Gerster sein Fernglas an die Augen.

„Keine dreihundert Meter sind sie noch entfernt,“ erklärte er ganz aufgeregt.

Und nach einer Weile:

„Wirklich, ich täusche mich nicht. Sie haben einen sechsten Mann im Boot. Das ist kein Fischer. Vielleicht, nein, was rede ich – bestimmt ist’s einer der Besatzung.“

Immer mehr näherte sich das auf den Wogen auf und abtanzende kleine Fahrzeug dem Stege. Jetzt konnte man schon mit bloßen Augen die Gesichter erkennen.

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/21&oldid=- (Version vom 31.7.2018)