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Nacht war, hatte ich mir eine hellleuchtende Acetylenlaterne mitgenommen. Und was geschah?! Mit einer geradezu hoheitsvollen Gebärde streckte das Gespenst den Arm aus. Meine Füße waren in demselben Moment wie gelähmt, die Laterne verlöschte ohne jede äußere Ursache, und – ruhig schritt „der Graue“, wie wir den unheimlichen Wanderer längst getauft haben, in die Kapelle hinein.

So stehen hier die Sachen. Wernicke, der sein Anwesen gern verkaufen möchte, hat mich flehentlich gebeten, über meine Beobachtungen zu schweigen, da er die Mönchsabtei sonst niemals veräußern kann. Jeder Käufer würde ja durch die Geistererscheinung abgeschreckt werden. Nunmehr hat er darein gewilligt, daß ich Ihnen die unheimliche Geschichte anvertraue. Er will auch die Hälfte der Kosten tragen, was schon sehr viel bedeutet, da der Mann sehr sparsam, fast geizig ist. – Mit einem Wort: Drei einwandfreie Zeugen, nämlich Wernicke, mein Diener und ich, haben die Erscheinung beobachtet. An ihrer Existenz ist mithin nicht zu zweifeln. Und da ich als aufgeklärter Mensch an übernatürliche Dinge nicht glauben kann, anderseits aber eine Erklärung für das Geschaute nicht zu finden vermag, bitte ich Sie der Sache auf den Grund zu gehen.

Hochachtungsvoll Müller,
Friedrich Müller,
Privatgelehrter.

„Daß diesen Bericht ein Privatgelehrter verfaßt hat, merkt man,“ brummte Fritz Schaper vor sich hin, nachdem er mit der Lektüre fertig war. „Gerade das, worauf es ankommt, fehlt. – Nun, sehen wir zunächst einmal nach, wo dieses Nest mit dem schönen Namen Gauben liegt. Denn – der Fall interessiert mich.

Empfohlene Zitierweise:
W. von Neuhof: Das graue Gespenst. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_graue_Gespenst.pdf/19&oldid=- (Version vom 31.7.2018)