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Wir sind wie Adern im Basalte

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in Gottes harter Herrlichkeit.


Der Name ist uns wie ein Licht
hart an die Stirn gestellt.
Da senkte sich mein Angesicht
vor diesem zeitigen Gericht

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und sah (von dem es seither spricht)

dich, großes dunkelndes Gewicht
an mir und an der Welt.

Du bogst mich langsam aus der Zeit,
in die ich schwankend stieg;

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ich neigte mich nach leisem Streit:

jetzt dauert deine Dunkelheit
um deinen sanften Sieg.

Jetzt hast du mich und weißt nicht wen,
denn deine breiten Sinne sehn

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nur, daß ich dunkel ward.

Du hältst mich seltsam zart
und horchst, wie meine Hände gehn
durch deinen alten Bart.


Dein allererstes Wort war: Licht:
da ward die Zeit. Dann schwiegst du lange.
Dein zweites Wort ward Mensch und bange
(wir dunkeln noch in seinem Klange),

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und wieder sinnt dein Angesicht.


Ich aber will dein drittes nicht.

Empfohlene Zitierweise:
Rainer Maria Rilke: Das Stundenbuch. Leipzig: Insel-Verlag. 1918, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Stundenbuch_(Rilke)_031.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)