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Der Äther mußte nach dem Gesagten als absolut ruhend gedacht werden, während das Relativitätsprinzip auch den Begriff der absoluten Ruhe als undefinierbar zurückweist. Denken wir uns den Weltraum ganz leer, nur mit Äther erfüllt, so gibt es keinerlei Marke, nach welcher wir den Ruhezustand des Äthers beurteilen könnten. Somit ist die Existenz des Äthers unannehmbar.

Mit dem Äther zerrinnt aber weiterhin die Grundlage der Faraday-Maxwell-Hertzschen »Ätherkraftfeldertheorie« in Nichts; diese Theorie ist ebenso unhaltbar geworden wie die alte Newton-Coulombsche Fernewirkungstheorie.

Es entfällt ferner auch die Grundlage der Auffassung von H. A. Lorentz, welcher glaubte, die Kontraktion der Längen in der Bewegungsrichtung auf Änderung der Molekularkräfte bei der Verschiebung der Moleküle in dem ruhenden Äther zurückführen zu können und ebenso den verlangsamten Gang der Uhren auf Änderung der Elastizität der Feder der Unruhe usw. Die Änderungen der Längen und Zeiten sind gar keine wirklichen, sondern nur scheinbare, beruhend auf unserer Unfähigkeit absolute Größen zu messen, wie zuerst der Entdecker des neuen Relativitätsprinzips, Einstein in Bern, im Jahre 1905 erkannte[1]. Befindet sich z. B. ein Beobachter in einem Eisenbahnzug, der andere außerhalb und besitzen beide Meterstäbe, die sie genau übereinstimmend befunden haben, so wird, falls der Zug in Bewegung ist und die Vergleichung nochmals vorgenommen werden könnte, der ruhende Beobachter glauben, der Meterstab des andern habe sich verkürzt. Umgekehrt wird der fahrende behaupten, der ruhende Meterstab sei kürzer geworden, denn welcher Beobachter sich wirklich (absolut) bewegt, kann eben nicht entschieden werden, man kann sowohl den einen wie den andern absolut ruhend denken. Analoges wird sich zeigen bei Vergleichung der beiderseitigen Uhren. Jeder Beobachter wird dem andern vorwerfen, dessen Uhr sei nicht richtig reguliert, sie gehe zu langsam!

Wir sehen hieraus, daß die fundamentalen Größen Länge und Zeit, d. h. die Zahlen, die wir durch Benutzung unserer Einheiten finden, keineswegs die absolute Sicherheit haben, welche


  1. A. Einstein, Ann. d. Phys.[WS 1] 17, 891; 18, 639, 1905.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Anm. d. Phys. – siehe Zur Elektrodynamik bewegter Körper. In: Annalen der Physik. Band 322, Joh. Ambr. Barth, Leipzig 1905, S. 891 Quellen
Empfohlene Zitierweise:
Otto Lehmann: Das Relativitätsprinzip der neue Fundamentalsatz der Physik. Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe, Bd. 23 (1909-1910), Karlsruhe 1911, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_(Lehmann).djvu/16&oldid=- (Version vom 11.8.2024)