Das Relativitätsprinzip der neue Fundamentalsatz der Physik
Charakteristisch für jedes Lebewesen ist die Fähigkeit Reize zu empfinden und seine Tätigkeit entsprechend diesen Empfindungen so zu gestalten wie es zum Zweck der Selbsterhaltung und des Wohlbefindens nötig ist. Weitaus überragt alle lebenden Geschöpfe der Mensch durch sein Selbstbewußtsein und die Fähigkeit, Naturvorgänge zu begreifen, d. h. sie durch sein eigenes Ich, seine eigene Kraft hervorgebracht zu denken, ja sogar das Kommende mit mehr oder minder großer Sicherheit voraus zu berechnen.
Die älteste Zeit, von welcher wir Kunde haben, vermutete als treibende Ursachen überall in der Natur unsichtbare, ähnlich uns selbst willkürlich schaltende Dämonen. Um Schädliches abzuhalten, blieb also nur übrig, sich diese durch Opfer und Bitten günstig zu stimmen.
Doch daß nicht alles in der Natur willkürlich ist, daß z. B. die Gestirne in ihrem Lauf festen Regeln folgen, konnte nicht verborgen bleiben und durch das Bestreben, alle solche Gesetzmäßigkeiten nach Maß und Zahl festzustellen, entstand die Physik im weiteren Sinne, die Naturwissenschaft; anfänglich in innigster Verbindung mit dem Kultus der Naturgottheiten, im alten Babylonien als Magie bezeichnet, so wie dieser Kultus selbst.
Die bereits von Dungi I 2650 v. Chr. eingeführte Längeneinheit, die babylonische Doppelelle, war fast gleich unserem heutigen Meter (0,993 m), ebenso die Zeiteinheit unserer heutigen Sekunde und die Gewichtseinheit, die schwere babylonische Mine, gleich dem Kilogramm (0,9924 kg).
Mit solchen Einheiten scheint es möglich, die Naturvorgänge völlig exakt zu beschreiben und auf die gewonnenen Zahlen Berechnungen zu gründen; doch ist auch klar, daß die Sicherheit solcher Berechnungen sehr wesentlich davon abhängen muß, inwieweit das Bild, welches wir uns von den Naturvorgängen machen, sich diesen wirklich anpaßt. Stellen wir uns, wie es in ältester Zeit geschah, die Erde vor als eine große Scheibe überdeckt von dem Himmelsgewölbe, an welchem Sonne und Sterne, nach deren Lauf wir die Zeit bestimmen, auf- und untergehen, so werden wir bald Differenzen der Zeitbestimmungen erhalten, wenn wir uns einer einmal nach der Sonne regulierten Uhr bedienen und diese von Ort zu Ort mit uns führen. Eine schöne Illustration bildet die verlorene und schließlich wegen der Zeitdifferenz doch gewonnene Wette in Jules Verne’s Reise um die Welt in 80 Tagen!
Auch die Vorstellung, die am Himmelsgewölbe gesehenen Vorgänge fänden gleichzeitig statt, ist ein großer Irrtum bezüglich der Zeit. Wir sehen, weil das Licht zur Fortpflanzung Zeit braucht, die Sonne nicht so wie sie ist, sondern wie sie vor 8 Minuten war, den Sirius so wie er vor ıo Jahren war, die entferntesten Fixsterne so wie sie vor 5000–7000 Jahren waren.
Völlig zuverlässig scheint die Bestimmung einer Stoffmenge mit Hilfe der Wage. Gäbe es nur eine Art Stoff, so brauchten wir dieselbe überhaupt nicht; es würde genügen anzugeben, wieviel das Volumen des Stoffes in Kubikmetern beträgt. Doch schon bei Heu oder Baumwolle ist die Stoffmenge im Kubikmeter sehr verschieden, je nachdem das Material lose oder zusammengepreßt ist. Das Gewicht, d. h. die Kraft, mit welcher es von der Erde angezogen wird, bleibt aber stets das gleiche, wir vermuten deshalb, das Gewicht sei das richtige Maß der Stoffmenge oder »Masse«. Da 1 cbm Blei etwa 11mal soviel wiegt als 1 cbm Holz, sagen wir die Dichte von Blei sei die 11fache von derjenigen des Holzes. – Könnte dies aber nicht daher rühren, daß Blei bei gleicher Stoffmenge 11mal stärker von der Erde angezogen wird als Holz? Dieser Meinung, es gebe Stoffe, die weniger als andere angezogen werden oder gar nicht (kalte Luft) oder die gar abgestoßen werden (heiße Luft), die Anziehung entspreche also nicht immer der Masse, war noch Aristoteles, jener bekannte Lehrer Alexanders des Großen, welcher 347—393 im Lyzeum in Athen dozierte und das erste Lehrbuch der Physik schrieb, das sehr lange z. B. in unserem physikalischen Institut (damals in Durlach) noch bis 1674 in Gebrauch war.
Aristoteles vermutete bereits, die Erde habe die Form einer Kugel, doch nahm er an, Sonne und Sterne bewegten sich um sie in kreisförmigen Bahnen, so wie es uns scheint. Die Kreisbewegung schien ihm die natürliche Bewegung der Körper. Erst Kopernikus (1543) deckte den Irrtum auf. Er zeigte, daß sich nicht die ganze Welt um die kleine Erde dreht und Galilei (1638), den man wohl als den eigentlichen Vater der Physik bezeichnet, erkannte das Trägheitsgesetz, daß nämlich die natürliche Bewegung die geradlinige ist und die »Masse« oder Trägheit eines Körpers gegeben sei durch den Quotienten seines Gewichtes und der Fallbeschleunigung, welch letztere vom Pol gegen den Äquator hin abnimmt. Alle Körper fallen gleich schnell, die spezifische Attraktionskraft der Erde auf Blei ist somit ebensogroß wie die von Holz; das verschiedene Gewicht kann nur durch verschiedene Masse bedingt sein[1]. So entstand die wichtige Bewegungsgleichung in Worten: Die »Kraft« ist gleich der Masse mal der Beschleunigung , wenn der in der Zeit zurückgelegte Weg ist.
Da die Fallbeschleunigung vom Orte abhängt, somit die Einheit der Masse, das Kilogramm, eine irreleitende »Krafteinheit« ist, benutzt man zweckmäßiger die Dezimegadyne d. h. die Kraft, welche 1 kg die Beschleunigung ı Meter pro Sekunde in der Sekunde erteilt. Fällt ein Körper, so leistet die Schwerkraft Arbeit. Als Arbeitseinheit ergibt sich naturgemäß das Joule, die Arbeit einer Dezimegadyne auf der Strecke 1 Meter und als Leistungseinheit die Arbeit von 1 Joule pro Sekunde, das Watt.
Versuche zur Konstruktion eines Perpetuum mobile haben nun zur Erkenntnis geführt, daß die Arbeitsfähigkeit oder Energie eine sich stets gleichbleibende Größe ist, wenn sie auch Wandlungen erleiden kann. So erhält der fallende Stein durch die Arbeit der Schwere Bewegungsenergie auf Kosten von Energie der Lage, und ist seine Geschwindigkeit geworden, so ist der Betrag der Bewegungsenergie Joule.
Mit Hilfe dieser Maße scheint nunmehr eine absolut genaue Beschreibung mindestens der mechanischen Naturerscheinungen möglich; doch sind noch keineswegs alle Schwierigkeiten beseitigt.
Wer hätte nicht schon in seiner frühesten Jugend zum Himmel aufblickend sich gefragt, wohin wird man gelangen, wenn man in gerader Richtung immer weiter emporsteigt?
Wir sehen die Welt erfüllt von etwa 35 Millionen Sternen, meist kugelförmiger Körper, die einen nahe kugelförmigen Raum von etwa 60 Trillionen Meter Radius erfüllen. Was kommt außerhalb dieses Raumes? Die Erde ist gar nicht fest in dem unfaßbaren Weltraum, sie bewegt sich um die Sonne und mit dieser wahrscheinlich um einen größeren und entfernteren Körper. Oder bewegt sich vielleicht das ganze Sonnensystem in gerader Richtung im Weltraum? Wie sollen wir diese absolute Bewegung feststellen, wo ist ein ruhender Pol in der Erscheinungen Flucht, wie verschaffen wir uns feste Richtungen im leeren Raum?
Ein Achsensystem, auf welches wir die Bewegungen beziehen können, ist leicht beschafft. Es bereitet keine Schwierigkeit, unsere eigene Person unendlich lang und dünn ausgestreckt zu denken zu einer Achse; die beiden Arme rechtwinklig zueinander und zu dieser Achse ausgestreckt und unendlich verlängert geben die beiden anderen Achsen des nötigen Bezugsystems. Aber dieses ruht nur scheinbar, d. h. relativ zur Erde, in Wirklichkeit wandert es im Raum mit der Erde fort und rotiert sogar mit der Erde um deren Achse, die nicht einmal ganz feste Richtung relativ zur Sternenwelt behält.
Nun lehrt unsere Galileische Bewegungsgleichung eine Beziehung zwischen Kraft und Beschleunigung, d. h. Änderung der Geschwindigkeit pro Sekunde, wobei Geschwindigkeit der in einer Sekunde zurückgelegte Weg ist. Wir können aber die wirklich von einem Körper zurückgelegten Wege gar nicht messen, es fehlt ja ein fester Punkt und ein festes Bezugssystem zur Messung absoluter Bewegung. Die Erde, auf welcher unser bewegliches Bezugssystem angebracht ist, schießt mit einer Geschwindigkeit von rund 30000 Metern pro Sekunde relativ zur Sonne durch den Weltraum, d. h. 30mal so schnell als die schnellste Kanonenkugel, ganz abgesehen von ihrer Rotation. Sollte sich davon bei den physikalischen Erscheinungen gar nichts bemerkbar machen, sollte alles so verlaufen, als ob die Erde sich in absoluter Ruhe befände?
Galilei antwortet hierauf mit »Ja!«. Bewegungen stören sich gegenseitig nicht, jede erfolgt so, als ob die andere nicht vorhanden wäre (Parallelogramm der Geschwindigkeiten). Eben weil in der Bewegungsgleichung die Geschwindigkeit gar nicht vorkommt, sondern nur deren Änderung, ist der gleichmäßige Bewegungszustand der Erde (Translation, nicht die Rotation) ganz ohne Einfluß auf die mechanischen Erscheinungen. Durch sie können keine Kräfte geweckt werden. In der Tat bemerken wir auch in einem ruhig fahrenden Eisenbahnwagen trotz der Geschwindigkeit nichts von der Bewegung, nur wenn eine Kurve durchfahren oder plötzlich gebremst wird, macht sich die Trägheit unserer Masse deutlich bemerklich; ebenso die Rotation der Erde bei Foucaults Pendelversuch.
Dies ist das Galileische Relativitätsprinzip der Mechanik, welches so ausgesprochen werden kann: Es gibt keine mechanische Erscheinung, durch welche wir von gleichmäßiger absoluter Translationsbewegung im Raum Kenntnis erhalten könnten, wir können immer nur relative Bewegungen erfahren und messen. Sind die Koordinaten einer punktförmigen Masse in einem ruhenden Bezugssystem, dessen -Achse die Richtung der Bewegung hat, , so wären sie in einem sich stets mit der Geschwindigkeit bewegenden Bezugssystem zur Zeit Sekunden . Sind die Bewegungsgleichungen, welche die Kraftkomponenten für das ruhende System geben, bekannt, so können sie durch die angegebenen Beziehungen auf das bewegte System »transformiert« werden. Das Relativitätsprinzip sagt aus, daß sie durch solche »Galilei-Transformation« keine Änderung erfahren, es treten nur an Stelle von .
Zu dem Begriff »Kraft« gelangen wir durch die Empfindung der Muskelanstrengung, wenn wir einen Körper in Bewegung versetzen. Wir fühlen, daß unser Ich gemäß unserm Willen die Kraft ausübt; darum können wir jegliche Kraftwirkung nur begreifen, d. h. in Gedanken nachahmen, wenn wir das Agens kennen, welches die Kraft ausübt, den »Träger der Kraft«.
Auf Grund der Kepplerschen Beobachtungen über die Bewegung der Planeten ist Newton 1666 auf Grund von Galileis Bewegungsgesetz zu dem Ergebnis gekommen: Eine Masse von kg übt auf eine Masse von kg im Abstand von Metern die Kraft
aus. Dies ist Newtons berühmtes Gravitationsgesetz. Diesem gemäß zieht die Sonne beständig die Erde an, letztere kann sich nicht der Trägheit folgend geradlinig im Raume weiter bewegen. Wie aber vermag die Sonne jeweils zu bemerken, wo sich die Erde gerade befindet, um eine dem Gesetz entsprechende Kraft auf sie auszuüben? Sie hat ja nicht einmal Augen!
Begreiflich wird die Sache nur dadurch, daß wir annehmen, die Sonne sei von einem »Kraftfeld« umgeben, in welchem an jeder Stelle die dem Abstand entsprechende Kraft in der Richtung des Radius vorhanden ist, so daß die Erde, wenn sie dahin kommt, von der Kraft sofort erfaßt wird. Dieses ganze unendliche Kraftfeld wandert beständig mit der Sonne durch den Weltraum. Ein ganz ähnliches Kraftfeld, nur von geringerer Stärke besitzt auch die Erde. Es dreht sich mit ihr, die äußersten Teile mit unendlicher Geschwindigkeit.
Die Erde vermag deshalb die Sonne anzuziehen. Merkwürdigerweise sagt nun das Gravitationsgesetz aus, diese Kraft der Erde sei genau ebenso groß wie die Kraft der Sonne auf die Erde! Dies ist Newtons Axiom der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung, ein sogenannter selbstverständlicher Satz, obschon in Wirklichkeit nichts weniger als selbstverständlich!
Wer könnte sich übrigens vorstellen, inwiefern die Kraft, losgelöst von ihrem Träger, der Sonne, frei im Kraftfeld wirken soll? Eine Materie kann dort nicht der Träger sein, denn die Kraftfelder von Sonne und Erde durchdringen sich ungehindert, Materien aber können sich nicht durchdringen!
Die Sache wurde noch komplizierter durch Entdeckung der elektrischen und magnetischen Kräfte. Coulomb (1785) fand, daß sich zwei elektrische Ladungen von bezw. Coulomb[WS 1] beeinflussen mit der Kraft
und zwei Magnetpole von bezw. Weber[2] mit der Kraft
Auch für solche elektrische und magnetische Kräfte gilt also das für die Gravitationskraft Gesagte. Zu den sich durchdringenden Gravitationsfeldern kommen noch die (sowohl diese, wie auch sich gegenseitig durchdringenden) elektrischen und magnetischen Felder und alle Felder bewegen sich, trotz ihrer unendlichen Ausdehnung, samt den zugehörigen Körpern durch den Weltraum, ohne sich im geringsten zu stören.
Biot und Savart (1820) fanden weiter, daß ein geradliniger Strom, also auch geradlinig bewegte Elektrizität, ein magnetisches Feld um sich erzeugt, derart, daß ein Pol von Weber Stärke darum zu rotieren sucht mit der Kraft
wenn die Stromstärke in Ampere bedeutet, d. h. die Zahl Coulomb, welche pro Sekunde vorbeigehen. Umgekehrt entsteht, wie Faraday (1831) konstatierte, durch bewegten Magnetismus elektrische Spannung oder Strom, und zwar nach demselben Gesetz, so daß wenn die Stärke des Induktionsstromes ist, falls der Pol im Abstande den Leiter umkreist, die dazu erforderliche Kraft bedeutet.
Kreist die Elektrizität in einer Spule, so entsteht in deren Achse ein magnetisches Feld; verschiebt sich ein Magnet in der Achse der Spule, so wird in dieser ein Strom induziert. Auch hier gilt also das Gesetz von Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung. Dieselbe Kraft erscheint als magnetische, indem sie den Magnetpol bewegt und als elektrische, indem sie den Induktionsstrom erzeugt. Man spricht deshalb von einem »elektromagnetischen Feld«.
Ist der Leiter nicht geschlossen, so daß kein Strom entstehen kann, so tritt an den Enden eine Spannungsdifferenz hervor, die, gemessen in Volt gleich der Anzahl Kraftlinien ist, von welchen der Leiter pro Sekunde geschnitten wird.
Zu den ursprünglich vorhandenen und bei Erregung von Elektrizität und Magnetismus entstehenden Kraftfeldern kommen also noch solche, die vom jeweiligen Bewegungszustande der Körper abhängig sind, alle bis ins Unendliche ausgedehnt und die übrigen durchdringend; ohne einen Träger, den man sich vorstellen könnte.
Im übrigen kann der Raum nicht einmal als leer angenommen werden. Die Interferenzerscheinungen haben nämlich ergeben, daß das Licht notwendig eine Wellenerscheinung sein muß; die Polarisationserscheinungen, daß die Wellen notwendig transversale sein müssen. Demnach mußte man sich den Weltraum und jeden andern leeren Raum mit einem Medium, dem Äther ausgefüllt denken, in welchem die Wellen fortschreiten. Da die dem Gravitationsgesetz entsprechende Bewegung der Planeten trotz ihrer ungeheueren Geschwindigkeiten keinen merklichen Widerstand erfährt, muß der Äther sehr fein sein, dennoch aber ein fester Körper von weit größerer Elastizität als der Stahl, weil eben in einem gasförmigen oder flüssigen Medium keine Transversalwellen möglich sind. Wollte man nun selbst auch die Existenz eines so feinen hochelastischen festen Körpers zugeben, so wäre doch unverständlich, warum nicht neben transversalen Lichtwellen auch longitudinale zu beobachten sind, deren Existenz schon nach dem Energieprinzip völlig ausgeschlossen ist.
Faraday kam deshalb auf den Gedanken, das Licht möchte nicht eine mechanische, sondern eine elektromagnetische Wellenerscheinung sein, bei der abwechselnd elektrische Verschiebungen magnetische Felder erzeugen und diese wieder elektrische, wie es den oben erwähnten Gesetzen entspricht. Durch Maxwells (1873) theoretische Arbeiten und die berühmten Experimentaluntersuchungen von H. Hertz (1888) wurde schließlich diese »elektromagnetische Lichttheorie« zur Gewißheit erhoben.
Nun pflanzt sich das Licht im leeren Raum mit einer Geschwindigkeit von 300 Millionen Meter pro Sekunde fort. Dasselbe muß somit auch für die elektrischen und magnetischen Felder gelten, wie Hertz durch seine klassischen Experimente bestätigt fand. Daraus folgt zweierlei, daß nämlich der »Äther« auch der Träger der elektrischen und magnetischen Kräfte sein muß und daß diese Kraftfelder sich im allgemeinen nicht ins Unendliche ausdehnen, weil sie sich nur mit der Geschwindigkeit des Lichtes ausbreiten können. Faraday suchte sich ein genaueres Bild der Kraftträger zu machen, indem er die in jedem Moment tatsächlich vorhandenen Kraftrichtungen durch »Kraftlinien« darstellte und sich diese »Kraftfäden« gewissermaßen als Muskeln dachte, die das Bestreben haben, der Länge nach sich zusammenzuziehen und der Quere nach sich auszudehnen. Weil sie an den Körpern befestigt sind und sich gegenseitig nicht durchdringen können, müssen solche Kraftfäden Kräfte auf die Körper (ponderomotorischen Kräfte) ausüben, wie man sie tatsächlich beobachtet.
Maxwell und später Heaviside (1886) und Hertz (1889) gaben den erwähnten Gesetzen von Biot und Savart (Gesetz I) sowie von Faraday (Gesetz II) solche Form, daß sie diese Vorstellung zum Ausdruck brachten, nämlich (für einen Isolator):
wozu noch je zwei weitere Gleichungen zu schreiben sind, die durch zyklische Vertauschung von entstehen. bedeutet dabei die magnetische, die elektrische Kraft auf einem Einheitspol mit den Komponenten bezw. , die magnetische Permeabilität, die Dielektrizitätskonstante, die Lichtgeschwindigkeit und die Zeit, alles in CGS-Einheiten gemessen. Dabei mußte angenommen werden, auch der Äther sei elektrisch erregbar wie ein materieller Isolator und Änderung der elektrischen Polarisation könne ebenso ein magnetisches Feld erzeugen wie ein elektrischer Strom oder mechanisch bewegte Elektrizität, ferner bilde stets die elektrische Verschiebung im Äther die gleich starke Fortsetzung eines ungeschlossenen Stromes, die diesen zu einem geschlossenen ergänze.
Natürlich sollten die Gesetze der Mechanik, also insbesondere Newtons Gesetz der »Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung« sowie Galileis »Relativitätsprinzip« durchaus aufrecht erhalten werden, denn man zweifelte nicht an der Begreiflichkeit der Erscheinungen. So sagte Hertz (1894): »Alle Physiker sind einstimmig darin, daß es die Aufgabe der Physik sei, die Erscheinungen der Natur auf die einfachen Gesetze der Mechanik zurückzuführen«. Er erhoffte solche Aufklärung von der Aufdeckung »verborgener Bewegungen«, die Kraftübertragung durch starre Kuppelungsglieder bewirken, wie etwa bei einer »Nürnberger Scheere«. Insofern nun aber die Kräfte auch auf den Äther wirkten, wenn derselbe elektrisch erregt war, mußte diesem Trägheit zugeschrieben werden, wie gewöhnlicher Materie, d. h. eine Masse, die aber nicht mit der Wage in Kilogrammen zu messen war; und um das Relativitätsprinzip aufrecht zu erhalten, mußte weiter angenommen werden, der Äther bewege sich bei der Bewegung von Körpern vollkommen mit, die Körper seien für den Äther undurchdringlich. Demgemäß müßte also beim Steigen der Säule eines Barometers der im Toricellischen Vakuum befindliche Äther zusammengedrückt werden, doch ist davon nichts zu bemerken. Von der Erde die sich mit 30000 Meter Geschwindigkeit durch den Raum bewegt, müßte der Äther mitgenommen, auf der Frontseite vielleicht stark verdichtet werden wie die Luft vor einem fliegenden Geschoß. Dies müßte sich bei astronomischen Beobachtungen verraten; doch lassen diese nur eine sog. Aberration des Lichtes erkennen von solcher Größe, als ob der Äther vollkommen ruhte und von der Erde in keiner Weise beeinflußt würde.
Dazu kamen andere Schwierigkeiten. Das Entropieprinzip, die chemischen Erscheinungen und zahlreiche andere, insbesondere aber die Dispersion und Absorption des Lichtes ließen sich nur verstehen unter der Annahme der Molekularkonstitution der Körper sowie von Elektrizitätsteilchen (Elektronen) in den Molekülen und von Äther in deren Umgebung. Bei Bewegung der Materie mußte dieser innere Äther vollkommen mitgenommen werden. Fizeau hat nun sorgfältige Versuche darüber ausgeführt, ob, wie dann der Fall sein müßte, das Licht in fließendem Wasser vom Wasser mitgenommen wird, wie etwa die Schallwellen vom Winde d. h. ob die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes in gleichsinnig bewegter Materie um den Betrag dieser Geschwindigkeit vergrößert erscheint. Dabei ergab sich allerdings eine Mitführung, doch keineswegs eine solche von dem erwarteten Betrage; für Luftströme war sie überhaupt nicht vorhanden, wie wenn der Äther auch in stark bewegter Luft vollkommen ruhte!
Tatsächlich gelang es nun H. A. Lorentz[3] auf Grund dieser Hypothesen des vollkommen ruhenden Äthers und der atomistischen Struktur der Elektrizität (Elektronentheorie), die Erscheinungen befriedigend zu deuten und den Maxwell-Hertzschen Gleichungen eine Form zu geben, aus welcher ersehen werden konnte, daß die Bewegung der Materie relativ zum Äther unter gewöhnlichen Verhältnissen unmöglich erkannt werden kann.
Schließlich wurde aber merkwürdigerweise doch ein Versuch bekannt, der durchaus unvereinbar war mit der neuen Theorie und die Zuziehung einer sehr eigenartigen Hypothese (der »Lorentzkontraktion«) nötig machte.
Die Längeneinheit, das Meter, ist die Länge eines in Paris aufbewahrten Platinstabs. Die Stoffe erleiden nun Veränderungen ihrer Länge durch Änderungen der Temperatur. Diese Änderungen sind zuweilen teilweise bleibend. Um sicher zu sein, daß das Meter solche Änderungen nicht erleide, mußte man es mit einer unveränderlichen Länge vergleichen. Als solche bot sich die Wellenlänge des Lichtes d. h. einer bestimmten Lichtart, die etwa ein halbes Tausendstel Millimeter beträgt[4]. Vergleichungen wurden von Michelson ausgeführt. Dabei mußte wieder die Frage untersucht werden, wie ändert sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit oder die Wellenlänge des Lichtes, wenn der Apparat, der einmal so aufgestellt ist, daß sich das Licht in gleicher Weise wie die Erde bewegt, das andermal, wenn er um 90° gedreht wird. Nahm man in Übereinstimmung mit den genannten Versuchen an, der Äther verhalte sich als ruhend, so mußte man eine gut meßbare Verschiedenheit finden, welche im Gegensatz zu dem Relativitätsprinzip eine Messung der absoluten Geschwindigkeit, mit welcher sich die Erde durch den Raum (den ruhenden Äther) bewegt, zugelassen hätte. Der Gedankengang des Versuchs ist der folgende:
Von gehe ein Lichtstrahl nach dem Spiegel und werde von diesem nach zurückgeworfen. Nun bewege sich die Erde so, daß der Spiegel beim Auftreffen des Strahls, welcher im ruhenden Äther fortschreitend zu denken ist, sich bei befindet. Der Strahl, dessen Geschwindigkeit nach dem Relativitätsprinzip nicht davon abhängig sein kann, ob die Lichtquelle sich bewegt oder ruht, hat also die Strecke mehr zu durchlaufen. Bei der Rückkehr findet er aber den Punkt nicht mehr an seiner Stelle, denn infolge der Erdbewegung hatte sich dieser, als der Strahl bei auftraf, bis verschoben und bei der Rückkehr des Strahls nach . Der Mehrweg den der Strahl zu durchlaufen hat infolge der Erdbewegung ist somit . Ist die Strecke , die Geschwindigkeit der Erde , die des Lichtes , so ergibt sich durch einfache Rechnung falls in der Richtung der Erdbewegung liegt. Liegt es dagegen senkrecht dazu, so wird die Differenz . Der Unterschied dieser beiden Differenzen ist . Dieser Unterschied müßte sich bemerklich machen, wenn man zwei Strahlen, von welchen sich der eine in der Richtung der Erdbewegung, der andere in der Richtung senkrecht dazu fortbewegt hatte, zur Interferenz bringt.
Der Versuch ergab nun das höchst auffallende Resultat, daß eine solche Änderung der Interferenz der Lichtstrahlen nicht auftritt. Das Relativitätsprinzip, welches aussagt, daß wir stets nur relative, niemals absolute Bewegung der Körper beobachten und nachweisen können, gilt somit nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik und Optik, also im Gesamtgebiet der Physik.
Bewegt sich z. B. ein Magnet in der Nähe eines ruhenden geschlossenen Leiters, so erzeugt er ein elektrisches Feld, in welchem Energie angehäuft ist, auf deren Kosten in dem Leiter ein Induktionsstrom entsteht. Ruht der Magnet und bewegt sich der Leiter, so entsteht ein solches elektrisches Feld nicht, es tritt aber eine elektromotorische Kraft auf, die genau denselben aber entgegengesetzten Induktionsstrom erzeugt. Bewegen sich beide zugleich, so heben sich die beiden Induktionsströme auf.
Damit ist ein neuer ungemein wichtiger Fundamentalsatz der Physik gewonnen, der sich hinsichtlich seiner Bedeutung anschließt an den Satz von der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile und dem auch ähnliche Fruchtbarkeit zukommen dürfte, insofern man nur nötig hat, Erscheinungen aufzusuchen, bei welchen sich, wenn auch nur theoretisch, die Existenz absoluter Bewegung z. B. der Erde geltend machen müßte. Der Ansatz, daß ein solcher Einfluß tatsächlich nicht existieren kann, ergibt sofort ein neues Naturgesetz, ähnlich wie zahlreiche Naturgesetze sich einfach durch den Ansatz ergeben, daß ein Perpetuum mobile nicht existieren kann.
Stellen wir z. B. eine Magnetnadel zwischen die entgegengesetzt geladenen Platten eines ruhenden Luftkondensators, so wird sie natürlich durch die Ladungen nicht beeinflußt. Bewegen sich nun aber die Platten etwa mit der Erde in ihrer Ebene, so muß ein kräftiges Magnetfeld entstehen, dessen Kraftlinien den Platten parallel sind. Das Relativprinzip verbietet aber, daß uns die Magnetnadel das Auftreten dieses Feldes anzeigt, somit muß durch die Bewegung ihrer Pole in dem elektrischen Feld eine genau ebensogroße entgegengesetzte Kraft geweckt werden.
Bei dem Versuch von Michelson müßten die beiden Strahlen, wenn am Apparat alles unverändert bliebe, die Gangdifferenz haben und demgemäß interferieren. Wie gezeigt geschieht dies in Wirklichkeit nicht; somit muß sich infolge der Bewegung der Apparat geändert, er muß sich in der Bewegungsrichtung im Verhältnis verkürzt haben! Dies läßt sich natürlich nicht nachweisen, denn es gilt für jeden Stoff und jeden Körper. Ein Meterstab, den wir in die Richtung der Erdbewegung halten, kontrahiert sich, ohne daß wir es bemerken, für einen ruhend gedachten Beobachter auf die Länge Meter, wobei die Erd- und die Luftgeschwindigkeit ist. Drehen wir ihn um 90°, so nimmt er wieder die frühere Länge an. Eine Kugel kontrahiert sich zu einem Ellipsoid (Heaviside-Ellipsoid), und falls Lichtgeschwindigkeit erreicht wird, zu einer ebenen Scheibe von gleichem Durchmesser wie die Kugel.
Da die Lichtgeschwindigkeit konstant ist, könnte man wohl denken, es wäre möglich, die nach ihrem Entdecker genannte »Lorentzkontraktion« durch Messung der Lichtgeschwindigkeit nachzuweisen. Dann könnten wir ja aber die absolute Bewegung der Erde nachweisen, was dem Relativitätssatz widerspricht! Es kontrahieren sich folglich nicht nur die Längen, sondern auch die Zeiten!
Nehmen wir an, ein Beobachter bei habe eine völlig fehlerfreie Uhr, welche genau synchron geht mit der eines Beobachters bei , wenn sie im ruhenden Zustand damit verglichen wird. Um nun während der Bewegung eine Vergleichung des Ganges vornehmen zu können, müssen etwa so, wie täglich vom Pariser Observatorium durch die Apparate für drahtlose Telegraphie um Mitternacht die richtige Zeit allen auf der See befindlichen Schiffen bis ca. 6000 Kilometer Entfernung durch besondere Zeichen mitgeteilt wird, Signale von nach gegeben werden, wobei natürlich zu berücksichtigen ist, daß diese Signale um die Zeit, welche die elektromagnetische Strahlung brauchte, um die Strecke zu durchlaufen, verspätet ankommen. Diese Strecke hat aber für den bewegten Beobachter eine größere Länge als für den ruhenden. Wenn also momentan zurücksignalisiert und die gleiche Korrektion berechnet, so wird dieser einen andern Wert derselben erhalten und folglich glauben, habe nicht die richtige Zeit; dessen Uhr gehe langsamer als die seinige. Man kann, wie man sieht, durch solche telegraphische und optische Signale wohl alle Uhren auf der bewegten Erde in übereinstimmenden Gang bringen, aber einem ruhenden Beobachter scheinen sie im Verhältnis langsamer zu gehen als die ruhenden Uhren.
Hat man zwei genau gleich gehende Uhren nebeneinander und bewegt nun die eine auf einer beliebigen Kurve bis wieder zur anderen zurück, welche Bewegung Sekunden gedauert haben möge, so geht sie gegen diese um oder annähernd Sekunden zu spät, weil sie während der Bewegung auf langsameren Gang reguliert werden mußte, um mit der ruhenden Uhr in Übereinstimmung zu bleiben.
Durch keinerlei optische Signale u. dgl. von einer ruhenden Station aus können wir dieses Langsamergehen der bewegten Uhren konstatieren, dies widerspräche eben dem Relativitätsprinzip, denn man könnte so die absolute Bewegung konstatieren.
Da nach diesem Prinzip überhaupt auch jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, absolute Bewegung zu definieren, entfällt vor allem die Existenz des Äthers vollständig, obschon noch 1902 der hervorragende Physiker Chwolson in seinem großen Lehrbuch der Physik schreiben konnte: »Die Wahrscheinlichkeit der Hypothese von der Existenz dieses einen Agens (des Äthers) grenzt außerordentlich nahe an Gewißheit«.
Der Äther mußte nach dem Gesagten als absolut ruhend gedacht werden, während das Relativitätsprinzip auch den Begriff der absoluten Ruhe als undefinierbar zurückweist. Denken wir uns den Weltraum ganz leer, nur mit Äther erfüllt, so gibt es keinerlei Marke, nach welcher wir den Ruhezustand des Äthers beurteilen könnten. Somit ist die Existenz des Äthers unannehmbar.
Mit dem Äther zerrinnt aber weiterhin die Grundlage der Faraday-Maxwell-Hertzschen »Ätherkraftfeldertheorie« in Nichts; diese Theorie ist ebenso unhaltbar geworden wie die alte Newton-Coulombsche Fernewirkungstheorie.
Es entfällt ferner auch die Grundlage der Auffassung von H. A. Lorentz, welcher glaubte, die Kontraktion der Längen in der Bewegungsrichtung auf Änderung der Molekularkräfte bei der Verschiebung der Moleküle in dem ruhenden Äther zurückführen zu können und ebenso den verlangsamten Gang der Uhren auf Änderung der Elastizität der Feder der Unruhe usw. Die Änderungen der Längen und Zeiten sind gar keine wirklichen, sondern nur scheinbare, beruhend auf unserer Unfähigkeit absolute Größen zu messen, wie zuerst der Entdecker des neuen Relativitätsprinzips, Einstein in Bern, im Jahre 1905 erkannte[5]. Befindet sich z. B. ein Beobachter in einem Eisenbahnzug, der andere außerhalb und besitzen beide Meterstäbe, die sie genau übereinstimmend befunden haben, so wird, falls der Zug in Bewegung ist und die Vergleichung nochmals vorgenommen werden könnte, der ruhende Beobachter glauben, der Meterstab des andern habe sich verkürzt. Umgekehrt wird der fahrende behaupten, der ruhende Meterstab sei kürzer geworden, denn welcher Beobachter sich wirklich (absolut) bewegt, kann eben nicht entschieden werden, man kann sowohl den einen wie den andern absolut ruhend denken. Analoges wird sich zeigen bei Vergleichung der beiderseitigen Uhren. Jeder Beobachter wird dem andern vorwerfen, dessen Uhr sei nicht richtig reguliert, sie gehe zu langsam!
Wir sehen hieraus, daß die fundamentalen Größen Länge und Zeit, d. h. die Zahlen, die wir durch Benutzung unserer Einheiten finden, keineswegs die absolute Sicherheit haben, welche eingangs als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. Nur vereinigt bestimmen sie absolute Größen, wie z. B. die Lichtgeschwindigkeit. »Von Stund an sollen Raum für sich und Zeit für sich völlig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren«, äußerte sich in einem Vortrage auf der Naturforscherversammlung in Köln 1908 der verstorbene Göttinger Mathematiker Minkowski, dem es gelungen ist, die Relativitätstheorie in eine elegante mathematische Form zu bringen[6].
Wie schwer es ist, sich an diese neue Art der Auffassung zu gewöhnen, erfuhr schon Einstein selber, welcher sagt, er habe wochenlang nachdenken müssen, bis ihm die Resultate seiner Formeln nicht mehr widersinnig vorgekommen seien. Minkowski bezeichnete seine eigene Auffassung als »Verwegenheit mathematischer Kultur«! M. Planck in Berlin sagt: »Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, daß diese neue Auffassung des Zeitbegriffs an die Abstraktionsfähigkeit und an die Einbildungskraft des Physikers die allerhöchsten Anforderungen stellt. Sie übertrifft an Kühnheit wohl alles, was bisher in der spekulativen Naturforschung, ja in der philosophischen Erkenntnistheorie geleistet wurde; die nichteuklidische Geometrie ist Kinderspiel dagegen. Und doch beansprucht das Relativitätsprinzip im Gegensatz zur nichteuklidischen Geometrie die bisher nur für die reine Mathematik ernstlich in Betracht kommt, mit vollem Recht reelle physikalische Bedeutung. Mit der durch dies Prinzip im Bereiche der physikalischen Weltanschauung hervorgerufenen Umwälzung ist an Ausdehnung und Tiefe wohl nur noch die durch Einführung des Kopernikanischen Weltsystems bedingte zu vergleichen.«
Indem die Einstein-Minkowskische Relativitätstheorie auf die Existenz eines Äthers verzichtet, verzichtet sie damit selbstverständlich auch auf jede Möglichkeit, die elektrodynamischen und optischen Erscheinungen mechanisch zu begreifen, das »Wesen von Elektrizität und Magnetismus« zu ermitteln. Wir haben im elektromagnetischen Feld wohl Kräfte, aber keine Träger derselben, wir können nur sagen, sie sind vorhanden, wir sind aber nicht imstande in Gedanken unser eigenes Ich als Träger zu setzen.
Demnach wird man zweckmäßiger auf den Begriff »Kraft« ganz verzichten und z. B. das Gravitationsgesetz so aussprechen:
oder das Coulombsche Gesetz
wenn die Masse des durch die elektrische Kraft bewegten Körpers in Kilogramm ist, dessen Beschleunigung.
Das eigentliche Ziel der Physik, exakte Beschreibung der Naturerscheinungen, welche Berechnung des Kommenden ermöglicht, wird dadurch nicht berührt, im Gegenteil ergeben sich durch Anwendung des Relativitätsprinzips, wie schon erwähnt, eine Menge neuer quantitativer Beziehungen.
Beispielsweise kann man sagen, so wenig wie optische Signale, könnten auch andere, etwa akustische, dazu dienen, die Übereinstimmung der Längen und Zeiten für bewegte und ruhende Beobachter zu konstatieren, d. h. wir müssen annehmen, daß sich auch die Schallgeschwindigkeit entsprechend der Bewegung ändert (aber nicht für einen mitbewegten Beobachter). Selbst die Benutzung der Planetenbewegung würde uns nicht zum Ziele führen können, d. h. auch die Gravitationskraft muß sich mit der Bewegung für einen ruhenden Beobachter in dem Sinne ändern, daß sie nicht, wie Newton glaubte, überall sofort in richtiger Stärke auftritt, sondern eine endliche Ausbreitungsgeschwindigkeit besitzt ähnlich wie die elektrischen und magnetischen Kräfte.
Die Maxwell-Hertzschen Gleichungen müssen dem Relativitätsprinzip entsprechend in eine andere Form gebracht werden. In besonders übersichtlicher Weise ist dies Minkowski gelungen, indem er die Zeit ebenfalls als Koordinate behandelte, welche in Metern gemessen werden kann. Multipliziert man nämlich die Zeit mit der Lichtgeschwindigkeit, so erhält man den »Lichtweg«. So kann man z. B. statt 1 Sekunde sagen m, denn in 1 Sekunde legt das Licht m zurück. In diesem Sinne könnten sich zwei Freunde verabreden, wir treffen uns nach etwa einer Billion Meter, womit sie meinen, nach etwa einer Stunde, denn in einer Stunde schreitet ein Lichtstrahl um etwa m fort. Man kann diese vierte Koordinate ganz ähnlich behandeln wie die übrigen, d. h. so, als hätte der Raum vier Dimensionen.
Ist z. B. ein Punkt gezwungen, sich in einer Ebene zu bewegen, in welcher seine Koordinaten und sind, so könnte die Zeit durch den Lichtweg in der Art ausgedrückt werden, daß man die Ebene um die Strecke in Richtung ihrer Normalen verschiebt. Die Bewegung des Punktes würde dann dargestellt durch eine Raumkurve, deren Gleichung eine Beziehung zwischen und ist. Man kann aber eventuell als dritte Koordinate auffassen und kann und beliebig vertauschen, d. h. als gleichwertig betrachten. Gleiches gilt für die »Weltlinie« eines »Raumzeitpunktes«, dessen Koordinaten und (od. ) sind. In einem solchen vierdimensionalen Raum herrscht natürlich ewige Ruhe; die ganze Lebensgeschichte eines jeden Punktes erscheint als unendlich lange Raumkurve und die Naturgesetze präsentieren sich als geometrische Beziehungen zwischen den den Raum erfüllenden Weltlinien. Auch hier bleibt eine gewisse Freiheit, welche Koordinaten man als Zeitkoordinaten betrachten will. So werden beispielsweise die Komponenten der Geschwindigkeit:
worin die Ortszeit, d. h. die von der bewegten Uhr, die von der ruhenden Uhr angebene Zeit bedeutet. Die Komponenten der Beschleunigung sind entsprechend:
Sind die gewöhnlichen Kraftkomponenten, so werden die neuen:
und die Bewegungsgleichungen:
Die Masse ist keine konstante Größe, wie früher angenommen wurde, sondern hängt von der Geschwindigkeit und von dem schon vorhandenen Bewegungszustand ab, d. h. davon, ob der Masse eine Beschleunigung in der Richtung der vorhandenen Bewegung erteilt werden soll, oder senkrecht dazu. Die erstere, die longitudinale Masse ist, wenn die Ruhmasse bedeutet, , die andere, die transversale Masse ist . Für Lichtgeschwindigkeit wird die Masse unendlich. Die kinetische Energie ist , d. h. das gewöhnliche Maß, das Produkt , ist nur ein Teil des ganzen Ausdrucks. Im vierdimensionalen Raum von Minkowski ist die kinetische Energie , d. h. das Produkt der Masse des bewegten Punktes mit dem Vorgehen der ruhenden Uhr gegen eine mitbewegte Uhr.
Alle Sätze der Mechanik lassen sich mittels des Relativitätsprinzips aus dem Gesetz der Erhaltung der Energie ableiten, erleiden aber Änderungen. Z. B. gilt nicht mehr einfach das Gesetz vom Parallelogramm der Geschwindigkeiten, denn niemals kann eine größere Geschwindigkeit als die Lichtgeschwindigkeit resultieren. Die Lichtgeschwindigkeit, d. h. diejenige bei welcher Atome und Elektronen zu unendlich dünnen Platten kontrahiert erscheinen, ist die größte denkbare Geschwindigkeit.
Die Maxwell-Hertzschen Gleichungen werden, wie schon Lorenz und Einstein abgeleitet haben:
Darin bedeuten und elektrische Kraft (Feldstärke) und elektrische Erregung (Polarisation, Ladung); und magnetische Kraft (Feldstärke) und magnetische Erregung (Induktion), Leitungsstrom, Dichte der (wahren) Elektrizität, Geschwindigkeit der Materie, Geschwindigkeit des Lichtes und Zeit. Ferner bedeuten[7]:
wobei die Richtungskosinusse sind (Rotation bei in sich zurücklaufenden, z. B. konzentrischen Kraftlinien, Wirbel, curl) und:
(Divergenz bei radial verlaufenden Kraftlinien, Quellen, Senken).
Dazu kommen noch Nebenbedingungen, speziell für isotrope Körper:
wenn die Dielektrizitätskonstante und die Permeabilität bedeuten[8].
Sind die Koordinaten eines ruhenden Raumzeitpunktes in einem ruhenden Bezugssystem , in einem (entsprechend der oben besprochenen Galilei-Transformation) mitbewegten , so bestehen die Transformationsgleichungen: , worin und das Relativitätsprinzip sagt aus, daß durch eine solche »Lorentz-Transformation« die physikalischen Gesetze keine Änderung erleiden, was für die obigen und die Minkowskischen Formeln zutrifft.
Neben Länge und Zeit bilden nach bisheriger Auffassung, wie eingangs gezeigt, die »Masse« und die »Energie« fundamentale absolute Größen. Auch diese fallen als solche nach dem Relativitätsprinzip.
Das Gesetz der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung läßt sich nach Beseitigung des Hertzschen trägen Äthers nur durch Einführung der elektromagnetischen Bewegungsgröße aufrecht erhalten[9]. Ein Licht strahlender Körper erleidet durch die Strahlung einen Druck; der Gegendruck erfolgt erst, wenn diese einen absorbierenden Körper erreicht; demgemäß muß der Strahlung ebenfalls eine Druckkraft, eben die elektromagnetische Bewegungsgröße, zugeschrieben werden.
Die Masse, obschon bisher, wenigstens in Form der wägbaren Masse, ein Grundpfeiler der Chemie, genügt nicht mehr dem Gesetz der Erhaltung des Stoffs, denn sie ändert sich mit der in ihr enthaltenen Energie.
Verliert ein strahlender Körper die Energiemenge , so verliert er infolgedessen gleichzeitig an Masse den Betrag , wenn die Lichtgeschwindigkeit. Bei der Absorption nimmt die Masse des absorbierenden Körpers um eben so viel zu. Masse und Energie erscheinen also äquivalent, ähnlich wie Wärme und Energie. Gleiches gilt in andern Fällen von Energieänderung.
Demgemäß erfordert das Relativitätsprinzip eine Umgestaltung der Thermodynamik. Temperatur und Energie sind ähnlich wie das Volumen eines Körpers vom Bewegungszustand abhängig, Druck und Entropie dagegen werden davon nicht beeinflußt! Jede Abgabe von Wärme bedingt Abnahme der Trägheit, wenn auch nur sehr wenig. Ist ein Körper von Strahlung erfüllt – und solche entsteht immer, sobald ein Elektron seinen Bewegungszustand ändert —, so muß, falls derselbe in Bewegung gesetzt wird, die bewegende Kraft Arbeit leisten gegen den Strahlungsdruck wie gegen eine träge Masse. Die Energie des Körpers ist also nicht einfach die Summe seiner Wärme und Bewegungsenergie. An Stelle des Prinzips der Erhaltung der Energie muß das Prinzip der kleinsten Wirkung[10] verwendet werden.
Zum Verständnis des Begriffs Masse, insbesondere der Erscheinungen der Kristallisation, Lösung, Diffusion, chemischer Verbindung usw. mußte die Masse aus kleinen Individuen, Atomen bestehend angenommen werden, welche wir in Gedanken durch unser eigenes unteilbares Ich ersetzen können. Nachdem, wie gezeigt, das Relativitätsprinzip dazu führt, auf solche Begreiflichkeit der Erscheinungen ganz zu verzichten, könnte scheinen, daß auch die Molekulartheorie fallen muß.
Es läßt sich indes zeigen, daß der zweite Hauptsatz der Thermodynamik, das Anwachsen der Entropie nur verständlich erscheint unter Annahme atomistischer Konstitution der Materie. Nur auf solche Weise ergeben sich irreversible Prozesse, wie sie jenes Gesetz voraussetzt, während die elementaren Gesetze der Mechanik und Elektrizitätslehre alle Vorgänge als umkehrbar erscheinen lassen. Bei der völligen Unordnung molekularer Vorgänge muß sich der Zustand dem wahrscheinlichsten zu nähern suchen. Beispielsweise ist bei ungleichmäßiger Verteilung der Bewegungsenergie der Moleküle, d. h. der Temperatur, zu erwarten, daß sich der Zustand dem wahrscheinlichsten d. h. der gleichmäßigen Temperaturverteilung nähere, z. B. wenn ein heißer und ein kalter Körper zusammengebracht werden. Rückkehr zum Anfangszustand kann von selbst nicht eintreten, weil eben die Wahrscheinlichkeit dieses Zustandes, somit die Entropie ein Maximum ist. Genauer ist die Entropie dem Logarithmus der Wahrscheinlichkeit proportional. Da nun ferner auch die Strahlung Entropie enthalten muß, weil ein strahlender Körper Entropie verliert und doch im ganzen eine Zunahme eintritt, muß auch die Strahlung eine Art atomistischer Struktur besitzen, sie kann nur in einzelnen Quanten, gewissermaßen Energieatomen, ausgesandt und absorbiert werden (Planck a. a. O. S. 70 u. ff.)[11].
Das Ergebnis ist von großer Wichtigkeit zum Verständnis der Elektronentheorie[12] in ihren zahlreichen Anwendungen, vor allem auch für die weitere Aufklärung der Entladungserscheinungen und der Radioaktivität, da gerade hier Elektronen- und Ionengeschwindigkeiten auftreten, bei welchen die Korrektionen der gewöhnlichen Naturgesetze durch das Relativitätsprinzip, welche bei geringen Geschwindigkeiten kaum in Betracht kommen, außerordentlich große Werte annehmen.
Man hat auch die Ansicht aufgestellt, Materie sei überhaupt nichts anders als ein Aggregat äußerst rasch umlaufender Elektronen[13]; Masse sei nichts anders als der durch Erzeugung der Energie der Magnetfelder der bewegten Elektronen geweckte Widerstand. Auch das Verhalten flüssiger Kristalle ließe sich auf Grund dieser Annahme am besten verstehen[14], doch treffen wir immer auf unüberwindliche Hindernisse, wenn wir die Naturerscheinungen zu begreifen suchen. Wir müssen z. B. einem Elektron eine bestimmte Gestalt zuschreiben, und es aus noch kleineren Teilchen zusammengesetzt denken, die sich entgegen der elektrischen Abstoßung gegenseitig festhalten, die aber natürlich selbst wieder aus noch kleineren Elementen bestehen und so in infinitum. Wir können uns eben nur Kräfte vorstellen, die ausgeübt werden von einem Wesen, ähnlich unserem Ich, wenn es auch von winziger Größe ist!
Die Aufgabe der Physik, die Vorausberechnung der Erscheinungen erfordert die Begreiflichkeit nicht, muß sich aber der Gleichnisse bedienen, um Verständigung durch die Sprache zu ermöglichen[15].
- ↑ Später ergab sich allerdings die Notwendigkeit der Annahme von Imponderabilien wie z. B. der Elektrizität, d. h. von Massen, welche nicht von der Erde angezogen werden.
- ↑ Über diese Einheiten s. O. Lehmann, Leitfaden d. Physik, Braunschweig 1907.
- ↑ H. A. Lorentz, Encyclopädie d. math. Wissensch. 5 (2), 63 u. ff. 1904.
- ↑ A. A. Michelson, Détermination expérimentale de la valeur du mètre en longueurs d’ondes lumineuses, Paris 1894.
- ↑ A. Einstein, Ann. d. Phys.[WS 2] 17, 891; 18, 639, 1905.
- ↑ Es sei verwiesen auf H. Minkowski, Nachr. d. K. Ges. d. Wissensch. zu Göttingen (21. Dez. 1907) 1908, und M. Born, Math. Ann. 68, 526, 1910.
- ↑ Bezüglich der Bezeichnungen rot und div siehe A. Föppl-M. Abraham, Einführung in die Maxwellsche Theorie der Elektrizität, 3. Aufl., Leipzig 1907, S. 4, oder R. Gans, Einführung in die Vektoranalysis, 2. Aufl., Leipzig 1909.
- ↑ Alles in den von Lorentz (a. a. O.) gewählten CGS-Einheiten. Um zu Coulomb, Ampère usw. überzugehen, müssen die , mit multipliziert werden.
- ↑ M. Abraham, Ann. d. Phys. 10, 105, 1903.
- ↑ Siehe M. Planck, Acht Vorlesungen über theoretische Physik, Leipzig, Hirzel, 1910, S. 96 u. ff.
- ↑ Einstein hat dieses Ergebnis geradezu zu einer »Lichtquantentheorie« ausgearbeitet, die an Newtons Emissionstheorie erinnert, indes augenscheinlich zu weit geht.
- ↑ Siehe J. J. Thomson, Die Korpuskulartheorie der Materie, Braunschweig 1908. H. A. Lorentz, The Theorie of electrons, Leipzig 1909.
- ↑ Dabei muß der Durchmesser der Elektronen als verschwindend klein gegen ihre Entfernung betrachtet werden. Siehe W. Wien, Ann. d. Phys. 5, 507, 1901; G. Mie, Lehrb. d. Elektr. u. d. Magnet. Stuttgart Enke 1910, S. 692 und P. Lenard, Über Äther und Materie, Sitzb. d. Heidelb. Akad. 1910, Nr. 16.
- ↑ O. Lehmann, Phys. Zeitschrift 10, 559, 1909.
- ↑ Über Schwierigkeiten, die sich der Elektronentheorie entgegenstellen s. a. O. Lehmann, Verf. d. nat. Ver. Karlsruhe 17, 34, 1904, Boltzmannfestschrift 1904, S. 287; H. Sieveking, Ann. d. Phys. 20, 209, 1906; F. Ehrenhaft, Phys. Zeitschr. 11, 619, 1910 u. a.