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starre Kuppelungsglieder bewirken, wie etwa bei einer »Nürnberger Scheere«. Insofern nun aber die Kräfte auch auf den Äther wirkten, wenn derselbe elektrisch erregt war, mußte diesem Trägheit zugeschrieben werden, wie gewöhnlicher Materie, d. h. eine Masse, die aber nicht mit der Wage in Kilogrammen zu messen war; und um das Relativitätsprinzip aufrecht zu erhalten, mußte weiter angenommen werden, der Äther bewege sich bei der Bewegung von Körpern vollkommen mit, die Körper seien für den Äther undurchdringlich. Demgemäß müßte also beim Steigen der Säule eines Barometers der im Toricellischen Vakuum befindliche Äther zusammengedrückt werden, doch ist davon nichts zu bemerken. Von der Erde die sich mit 30000 Meter Geschwindigkeit durch den Raum bewegt, müßte der Äther mitgenommen, auf der Frontseite vielleicht stark verdichtet werden wie die Luft vor einem fliegenden Geschoß. Dies müßte sich bei astronomischen Beobachtungen verraten; doch lassen diese nur eine sog. Aberration des Lichtes erkennen von solcher Größe, als ob der Äther vollkommen ruhte und von der Erde in keiner Weise beeinflußt würde.

Dazu kamen andere Schwierigkeiten. Das Entropieprinzip, die chemischen Erscheinungen und zahlreiche andere, insbesondere aber die Dispersion und Absorption des Lichtes ließen sich nur verstehen unter der Annahme der Molekularkonstitution der Körper sowie von Elektrizitätsteilchen (Elektronen) in den Molekülen und von Äther in deren Umgebung. Bei Bewegung der Materie mußte dieser innere Äther vollkommen mitgenommen werden. Fizeau hat nun sorgfältige Versuche darüber ausgeführt, ob, wie dann der Fall sein müßte, das Licht in fließendem Wasser vom Wasser mitgenommen wird, wie etwa die Schallwellen vom Winde d. h. ob die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes in gleichsinnig bewegter Materie um den Betrag dieser Geschwindigkeit vergrößert erscheint. Dabei ergab sich allerdings eine Mitführung, doch keineswegs eine solche von dem erwarteten Betrage; für Luftströme war sie überhaupt nicht vorhanden, wie wenn der Äther auch in stark bewegter Luft vollkommen ruhte!

Tatsächlich gelang es nun H. A. Lorentz[1] auf Grund dieser Hypothesen des vollkommen ruhenden Äthers und der atomistischen


  1. H. A. Lorentz, Encyclopädie d. math. Wissensch. 5 (2), 63 u. ff. 1904.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Lehmann: Das Relativitätsprinzip der neue Fundamentalsatz der Physik. Verhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Karlsruhe, Bd. 23 (1909-1910), Karlsruhe 1911, Seite 60. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Relativit%C3%A4tsprinzip_(Lehmann).djvu/11&oldid=- (Version vom 11.8.2024)