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versuche mich nicht in meinem einmal gefaßten Entschluß wankend zu machen. Ich gehe fort von hier, sogar recht bald. An dieser Tatsache änderst Du nichts mehr.“

Jakob Wenzels Gesicht sah mit einem Mal so verfallen, so greisenhaft aus. Die Strafe für das, was er begangen, hatte ihn schon erreicht: Er hatte sein Kind verloren, – vielleicht für immer.

Wera war die Veränderung in seinen Gesichtszügen nicht entgangen. Ihr Herz trieb sie zu ihm, und sich neben ihm niederkniend, umschlang sie ihn zärtlich und sagte stockend unter heißen Tränen:

„Gib mir Zeit zum Vergessen, Vater. Später will ich ja gern zu Dir zurückkehren. Wir gehören ja doch zusammen, wir beide, die wir so einsam sind.“




8. Kapitel.

Als Dreßler zehn Minuten vor elf die Bahnhofshalle betrat, stand halb verborgen hinter einer Gruppe von Reisenden ein Mann, welcher die Eingänge und die Billettschalter bisher scharf bewacht hatte. Es war kein anderer als Albert Wenzel, der jetzt vorsichtig näher kam und deutlich hörte, wie der Doktor eine Fahrkarte zweiter nach Berent, der kleinen, vielleicht zehn Meilen von Danzig entfernten Kreisstadt in der Kassubei forderte.

Der Vorortzug nach Dirschau war wenig besetzt. Dreßler fand noch ein leeres Abteil und machte es sich in seiner Ecke möglichst bequem. Bald darauf verließ der Zug mit mäßiger Geschwindigkeit den Bahnhof.

Dreßler blickte träumerisch in die dunkle Nacht hinaus. Das Rattern der Räder verschlang jedes Geräusch, gestaltete sich zu einem fortwährenden Brausen, das auf seine durch die tagelange geistige Anspannung überreizten Nerven seltsam beruhigend wirkte. Seine Gedanken, die noch vor kurzem sich allein mit dem Falle Durgassow beschäftigt hatten, waren

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/70&oldid=- (Version vom 31.7.2018)