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Seele fest, der sich noch steigerte, je länger sie diesen peinigenden Vorstellungen nachhing. Jetzt haßte sie die ganze Welt, – alles, alles: niemandem gönnte sie etwas Gutes, niemandem, am allerwenigsten jenem schönen Mädchen den Mann, den sie selbst liebte. Ein böses Lächeln verzerrte plötzlich ihr Gesicht. – „Eigentlich wollte ich Dich vor meinem Vater warnen, Hans Dreßler,“ dachte sie in ihrer maßlosen Eifersucht. „Aber ich ebne keinem Menschen die Wege mehr, keinem helfe ich, keinem! Wer weiß, was dann aus der Affäre Durgassow noch entsteht, wer weiß, ob sich nicht zwischen Dir und der anderen Hindernisse auftürmen, die Eure Vereinigung unmöglich machen.“




7. Kapitel.

In einer der engen Gassen, die auf die Mottlau, den für Danzigs Schiffahrt zum Hafen erweiterten Nebenfluß der Weichsel, einmünden, steht dicht am Wasser eine zweistöckige verräucherte Kneipe, über deren Tür ein großer eiserner Schiffsanker in die Mauer eingelassen ist. In dieser recht großartig „Hotel zum Anker“ getauften Kneipe saßen drei Tage später, am Dienstagabend in einem der kleinen, bescheiden möblierten Fremdenzimmer zwei Männer in flüsternder Unterhaltung an dem einzigen Fenster.

„Ich habe Wera erzählt, ich würde einen kurzen Spaziergang machen,“ sagte soeben der eine und zwar der kleinere von beiden. „Sie ist sehr mißtrauisch und auch gar nicht gewöhnt, daß ich einmal ohne sie ausgehe. Anscheinend glaubt sie an Deine Abreise nicht recht und vermutet Dich noch hier in Danzig.“

„Was sie vermutet, ist schließlich gleichgültig. Die Hauptsache bleibt, daß sie meine Anwesenheit hier nicht mit dem Verschwinden dieses Schuftes von Durgassow in Verbindung bringt und etwa zur Verräterin wird.“

„Da kannst Du ganz beruhigt sein, Albert. Sie

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)