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Stunde wie eine unüberwindliche Schranke vor sich aufgetürmt sah. Eilends machte sie noch einige Einkäufe und begab sich dann nach Hause.

„Der Spaziergang hat mich wirklich sehr erfrischt, Schatz,“ sagte sie zu ihrem Gatten, den sie in seinem Arbeitszimmer bei der Lektüre einer Technischen Zeitschrift antraf. „Und ich habe Dir hier auch die Handschuhe mitgebracht, um deren Besorgung Du mich letztens batest. Hoffentlich sagt Dir die Farbe zu.“

Wieland war überglücklich, daß seine Frau trotz ihrer Sorge noch an ihn gedacht hatte. Er zog Maria liebevoll auf seinen Schoß und strich ihr zärtlich über die sanft geröteten Wangen.

„Mia, – Gott sei Dank, heute sehe ich endlich wieder einmal etwas Farbe in Deinem Gesicht.“

Längst hatte er vergessen, welche Zweifel er noch vor kurzem an ihrer Aufrichtigkeit gehegt hatte. Denn Dreßlers Worte, die dieser ihm nach seinem Besuch am Nachmittag an der Flurtür zugeflüstert hatte, waren von ihm in einem für ihn möglichst günstigen Sinne ausgelegt worden, eben dahin, daß der Freund Frau Maria nicht weiter beargwöhnen zu müssen glaubte.

An demselben Abend noch fragte Anna Wieland, die ebenfalls zu derselben Zeit wie Maria einige Einkäufe erledigt hatte, ihre Schwägerin mit einem seltsam forschenden Blick:

„Du warst nur in der Langgasse, Maria? – So, dann muß ich mich allerdings getäuscht haben. Ich glaubte Dich nämlich vor dem Hause Dr. Dreßlers gesehen zu haben, als ich mit der Elektrischen vorüberfuhr.“

„Das kann nur eine Doppelgängerin von mir gewesen sein,“ gab Maria stockend zur Antwort. Sie konnte es aber nicht verhindern, daß ihr dabei eine heiße Blutwelle ins Gesicht schoß.

Der Ingenieur schenke diesem Gespräch zwischen den beiden Frauen weiter keine Beachtung. So entging es ihm auch, daß seine Schwester jetzt mit mitleidigem Blick nach ihm hinschaute.

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 40. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/41&oldid=- (Version vom 31.7.2018)