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„Du bist jetzt alt genug, um die Wahrheit über das zu hören, was ich bisher vor Dir so ängstlich verborgen habe. Wisse denn, daß ich von mehreren Leuten, die sich durch mich geschädigt glaubten, hart verfolgt wurde. Deshalb verließ ich Indien, deshalb auch suchte ich jede Spur hinter mir zu verwischen. Meinem Leben drohte Gefahr, wenn ich jenen Männern, die mir Rache geschworen hatten, in die Hände gefallen wäre. Nähere Angaben erlaß mir bitte. Glaube mir, daß ich stets nur von einem Wunsche beseelt gewesen bin, – dem, Dir, meinem einzigen Kinde, eine glückliche Zukunft zu schaffen. Ich hoffe jetzt, daß wir hier in Danzig völlig sicher sind und in ungestörtem Frieden unsere Tage zubringen können. Nur eins will ich Dir noch sagen: Wenn Dir irgendwo einmal das Zeichen einer einen Dolch haltenden roten Hand begegnet, so sei auf Deiner Hut. Dann droht uns Gefahr, – uns oder Dir allein, falls ich nicht mehr sein sollte. – Und nun frage nichts mehr, Maria, nichts weiter und nie wieder! Laß das Einst begraben sein für immer!“

So unklar diese Andeutungen auch waren, – ich gab mich damit zufrieden. – Alles andere über uns wissen Sie, lieber Freund, so besonders, daß ich bald darauf meinen jetzigen Gatten kennen lernte und ein Jahr später sein Weib wurde. In dieser Ehe mit ihren Tagen ungetrübtesten Glückes hatte ich die Vergangenheit mit ihren mir noch immer dunklen Rätseln bald völlig vergessen, und nun sind diese Rätsel so urplötzlich wieder wie drohende Gespenster vor mir erschienen und ich vermag sie nicht zu vertreiben. Denn nie, niemals wird Karl es mir verzeihen, daß ich so drückende Geheimnisse vor ihm gehabt habe, nie wird er darüber hinwegkommen, daß ich unter einem Namen, der mir nicht gehört und auf Grund von vielleicht gefälschten Personal-Urkunden die Seine geworden bin. Ich kenne Karls strenge, so überaus peinliche Rechtlichkeit nur zu gut. Im Grunde ist’s ja auch wahr, – ich habe mich wirklich durch mein Schweigen sozusagen der – Urkundenfälschung schuldig gemacht.

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/35&oldid=- (Version vom 31.7.2018)