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über kurz oder lang müssen sie ja doch die Wahrheit erfahren. Wenn Euch erst die Polizei ins Haus kommt, dann –“ Dreßler unterbrach sich, da Wieland abwehrend die Hand erhoben hatte und jetzt hastig hervorstieß:

„Das darf nicht geschehen, muß eben vermieden werden! Die Polizei muß aus dem Spiel bleiben!“ – Als er des Doktors erstaunten Blick fühlte, sprach er schnell weiter:

„Hans, Du bist mein einziger, mein bester Freund! Sieh – ich habe Dir ja noch nicht alles erzählt, Dir gerade das verschwiegen, was mich am meisten beunruhigt. Maria hat – irgendwelche Heimlichkeiten vor mir! Ja – sieh mich nicht so zweifelnd an. Es ist wirklich so. Denn als ich gestern nach dem Polizeipräsidium gehen und die Hilfe der Behörde in Anspruch nehmen wollte, da hat sie mich beinahe fußfällig gebeten, es nicht zu tun. Und heute, als ich mittags heimkam, wiederholten sich dieselben Szenen. Was ich davon denken soll, was die unerklärliche Scheu vor der Polizei bedeutet – ich finde keine Lösung dafür. Und sie, meine Frau, schweigt! Durch keine Mittel, weder im Guten noch im Bösen ist sie zum Reden zu bringen. Sie sagt nur immer: „Quält mich doch nicht so, habt Erbarmen mit mir!““

Dreßlers Gesicht war während dieser sich überstürzenden Sätze merkwürdig steinern geworden. Jetzt stand er auf und meinte in seiner ruhigen Art: „Auch das wird sich aufklären. Aber nun zuerst ein offenes Wort: Auch Du bringst dieses merkwürdige Verhalten deiner Frau mit dem Verschwinden ihres Vaters irgendwie in Verbindung, nicht wahr?“

Wieland bejahte seufzend: „Erst hielt ich es nur für eine Laune,“ meinte er ehrlich. „Seit heute mittag bin ich aber doch anderer Ansicht geworden. Ich fürchte – ja, Hans, fürchte jetzt fast, daß Maria mehr von Durgassows Verschwinden weiß, als sie zugeben will. Bin ich unter diesen Umständen nicht wirklich zu bedauern?! Alles hätte ich ja ertragen, nur nicht diese Entfremdung zwischen Maria und mir.

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)