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des alten Herrn feststellen konnte, war wenig genug. Zwar äußerte sich Wieland dahin, es sei ihm seit längerer Zeit so vorgekommen, als ob Durgassow irgend eine geheime Sorge bedrücke. Aber selbst dieser geringe Fingerzeig genügte in keiner Weise, um daran anknüpfend mit irgendwelchen Nachforschungen beginnen zu können. Michael Durgassow war seit Dienstag abend, – das war als feststehend anzunehmen, – ohne irgend eine Spur zu hinterlassen, verschwunden, hatte in der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch sein Bett nicht mehr benutzt und nicht einmal beim Verlassen seiner Wohnung die in das Treppenhaus führende Tür verschlossen. In seiner Wohnung fehlte nichts, woraus man auf eine plötzliche Abreise hätte schließen können, – kein Koffer, keine Handtasche. Der alte Herr war, bekleidet mit einem dunklen Jackettanzug, ebensolchem Paletot und schwarzem, weichen Filzhut, davongegangen. Wann er am Dienstag abend oder in der Nacht das Haus verlassen hatte, konnte bisher nicht ermittelt werden.

„Ihr habt doch hoffentlich in Durgassows Wohnung nichts geändert, nicht etwa ausfegen lassen?“ fragte Dreßler jetzt, nachdem er nachdenklich eine ganze Weile vor sich hingestarrt hatte.

„Nein – es ist alles so geblieben. Nichts ist angerührt worden. Ich habe die Zimmer abgeschlossen und die Schlüssel hat Maria an sich genommen.“

„Die Schlüssel –?“

„Ja, wir haben noch einen zweiten Schlüssel von seiner Wohnung, falls die Mädchen in seiner Abwesenheit aufräumen wollten.“

„So. Ja, richtig. Eure Dienstboten! Sie glauben also, daß Durgassow plötzlich verreist ist?“

„Sicherlich. Wir haben uns in ihrer Gegenwart stets zusammengenommen und uns unsere Befürchtungen nicht anmerken lassen. Sie werden denken, daß mein Schwiegervater in Königsberg bei einem Arzte weilt und unsere Unruhe für die Sorge um seinen Gesundheitszustand halten –“

„Was sie denken, ist schließlich gleichgültig. Denn

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/14&oldid=- (Version vom 31.7.2018)