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wenn er auch auf dem Heimwege dann an anderes dachte, an seine neuesten chemischen Versuche und an den Auftrag, den er Jakob Wenzel gegeben hatte, so drängte sich die Sorge um das Wohlergehen der ihm so nahestehenden Menschen doch immer wieder in den Kreis seiner Betrachtungen ein. Und dasselbe teilnehmende Interesse hielt auch Dreßler jetzt nach Tisch in seinem Arbeitszimmer fest.

Er hatte es sich bequem gemacht, einen leichten Hausrock angezogen und die braunen Schnürschuhe mit leichten Morgenschuhen vertauscht. So ging er geräuschlos in dem mit so wenig Geschmack eingerichteten Raume auf und ab, qualmte dichte Wolken aus seiner Zigarette in die Luft und versuchte irgend eine Erklärung für diese merkwürdige Änderung in dem Verhalten seiner Bekannten herauszuklügeln – vergebens. Er fand auch nicht den geringsten Anhalt für irgend eine Vermutung. Schließlich warf er verdrossen den Zigarettenstummel in den nächsten Aschbecher und zündete mit einem Streichholz eine der auf dem Holztisch am Fenster stehenden offenen Gasflammen an. Aber selbst die Arbeit brachte ihm nicht die gewünschte Ablenkung. Denn während er jetzt ein Retortengläschen über der leise zischenden Flamme hin und her drehte und beobachtete, wie die grünen Kristalle langsam darin zerschmolzen, überlegte er nochmals die Vorfälle der letzten drei Tage. Man hatte ihm am Dienstag abend bei Wielands erzählt, daß der Vater der jungen Frau, Michael Durgassow, plötzlich nach Königsberg gereist sei, um einen Spezialisten seines Nierenleidens wegen zu konsultieren. Dieser Entschluß mußte dem alten Herrn doch sehr plötzlich gekommen sein, denn am Tage vorher hatte noch niemand von dieser Fahrt gesprochen. Und – eigentümlich, seit Dienstag, gerade seit Dienstag lagerte auch diese Verstimmung über dem Hause des Freundes. Zwar hatte man ihm gesagt, daß man sich lediglich um die Gesundheit des alten Herrn sorge. Aber er war ein zu feiner Beobachter, als daß ihm nicht Verschiedenes aufgefallen wäre, was ihn noch

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Walther Kabel: Das Geheimnis eines Lebens. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1920, Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Geheimnis_eines_Lebens.pdf/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)