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Mißbilligung angenommen, und so schreibt er auch den ungünstigen Erfolg des Unternehmens eher jedem andern Umstande zu, als den Fehlern des Planes selbst. Die Minister von Buenos-Ayres sind in seiner Schrift durchgängig als Beutelschneider geschildert, jeder Angestellte ist ein Gauner, die Agenten sind Spitzbuben, und weder von den Gerichtshöfen noch den Polizeianstalten darf man sich Schutz versprechen. Ohne Zweifel sind die Verhältnisse Herrn Beaumont so vorgekommen, wie er sie beschrieben hat. Bei seiner Ankunft waren die Minister ganz mit dem Kriege beschäftigt, der auszubrechen drohte; die Fonds fielen; die Einwohner sahen mit Widerwillen in dem Mittelpunkte der Republik eine Colonie von Fremdlingen sich niederlassen, deren Kenntnisse und Betriebsamkeit allen Erwerb an sich zu ziehen drohten. Es ist nicht zu verwundern, daß die Capitalisten eines Landes, wo die arbeitende Klasse fehlt, nicht mit Gleichgültigkeit eine wohlorganisirte Schaar von Arbeitsleuten, die zum Vortheile von Eigenthümern in England arbeiteten, vor ihren Thoren sich niederlassen sahen. Und überdieß, wie eine beträchtliche Anzahl von Menschen unter Zucht und Leitung halten, die zu einer Gesammtheit vereinigt dastanden, erzogen unter andern Gesetzen, in verschiedenen Gewohnheiten, und dieß im Mittelpunkte eines Staates, der, selbst in schwankenden Verhältnissen, seine Organisation noch nicht so ausgebildet hatte, um seine eignen Unterthanen mit gehöriger Kraft zu regieren? Die Agenten der Compagnie, sobald sie bemerkten, daß die Sache sich zum Untergang neigte, trösteten sich damit, daß sie Alles noch zusammenrafften, wessen sie habhaft werden konnten, und blickten also den mit scheelen Augen an, der ihrer Plünderung Einhalt thun wollte. Der gute Ruf der südlichen Amerikaner endlich, in Bezug auf ihre Ehrlichkeit steht nicht sonderlich hoch, und es ist ziemlich wahrscheinlich, daß die ministeriellen Agenten der Republik Buenos Ayres nicht viel mehr bedeuten, als ihre Nachbarn.

Rivadavia selbst und die Andern, theils Betrogene, theils Betrüger, zogen die englische Leichtgläubigkeit in Plane, die, was auch immer der Ausgang derselben für die vereinigten Capitalisten werden mochte, doch sicher den Interessen der Republik vortheilhaft waren. Als sie die Unmöglichkeit einsahen, Projecte auszuführen, die sie in’s Daseyn gerufen hatten, so gaben sie dieselben ohne viele Umstände und sogar mit wenig Zartgefühl wieder auf. Sie gestatteten und ermunterten vielleicht sogar die Räubereien einiger von ihnen, und weit entfernt, die Niederlassung, welche zu bilden ihr Versprechen und ihre Mitwirkung beigetragen hatte, zu schützen, beschleunigten sie vielmehr ihren Sturz. – Der Capitän Andrews sagt in seinem Werke über dieses Land: „Wenn auch die Speculationen scheiterten, so hat doch die Erfahrung des englischen Volkes um so viel mehr Zuwachs erhalten.“ Beaumont kann fast dasselbe von seinen Planen sagen: „Sicherlich ist die Kolonie ruinirt, aber mein Sohn hat doch ein Buch geschrieben.“ Nur ist zu fürchten, die Entschädigung für so viele Verluste und Leiden möchte beiden Seiten ein wenig ungenügend scheinen. –

Den Standpunkt, aus welchem der Verfasser seine Schrift betrachtet wissen will, giebt er in einer kurzen Vorrede folgendergestalten an: „Wenn man ein fernes Land, das so wohlgelegen scheint, Capital und Unternehmungsgeist der Europäer daran zu versuchen, in Betrachtung ziehen will, so ist es die bestimmte Pflicht des Erzählers, nicht blos die natürlichen Vorzüge und Grundkräfte aus einander zu setzen, welche in dem Lande liegen mögen, sondern auch die örtlichen Hindernisse jeder Art, welche wahrscheinlicher Weise die Berechnungen des Capitalisten und des Auswanderers vernichten können. Die Vernachlässigung dieser heilsamen Vorschrift veranlaßte unendliche Aufopferungen und fehlgeschlagene Hoffnungen für die, welche ihr Vermögen und sich selbst in Buenos-Ayres auf’s Spiel setzten. Der Verfasser dieser Blätter und einige seiner Freunde wurden die Opfer befangner, parteiischer Darstellungen jener Länder. Sie selbst trugen viel dazu bei, das brittische Publikum auf die Vortheile der Auswanderung nach Buenos-Ayres aufmerksam zu machen. Aber der Verfasser hat jetzt das Land und die Handlungsweise seiner Regierung mit eigenen Augen gesehen; er hat seine Erfahrung um einen hohen Preis erkauft und er hält es für eine Pflicht, die er seinen Landsleuten und dem Publikum schuldig ist, offen das Resultat dieser Erfahrung mitzutheilen. Die natürlichen Anlagen des Landes sind die besten, die man wünschen kann, und diese müssen fortdauern und weiter wirken; aber die aus moralischen und politischen Ursachen hervorgegangenen Hindernisse sind solcher Art, daß sie eine ernste Betrachtung erfordern.“

Das Land selbst bietet eine so anziehende Mannigfaltigkeit von Ansichten dar, daß, wenn es auch fast unmöglich ist, etwas völlig Neues über diesen Gegenstand zu schreiben, sich doch immer eine Seite finden läßt, um die Aufmerksamkeit zu fesseln. Beaumont hat unter die vielen ins Einzelne gehende Nachrichten, welche blos für Auswanderer von Nutzen sind, auch manche Dinge mit aufgenommen, die seine Schrift allgemeiner betrachtenswerth machen.

In den unermeßlichen Ebenen der Provinzen von Buenos-Ayres gibt es Weide-Steppen jeder Art in solchem Ueberflusse, daß man sich nicht über den niedrigen Preis des Viehes und des Fleischverkaufes wundern, noch den Preis des Rindfleisches als Basis des Werths aller andern Lebensmittel annehmen darf. Unsere Gutsbesitzer werden mit Staunen hören, daß man Pferde um eine halbe Krone verkauft, und zwanzig Stück Schafe für weniger als ein Pfund Sterling. Beaumont sagt darüber: „Sonst achtete man an den Schafen Nichts, als die Wolle, und um sich aller Mühe zu überheben, ließ man das Fleisch verderben oder von Raubthieren fressen. Die Wolle sammelte man nach Muße ein. Man hat mich versichert, daß zuletzt sogar die Körper der geschlachteten Schafe, die an der Sonnenhitze ausgedorrt waren, aufgeschichtet wurden, um als Brennholz zu dienen; und mit diesem Material heitzte man die Ziegelbrennereien und Kalköfen. Auch besteht wirklich noch ein Gesetz, welches für die Zukunft verbietet, ein Schaf lebendig in den Ofen zu werfen,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 623. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_649.jpg&oldid=- (Version vom 8.10.2023)