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Das Ausland. 1,2.1828

der Viehtriften (pays de parcours) führt. Das erstere begreift nur die Thäler oder Boden-Einschnitte, in welchen die Wasser ablaufen; diese enthalten Wälder, Weinberge und angebaute Felder. Die Viehtriften dagegen nehmen alles Land ein zwischen den Flüssen, und dieses ist ohne Ausnahme eine weite Heide, mit Farn- und Heidekräutern bedeckt und nur zur Waide des Viehes benutzt. Die mittlere Breite dieses Landstreifes beträgt 10 bis 15,000 Metres, und seine ganze Oberfläche wenigstens 600,000 Hectares. Der Horizont dieser unermeßlichen Flächen hat keine anderen Grenzen als die Gipfel düsterer Kieferwälder, und stroh- oder schilfgedeckte Hirtenwohnungen, die auf der freien Heide stehen und um die weit und breit, außer einigem Ginster, nichts zu finden ist, als Heide und Farnkräuter.

(Fortsetzung folgt.)


Die Moldau und Wallachei.

(Schluß.)

Die Geschichte der Fürstenthümer knüpft sich im Alterthum, wo sie einen Theil Daciens bildeten, ganz an die des römischen Reichs. Noch verkünden die Trümmer der bewunderungswürdigen Donaubrücke Trajans, um wie viel tapferer jene Barbaren waren, als ihre in Trägheit versunkenen Nachkommen, und um wie viel größer die Sieger, deren Joche sie sich beugten.

Im J. 1391 kamen die Fürstenthümer in die erste Berührung mit den Türken, aus Veranlassung der Invasion des Woidwoden (Fürsten) Mirza aus einer benachbarten Provinz in die Staaten Bajazets. Der Sultan verließ Asien an der Spitze einer ungeheuern Armee, zog gegen ihn, vernichtete in einer großen Schlacht seine Macht, und legte ihm, zu Anerkennung seiner Lehensherrlichkeit einen Tribut von jährlichen 3,000 Piastern auf.

Diese Länder waren der Schauplatz zahreicher Insurrectionen bis 1460. Zu dieser Zeit kam Mahommed II, auf der Rückkehr von seiner Expedition in den Archipel, um die Empörung des Woiwoden Oracula zu bestrafen. Der letztere wurde besiegt, und sein Bruder Bladus erhielt die Herrschaft, kraft eines Vertrags, der die Moldau und Wallachei dem ottomanischen Joche unterwarf, dem sie sich bis jetzt vergeblich zu entziehen suchten. Jener Vertrag, der keineswegs so drückend ist, als man nach dem Charakter des Eroberers voraussetzen sollte, dient noch jetzt als Basis der Verfassung. Als Zeichen der Ehre sowohl als zum Pfand ihrer Sicherheit erhielten die Fürsten den Rang und den Titel als Pascha’s [1]. Der Name Hospodar, mit dem ihre Nachfolger bezeichnet wurden, stammt von dem slavonischen Gospodin, d. h. Herr.

Die Feierlichkeiten der Einkleidung der Hospodare, ihr Hof, ihr Verwaltungssystem trugen, bis jetzt wenigstens, alle den türkischen Charakter. Ihre Einsetzung in Constantinopel geschah fast mit denselben Ceremonien, wie bei Ernennung der Veziere oder der Paschas. Der Muzzur-Aga setzt ihnen den Kukka (den Busch von Reiherfedern) auf, das Zeichen der Gewalt, und der Großvezier bekleidet sie mit dem Ehrenpelze. Begleitet von Militärmusik, unter Vortragung einer Fahne von drei Roßschweifen, werden sie dann in öffentlicher Audienz dem Sultan vorgestellt. Vom Serail begeben sie sich in feierlichem Zuge nach der griechischen Kirche, wo der Patriarch ihre Einweihung unter denselben Ceremonien vornimmt, wie bei der Weihe der oströmischen Kaiser. Begleitet von einer Anzahl türkischer Würdeträger, die damit beauftragt sind, sie in ihren neuen Fürstenthümern zu installiren, halten sie den feierlichen Einzug in ihrer Hauptstadt mit allem Pomp eines Sultans, rings umgeben von den Bojaren und dem hohen Clerus, unter Voraustritt zweier Peyks und zweier Solaks, einer Art Trabanten, welche bei großen festlichen Aufzügen zu der Leibgarde des Sultans gehören. Sie pflanzen drei Roßschweife vor der Pforte ihres Palastes auf, und tragen an Audienztagen ein festliches Pelzkleid, Capanitza genannt, das kein Pascha tragen darf, sondern das blos den Vicekönigen von Bagdad und den vormaligen Khans der Krym vorbehalten war.

Man nannte die Fürstenthümer getrennt [2] von der ottomanischen Verwaltung, weil sie einen bestimmten, und von dem der übrigen Provinzen des Reichs abgesonderten Tribut bezahlten. Aber alle diese Vorrechte kommen blos den Hospodaren und den Bojaren zu gut. Das Volk blieb der Sklave jener Herren, im vollen Sinn des Worts, und besaß kein Privilegium, kein Recht. Indessen fand die Pforte bald in den beständigen Uneinigkeiten der vornehmsten Bojaren den Vorwand, einen Theil der ihnen bewilligten Rechte wieder zurückzunehmen. Der Willkür des Sultans blosgestellt, umgeben von den festen Plätzen an dem rechten Ufer der Donau und auf ihrem eigenen Gebiet, bedroht von Chozim, Bender, Akjerman, Okzakoff und Kil-Burun, waren die beiden unglücklichen Provinzen die stete Beute einer Menge von Räubern. Ein Khan der Krym, ein Mizza, oder tatarischer Hordenführer, ein Pascha, der in einem der festen Plätze befehligte, konnte, sich stützend auf eine Petition von ein paar intrigirenden Bojaren, die Hospodare absetzen und sie selbst des Lebens berauben. Die Minister der Pforte, nicht weniger raubgierig als die Khans und die Pascha’s, theilten mit ihnen den Raub oder eigneten sich ihn allein zu [3].

Die Berührungen, in die Rußland mit den Fürstenthümern kam, kann man vom Jahre 1710 datiren. Damals stand Peter der Große auf der Höhe seines Ruhmes; er hatte den Grundstein jener Macht gelegt, die seitdem mit Riesenschritten gegen Europa wie gegen Asien sich gewandt hat. Die Pforte, die 1695 die Uebermacht Oesterreichs auf einen Augenblick zum Wanken gebracht,

  1. Jakovaki Rizo sagt in seiner Histoire moderne de la Grèce, daß ihr Rang noch über den eines Pascha’s von drei Roßschweifen gesetzt, und dem des Gouverneurs oder Vicekönigs von Bagdad gleichgestellt worden sey.
  2. Mesrezul-Kalem ve maktonal kaaen.
  3. J. Rizo hist. mod. de la Grèce.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 610. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_636.jpg&oldid=- (Version vom 23.9.2023)