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Das Ausland. 1,2.1828


In dem Vertrage von Jassy versprach die Pforte auch wirklich die Wahl der Hospodare der Zustimmung des russischen Botschafters zu unterwerfen, und die Hospodare wenigstens sieben Jahre lang im Amte zu lassen. Diese letztere Clausel aber, die gleich anfangs nachlässig ausgeführt wurde, ward in der Folge offen verletzt, so daß sie zu lebhaften und langen Zwisten Veranlassung gab.

Im J. 1802 erhielt Fürst Ypsilanti das Gouvernement der Wallachei, Fürst Alexander Morusi das der Moldau, und der Divan erklärte, sie sollten ohne Zustimmung des russischen Botschafters, vor Ablauf der sieben Jahre nicht entfernt werden.

Im J. 1805 suchte Napoleon, der im Kriege mit England und entschlossen war, auch gegen Rußland die Waffen zu erheben, die Türkei in seine Entwürfe zu ziehen. Bald entwickelten sich die Resultate dieser Bemühungen. Die Pforte verdoppelte plötzlich ihren eifersüchtigen und stolzen Ton gegen Rußland und England. Sie hatte mit ersterem eben einen Defensiv-Tractat ratificirt, als sie auf einmal die Absicht aussprach, alle Schutzbriefe zu annulliren, d. h. alle, den im ottomanischen Reiche lebenden Griechen zugestandenen Bewilligungen, die zur Sicherheit ihres Handels unter den Schutz fremder Höfe zu stellen. Diese unerwartete Maßregel ward durch die Art, wie sie ausgeführt wurde, noch beleidigender; denn trotz der Gegenvorstellungen des russischen Botschafters riß man öffentlich aus den Händen der Concessionäre die ihnen vom russischen Gouvernement ertheilten Schutzbriefe.

Eine noch entscheidendere Maßregel beschleunigte die bereits unvermeidlich gewordene Krise. Die Hospodare Ypsilanti und Morusi wurden plötzlich zurückberufen; ohne auf den russischen Gesandten irgend Rücksicht zu nehmen, erhielt Carl Kallimachi die Moldau, die Wallachei aber Alexander Suzzo, ein entschiedener Anhänger Napoleons und erklärter Feind Rußlands. Eine russische Armee rückte über die Grenze, und nahm die festen Plätze Chotim und Bender in Besitz. Die Pforte antwortete durch einen Fetwa, der alle Muselmänner zu den Waffen rief.

Zu jener Zeit war Arbuthnot Botschafter Englands in Constantinopel. Von seiner Ankunft an hatte die Pforte – sey’s daß sie bloß Zeit gewinnen, sey’s, daß sie wirklich die Freundschaft Englands sich erhalten wollte – vorgeschlagen, den Allianz-Tractat zu erneuern, der 1799 zwischen Großbritannien, Rußland und der Türkei auf acht Jahre abgeschlossen worden war, und dessen Frist zu Ende ging. Der brittische Botschafter hatte nicht die nöthige Vollmachten; er mußte sie also einholen. In der Zwischenzeit aber war Napoleons Einfluß bereits überwiegend geworden. Er stand an der Spitze des euorpäischen Festlandes, und unter seinem Panier überließ sich die Pforte der Hoffnung ihre furchtbaren Feinde zu Boden gestürzt zu sehen. Sie wies die Vorschläge des Cabinets von St. James förmlich zurück.

Arbuthnot forderte, in Verein mit dem russischen Botschafter, die Wiedereinsetzung der Hospodare Ypsilanti und Morusi. Das türkische Ministerium widersetzte sich, die Stimme des Sultans aber erhob sich zu Gunsten der Reclamation; er fand sie beleidigend, aber er bestand darauf, im Frieden mit England zu bleiben. Der französische Botschafter, General Sebastiani, der unermüdet beschäftigt war, eine Opposition zu erhalten, verlor die Hoffnung des Gelingens. Plötzlich erfährt man den Einmarsch der Russen in die Moldau. Das Serail geräth in furchtbare Aufregung; der Sultan, eine Volksbewegung fürchtend, und erbittert über die Verletzung

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 594. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_620.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2023)