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Das Ausland. 1,2.1828

es, daß man in dem einst so fruchtbaren Thale von Egypten nun überall auf verlassene Dörfer, auf entvölkerte Städte stößt, und daß ganze Districte, auf denen einst die reichsten Saaten wehten, nun Wüsten gleichen. Kaum zwei Meilen weit auf beiden Seiten des Nils erstreckt sich der angebaute Boden. Ist es da ein Wunder, daß die statistischen Angaben über das alte Theben als eine Fabel erscheinen? daß das ganze gegenwärtige Egypten nur noch eine Bevölkerung von zwei Millionen hat? und daß Alexandrien, einst die bevölkertste Stadt der Welt, jetzt kaum 16,000 Einwohner zählt?

Dieß ist der Zustand des Landes unter der milden Regierung eines „gebildeten Fürsten,“ des tributären Sklaven „des Schattens Gottes auf Erden,“ „unseres alten treuen und natürlichen Alliirten,“ „des kaiserlichen Todschlägers.“

Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte dieses Fürsten, vor seiner Erhebung zum Paschalik von Egypten. Se. Hoheit stieg vom gemeinen Soldaten zum Rang eines Bimbaschi, oder Obersts, in einem albanischen Regimente, vor seinem vierzigsten Jahre (er ist jetzt ungefähr 66 J. alt). Während des Kampfes der Türken und Mamelucken empfahl ihn sein thätiger und intriganter Geist zu den höchsten Stellen im Staate; den gewandten Rathschlägen eines „über-feinen“ Italieners (des jetzigen französischen Consuls in Alexandrien) folgend, erhielt er sich, trotz des Widerstrebens der Bey’s, im Gouvernement, so daß die Pforte auch zuletzt ihre stillschweigende Einwilligung dazu gab. Nun lud er die Bey’s als Freunde und Gäste zu einem festlichen Mahle in seinen Palast, und ließ sie, als sie versammelt waren, morden. Seine Verräthereien bewogen den Sultan zu wiederholten Versuchen, ihn aus dem Wege zu schaffen, aber jedes Mittel, jede List war vergeblich. Nie konnte der Kapudan Pascha ihn bewegen, zu ihm an Bord seiner Fregatte zu kommen. Zwei Commissäre der Pforte, in deren Turbanen man den Hattischeriff des Sultans, ihn zu ermorden, entdeckte, wurden in den Nil geworfen. Bei all dem aber hörte Mehemed Aly nicht auf, ein guter Muselmann zu seyn; er bezahlte einen größern Tribut nach Constantinopel als irgend einer seiner Vorgänger, trug nicht nur die Kosten des Kriegs gegen die Wechabiten in Arabien ganz allein, sondern rüstete zuletzt auch die ganze türkische Flotte aus.

Signor Drovetti, sein italienischer Rathgeber, brachte ihn zuerst auf den Gedanken einer regelmäßigen Armee und einer Flotte, ungeachtet die Unterhaltung derselben offenbar die jetzigen Hülfsquellen des Landes übersteigen und dessen Ruin herbeiführen mußte. Hört man, daß seit zwei Jahren weder Flotte noch Armee ihren Sold erhielt, so wird die Unzufriedenheit von beiden leicht begreiflich. Als die Armee organisirt wurde, glaubte man allgemein, der Pascha wolle sie als ein Mittel zur Vollendung seiner Unabhängigkeit gebrauchen. Der Krieg gegen die Ungläubigen aber, die große Vorschrift des Korans, lag seinem Herzen näher, und sein Hauptwunsch war, seinem Stiefsohn Ibrahim den Besitz und die Regierung Griechenlands zu verschaffen. Mit meinen eigenen Ohren hörte ich, wie er unserm General-Consul in Egypten, Salt, erklärte, daß er Morea in zwei Monaten zu erobern gedenke. Als Salt einige Zweifel gegen die Möglichkeit erhob, erwiderte der Pascha, die französischen Offiziere und der Consul hätten ihn versichert, daß jene Unternehmung etwas ganz leichtes sey. Statt aber Griechenland in zwei Monaten zu erobern, brauchte seine Flotte blos zur Ueberfahrt von Alexandrien nach Navarino eilf Monate, eine Fahrt, die eher der des Ulysses, als einer aus der neuern Zeit gleicht. Von 16,000 Mann Truppen starben 7,000, ehe sie am Ort ihrer Bestimmung ankamen. In Zeit von vierthalb Jahren fanden drei neue Einschiffungen statt, und von 32,000 Mann, die von Alexandrien absegelten, blieben nur 11,000 übrig, um unverrichteter Dinge zurückzukehren. Man hatte den Vicekönig glauben gemacht, seine jämmerlichen Araber (unter denen man kaum einen Mann fand, dem nicht etwas fehlte) seyen die trefflichsten Truppen von der Welt, und könnten es bequem mit all’ den europäischen Hunden (dogs) aufnehmen. Aber der Ruhm des Blutbads von Missolunghi ist alles, was ihm übrig blieb, um ihn für seine zerstörten Hoffnungen und seine leeren Cassen schadlos zu halten.

Sein Premierminister, ein Armenier, entwirft tausend Projecte, um den erschöpften Schatz seines Herrn wieder zu füllen, und zittert bei jedem fehlgeschlagenen Plane für seinen Kopf. Einmal steckte man ihn in einen Sack, und schleppte ihn an den Nil, um ihn hinein zu werfen; die Henker aber wurden durch ungeheuere Geschenke gewonnen, und ließen ihn am Leben. Der Pascha, der die Schwierigkeit kannte, einen gleich geschickten Stellvertreter zu finden, vergab ihm nicht nur, nachdem der erste Zorn vorüber war, sondern nahm ihn auch wieder zu Gnaden auf. Die armen Henker aber, die des Tyrannen Befehl nicht vollzogen hatten, mußten nun in dasselbe Grab wandern, von dem sie den Minister gerettet hatten.

Indem ich diese Andeutungen über den Zustand Egyptens gebe, habe ich keinen andern Zweck, als das englische Publikum von der irrigen Meinung zurückzubringen, die es über die Hülfsquellen und den Handel Egyptens hat, und zu zeigen, daß jene erschöpft sind, dieser aber werthos ist, indem er, als Monopol, blos die Agenten dieses Monopols bereichert. Daß ich diese Belehrung an Ew. Lordschaft richte, dafür bedarf es keiner Entschuldigung. Ein junger Minister hat viel zu lernen, und so lange der Lehrer nur redlich ist, so kann er nie zu niedrig seyn, um diese Pflicht auch einem Minister gegenüber zu handhaben.



Die neugriechische Poesie.


(Fortsetzung.)


Gehen wir von dem rhythmischen auf den poetischen Charakter des neu-griechischen Gesanges ein, so wird man auch in den Ideen, die er darlegt, in den Ansichten, die er ausspricht, in den Gefühlen, die er athmet, einen oft eben so überraschenden Nachklang und Wiederschein des

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 578. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_604.jpg&oldid=- (Version vom 24.9.2023)