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Das Ausland. 1,2.1828

durch tiefe Einschnitte, womit man eine daselbst grassirende Kinderkrankheit heilt[1], entstellt. Die gigantischen Gestalten einiger Häuptlinge fielen mir besonders auf. Ich erklärte mir dadurch die Gewohnheit der Egyptier, ihre Helden kolossal darzustellen.

Ich näherte mich nun der Gegend, in welche d’Anville und ältere Geographen Meroe setzen. Da Barbar ein sehr schmaler District ist, so waren wir bald in Dâr djal. Hier mündet der Astaboras (jetzt Atbara genannt) in den Nil, und es entsteht dadurch eine große Insel[2], oder Halbinsel, welche der Nil, und, wo er sich in den blauen und weißen Fluß trennt, der blaue Fluß, der Astapus der Alten auf der westlichen, der Astaboras auf der südöstlichen Seite, umfängt. Bruce und Burkhardt, meine Vorgänger in diesem Theil Nubiens, hatten jedoch Meroe nicht entdeckt. Durfte ich hoffen, glücklicher zu seyn? Eine Tagreise nördlich von Schendy, sagte man mir in Barbar, gebe es eine Menge Tarâbyls; diese Nachricht wiederholt mir jetzt mein Wegweiser, den ich dadurch in mein Interesse gezogen hatte, daß ich versprach, die Schätze, die ich finden würde, mit ihm zu theilen. Diese Tarâbyls, versicherte er mich, hunderte an der Zahl, liegen an der Straße von Schendy; man könne sie ersteigen. Aber ob man mich auch wirklich recht verstand? Ob nicht vielleicht jene Tarâbyls blos auf einander geschichtete Granitblöcke waren, wie ich sie in Asuân gesehen hatte? Diese Zweifel beunruhigten mich sehr.

Es war Morgen; vor uns eine öde Wüste, im Osten eine hohe Bergkette, eine Stunde weit hinter uns im Westen der Nil. Schweigend zogen wir dahin; ich träumte von Pyramiden, mein Führer von Schätzen. Da ging die Sonne auf, und wer beschreibt das Entzücken, das ich empfand, als ich meine Träume in ihren ersten Strahlen verwirklicht sah! Mein Dromedar ging mir nun viel zu langsam, und die Entfernung von drei Lieues, die ich bis zu dem Ziel meiner Wünsche zurückzulegen hatte, däuchte mir unermeßlich. Endlich komme ich an, sprenge aus dem Sattel, und in einem Athemzuge ersteige ich eines der höchsten dieser Denkmäler, wo ich in Staunen und Bewunderung versunken mich ganz dem Eindruck des imposanten Schauspiels[3] hingab. In Westen entdeckte ich bald eine zweite Gruppe von Pyramiden, und in einer kleinen Entfernung von dem Fluß einen ungeheuern mit Trümmern und Schutt bedeckten Raum, die Reste einer alten Stadt, und zwar, wenn mich nicht Alles täuscht, der Stadt Meroe.

Wenn nach Eratosthenes die Hauptstadt Aethiopiens siebenhundert Stadien, nach Plinius (B. 6, 29) siebenzig römische Meilen oberhalb des Zusammenflusses des Astaboras mit dem Nil lag, so ist sie in der Gegend der Ruinen von Aßur oder Dangeyleh und Maruk zu suchen, wo wir uns jetzt befanden; wenn Strabo (B. 16) sagt, die Sonne stehe daselbst fünf und vierzig Tage vor der Sommersonnenwende scheitelrecht, so ist nach dieser Angabe Meroe unter 16° 44’ nördl. Br. zu setzen, was so ziemlich die Lage von Aßur ist, die ich zu 16° 56’ 55" nördl. Br. und 31° 34’ östl. L. berechnete.

So elend auch der jetzige Zustand dieses einst berühmten Priesterreiches erscheint, welches zur Zeit seiner Blüte Heere von 250,000 Mann ausrüsten konnte, 400,0000 Künstler und Handwerker besaß, und eine Reihe von 45 Königen zählte, so ist man doch geneigt, die Nachrichten der Alten für nicht sehr übertrieben zu halten, wenn man die Lage desselben mitten zwischen großen Flüssen in der Region der periodischen Regen und die Menge Ruinen betrachtet, die jetzt noch dem Alterthumsforscher überall reiche Ausbeute geben, Naga, el-Mesaurât, Sobâh, Mandeyr, Kely und so viele andere, zum Theil kaum dem Namen nach bekannte Orte, während in dem weiter südlich gelegenen Sennâr, vermuthlich weil man dort nur aus Backsteinen baute, fast alle Ruinen verschwunden sind, und auch nördlich bis zu denen von Nuri[4] und Djebel el-Barkal nicht viel Erhebliches vorkommt.

Mit unwissender Bewunderung oder stumpfsinniger Gleichgültigkeit geht der Araber, der hier seine Heerden waidet, vorüber an den Reliquien eines mächtigen Volkes, von all dessen Werken in Staub und Asche versank, was für das Leben bestimmt war, und nur der Tempel des Todes, die Pyramide, zur Unsterblichkeit überging.

(Fortsetzung folgt.)


Major Laing und Capitän Clapperton.

Ungeachtet der Bestimmtheit der Nachrichten, welche wir durch den französischen Consul zu Tripoli über das Schicksal unserer Landsleute in Africa erhielten, sagt ein englisches Blatt, haben wir doch noch den traurigen Trost, uns denken zu können, daß sie vielleicht nicht getödtet wurden, – wie die eingebornen Kaufleute erzählten, – sondern in der Absicht, ihnen ein Lösegeld auszupressen, als Gefangene zurückgehalten werden. Wir schließen dieß aus dem Umstand, daß bisher von unseerem eigenen Consul Mr. Warrington, dem Schwiegervater Laing’s, noch keine Nachrichten eingegangen sind, welche die über Paris gekommenen bestätigten.

Literary-Gazette, April 26.

  1. Bei älteren Personen ist das Brennen mit einem glühenden Eisen eine Art Universalkur in ganz Nubien
  2. Auf der südlichen und südwestlichen Seite wird Meroe dadurch zur völligen Insel, daß die Quellen des Rahad und des Atbara während der Regenzeit durch einen stark anschwellenden Bach wirklich verbunden werden.
  3. Hierzu die beiligende lithographirte Ansicht der Pyramiden von Meroe. Mit dem morgenden Blatte wird zugleich die zu Nro. 121 gehörige Lithographie, der Nilfall von Uady Halfa, ausgegeben.
  4. Ohne Zweifel sind die Pyramiden von Nuri nebst den Ruinen von Djebel el Barkal auf dem rechten Ufer des Nils das alte Napata, das Ziel der Expedition des Petronius (Plin. B. 6, 29), der von Syene 960 röm. Meilen in der Verfolgung der Aethiopier, die in Egypten eingefallen waren, vordrang; Nero’s Abgeordnete brauchten von da noch 360 Meilen nach Meroe. Die Richtigkeit beider Angaben erweist sich mit Evidenz, so wie man bei der Berechnung der Länge des Wegs alle Krümmungen, die der Fluß macht, mit in Rechnung bringt.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_550.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)