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Das Ausland. 1,2.1828

in die Schule der Ursulinerinnen zu Evreux; diese lehrten sie eine Menge geistliche Uebungen, um – fügt der Biograph hinzu – die unbefleckte Mutter Gottes zu ehren; aber ihr Beichtvater ließ sie diese vielen Uebungen aufgeben, indem er ihr sagte, daß die heilige Jungfrau mehr geehrt würde, wenn sie ihre Sammlung (son recueillement) pflegte.“

Diese Art von Sammlung der Gedanken ist das, was die Gewissensräthe das innere Leben nennen, die Quelle frommer Visionen und Entzückungen; die wunderbarsten Wirkungen werden durch sie hervorgebracht. In ihrem achten Jahre trug unsere Gesegnete ihr Frühstück auf den Altar der heiligen Jungfrau, die sie bat, es unserem Herrn zu bringen, und beraubte sich auf diese Weise desselben. Um Weihnachten schlief sie auf der Erde, indem sie in ihrer Unschuld ihr Bett der gebenedeiten Jungfrau und dem preiswürdigen heil. Joseph einräumte. Dieß war der Weg, auf welchem sie zur Vollkommenheit des Christenthums gelangte.

Indessen wurchs die kleine Heilige heran; aber siehe da! in einem Alter von fünfzehn Jahren läßt sie sich von der Eitelkeit verführen; sie findet Vergnügen daran, sich zu putzen, will gefallen und geliebt werden, und legt auf ihre Frömmigkeit geringen Werth. Sie ging in ihrer Verirrung so weit, daß sie der Mode folgte und bunte Bänder trug, gleich andern Mädchen. Glücklicher Weise kam sie unter die Leitung eines Priesters von der Congregation der Eudisten, Namens Jourdan. Dieser Mann Gottes drängte Marie-Angelika, ihre Bänder abzulegen, die er Werkzeuge der Eitelkeit (meubles de vanité) nannte; aber sie konnte sich nicht dazu entschließen, indem sie entgegnete, daß dieser Putz mit der Frömmigkeit nicht unvereinbar sey; denn sie war in dieser Zeit noch umgeben von Finsterniß und erfüllt von Schwachheit. Endlich gehorchte sie jedoch dem Rathe des Vaters Jourdan und gab gegen Pfingsten, als sie siebzehn Jahre alt wurde, alle diese Eitelkeiten auf.

(Schluß folgt.)


Der Krieg zwischen Persien und Rußland.


(Fortsetzung.)

Von Tauris ging Fürst Menzikoff in das königliche Lager von Sultania, wo er mit gleicher Auszeichnung behandelt wurde. Doch nahm der Schah den Brief des Kaiser nicht aus seinen Händen, wie das ausbedungene Ceremoniel verlangte, sondern gab, als der Fürst dasselbe überreichte, ihm ein Zeichen, es auf ein Kissen zu legen.

Der Assuf ed Daula (Premier-Minister) Ala-yar Khan – ein Schwiegersohn des Schah – eröffnete sogleich die Unterhandlungen. Auf seine Frage an den russischen Gesandten, mit welchen Vollmachten er versehen sey, wurde ihm indessen erwiedert: daß er keine Vollmacht habe, von dem Vertrage der georgischen Autoritäten mit Futti Ali Khan abzugehen, und in die Abtretung von Gukscha nicht eher willigen könne, bis die Perser das Capan-Gebiet geräumt hätten.

Während dieser Unterhandlungen hatte die Unvorsichtigkeit der russischen Behörden in Georgien allgemeines Mißvergnügen unter ihren mahommedanischen Unterthanen erregt; die Häuptlinge derselben boten den Persern für den Fall eines Krieges gegen Rußland ihre Mitwirkung an, und wandten sich an den Muschtad, das Haupt der persischen Kirche, um seine Dazwischenkunft zu erhalten. Alle Molla’s des Landes machten die Sache der mahommedanischen Georgier zu der ihrigen und riefen laut den Schah an, im Namen Alla’s die Beleidigungen ihrer Religion zu rächen, wenn er nicht mit den Flüchen aller Gläubigen beladen seyn wolle. Aber weder die Bitten der unzufriedenen georgischen Häuptlinge, noch die Vorstellungen seines Premierministers, der sich ihrer annahm, die Beschwörungen der Molla’s und die dringenden Aufforderungen des Erbprinzen, der – wie es schien – seiner frühern Abhängigkeit von der russischen Politik durch einen entscheidenden Schlag ein Ende machen wollte, konnte den Schah verleiten, sich übereilt in einen Krieg mit einem so mächtigen Gegner zu stürzen. Doch erklärte er, daß er, im Falle Rußland darauf bestehe, Gukscha zu behaupten, den Krieg nicht vermeiden könne; da er einsehe, daß von der Erhaltung dieses scheinbar unbedeutenden Districts die Sicherheit von Eriwan abhänge.

Die persischen Minister, die sich im Zelte des Ala-yar-Khan versammelt hatten, machten jetzt einen neuen Versuch, den Fürsten Menzikoff zu einem Zugeständniß, welcher Art dasselbe auch sey, zu vermögen, um wenigstens die Ehre des Schah in den Augen seiner Unterthanen zu retten. Das einzige Anerbieten, welches der Fürst machte, war indessen, die Unterhandlungen aufzuheben, bis er neue Instructionen von St. Petersburg erhalten habe.

Die Gährung in Persien stieg nun immer höher; die Molla’s forderten den Schah auf, sein Versprechen zu halten, die Stämme an den Grenzen waren bereits unter den Waffen, und der Enthusiasmus, der sich in allen Ständen durch das ganze Land zeigte, versprach dem Kampfe den Charakter eines Religionskrieges zu geben, und machte zugleich den Ministern unmöglich, die Wuth des Pöbels länger in Schranken zu halten. – Unter diesen Umständen verließ Fürst Menzikoff am 26 Juli (1826) das Lager von Sultania, und der Krieg nahm von Seiten der Perser unmittelbar darauf seinen Anfang.

Der größte Theil der mahommedanischen Bevölkerung von Georgien war in vollem Aufstande. Ueberall wurden die zerstreuten russischen Detaschements abgeschnitten und aufgehoben, in der Provinz Talisch wurde die Stadt Asterat genommen, und die Besatzung nieder gemacht. Ein Bataillon, das in Lankeran, am caspischen Meere, eingeschlossen war, entfloh in der Nacht auf die Insel Sari und ließ sechs Kanonen und eine Menge Kriegs- und Mundvorrath hinter sich zurück. – Der russische Commandant von Karakalissa, der sich von dem Sardar von Eriwan bedroht sah, verlangte eine Verstärkung von Gendscheh, wo eine Truppenabtheilung von 1000 M. Infanterie lag. Der Offizier der in Gendscheh kommandirte,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 494. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_514.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)