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Das Ausland. 1,2.1828

und in ihren Manufakturen die Elemente der außerordentlichsten Bewaffnung. [1] Doch könnte sie diese Anstrengungen nicht lange aushalten, noch weniger sie erneuern. Rußland rechnet darauf, daß es in Constantinopel, in Wien oder anderswo die erforderlichen Summen finden werde, um seinen Militäretat zu unterhalten. Für sich allein würde es nicht die Kosten von drei Feldzügen auf gleichem Kriegsschauplatz in den Fürstenthümern (Moldau und Wallachei) bestreiten können; und sollten seine Armeen einige Unglücksfälle erfahren, so würde eine Wiederherstellung derselben sehr schwer seyn.

Betrachten wir die Karte von Europa. Im Südwesten des westlich vorspringenden Theils von Rußland sehen wir die verschiedenen Staaten, welche den österreischischen Kaiserstaat bilden. Verschieden durch Ursprung, Clima, Character, Interessen, durch die Regierung selbst, sind sie nur durch eine politische Aggregation mit einander verbunden. Diese, dem Anschein nach absolute Monarchie ist eine wahre Oligarchie, die durch den hohen Adel aller ihrer Königreiche regiert wird, welcher die ersten Staatsämter in Besitz genommen und sich auf den übrigen Adel der untern Stellen stützt. Daraus geht eine Stätigkeit der Ansichten und eine Festigkeit des Betragens hervor, wodurch Oesterreich in mehreren unglücklichen Epochen gerettet wurde. Unter seinen Staaten müssen ausgezeichnet werden: Ungarn, das ein slavisches Königreich ist, [2] mehr als den dritten Theil der österreichischen Bevölkerung bildet, und eifersüchtig seine Verfassung und die alten Privilegien zurückfordert; Gallizien und Italien, welche beide Länder ein Viertheil der Bevölkerung des Kaiserstaats enthalten, und Interessen haben, die denen Oesterreichs entgegengesetzt sind.

Der wesentlichste Vorzug Oesterreichs besteht in der Anhäufung und Fruchtbarkeit seines Gebiets, in seiner Bevölkerung, und in seiner Armee, die es leicht auf 600,000 Mann [3] bringen könnte, und die stets sich von den erfahrenen Unfällen schnell wieder erholt. Die innern Provinzen haben natürliche Grenzen; im Osten und Norden die Karpathen, das Riesen- und Erzgebirge; im Westen die Kette des Böhmerwaldgebirges, den Inn und Tyrol; im Süden die Kärnthner Alpen und die Sau. Jenseits dieser Naturschranken aber liegen die herrlichsten Besitzungen: die Lombardei, Gallizien, das Littorale am adriatischen Meere. Stark und groß in dem Innern seiner Länder, wo es um Komorn eine Central-Vertheidigung gebildet hat, ist Oesterreich dagegen schwach in seinen äußern Theilen, die weit entfernt sind, die Ergebenheit der andern Provinzen zu theilen.

(Forts. folgt.)

Die Kalmücken.


(Fortsetzung.)

Am 25 Juni wollten wir unsre Angelegenheit bei dem Fürsten wieder in Anregung bringen. Wir begaben uns deßwegen bei Zeiten an den Hof, trafen aber den Fürsten nicht zu Hause. Da er bald zurückkommen sollte, so unterhielten wir uns bis dahin mit der Fürstin und mit ihrer Schwägerin, welche Rath und Anweisung bei weiblichen Arbeiten von uns begehrten. Auf ihre Bitte hatte ich der Fürstin einige Stickmuster gezeichnet, wobei ich mich so gut als möglich nach dem kalmück’schen Geschmack gerichtet hatte, weswegen diese ihren Beifall erhielten. Nun sollte ich auch Vorzeichnungen zum Sticken auf Sammet liefern, womit ich mich aber nicht befaßte, um nicht zu sehr in Geschäfte verwickelt zu weerden, die mit unsrem Auftrag nichts gemein hatten. Bei dieser Gelegenheit zeigte sich vielfältig die gegenseitige Mißgunst der Frauen, die so sehr in’s Kleinliche ging, daß jede ihre Arbeiten und die erhaltenen Zeichnungen vor der andern verbarg, damit ihr nichts abgesehen werden konnte.

Nach einiger Zeit kam der Fürst, von zwei Dienern


  1. Wilson berechnet Rußlands Militärstand im Kriege auf 1,200,000 Mann; der Verfasser der Schrift „über die Militär-Kolonien,“ Robert Lyal, beschränkt ihn auf 870,000 Mann. Der Spectateur militaire hat in einem früheren Hefte neuere Nachrichten über Rußlands Militärkräfte gegeben, die indessen nur vom Friedensstand zu gelten scheinen; sie geben folgenden Bestand der russischen Armeen: Kaiserliche Garde 23,800 Mann Infanterie, 11,300 M. Cavallerie, 108 Stück Geschütz der Artillerie zu Pferd, und 72 St. der Art. zu Fuß. – Erste Armee 142,200 M. Inf., 43,680 M. Cav., 403 St. Art. zu Fuß und 208 St. Art. zu Pferd. – 2. Armee 63,000 M. Infant., 3360 M. Cav., 120 St. Art. zu Fuß, 16 St. Art. zu Pferd, und 6500 M. irreguläre Truppen. – Lithauisches Corps 35,800 M. Inf., 4560 M. Cav., 60 St. Art. zu Fuß, 28 St. zu Pf., und 2500 M. irreguläre Truppen. – Finländisches Corps 8400 M. Inf., 24 St. Art. zu Fuß, 500 M . irreg. Trup. – Corps in Georgien 28,400 M. Inf., 840 M. Kav., 48 St. Art. zu Fuß, 10,500 M. irreg. Trup. – Orenburgisches Corps 8400 M. Inf., 1000 M. irreg. Trup. – Sibirisches Corps 8400 M. Inf., 5000 M. irreg. Trp. – Die Stärke der polnischen Armee ist auf 33,500 M. in Friedenszeiten bestimmt. Hierbei wären noch die Militär-Kolonien nachzutragen, besonders ihre Cavalerie in den Gouvernements Chatherioslow und Cherson. Einige dieser Regimenter haben bis 1700 M. in der Reserve. Eine sehr wichtige Urkunde sagt: Man kann von jetzt an versichern, daß Rußland in der Ukräne einen Waffenplatz gegen die Türkei hat, der zugleich sehr drohend für Oesterreich ist. Eine der Kolonien hatte 250,000 russische Maß Getreide für die Armee angeboten, welche in die Türkei dringen sollte.
  2. Der Verfasser ist hier in offenbarem Irrthum: Ungarn ist ein ungarisches, aber kein slavisches Königreich. Der ganze herrschende und freie Theil der Nation bildet einen eigenen Völkerstamm, der sich Magiaren nennt, und in dessen Sprache keine Spur der Verwandtschaft mit der slavischen zu finden ist. Die in Ungarn wohnenden Slaven sind die Unterthanen, die Leibeigenen der Ungarn.
    Anm. d. Uebers.
  3. Ein ausführlicher Etat, den ich für authentisch halte, gibt die Streitkräfte Oesterreichs auf dem Kriegsfuß auf 624,000 Mann an, nämlich: 43 Regimenter deutsche Infanterie = 177,000 M,; – 15 Regim. ungar. Inf. = 85,000 M.; – 20 Bataillons Grenadiere = 15,000 M.; – 20 Bat. Jäger = 16,000 M.; – 19 Reg. Grenz-Inf. = 73,000 M.; – Landwehr = 80,000 M.; – ungar. Insurrection = 80,000 M.; – 14 Reg. Cuirassire und Dragoner = 14,000 M.; – 23 Reg. leichte Cavallerie = 32,000 M.; – 5 Reg. Inf. = 20,000 M.; – Militär-Fuhrwesen = 7000 M. etc. – Derselbe Etat gibt den Friedensfuß nur auf 227,000 M. an. – Mann schäzt die Landwehr, die Oesterreich aufstellen kann, auf 400,000 Mann.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 466. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_484.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2023)