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Das Ausland. 1,2.1828

Meine Herrn und Damen, grüß Gott! Wie thut’s euch geh’n?
Seyd ihr alle gesund, so sollt ihr mich nicht krank seh’n.
Steht still und schaut eine Weile meinem lustigen Spiel zu,
Wenn ihr nur lacht, red’ ich euch zum Zahlen nicht viel zu.

(Geht ab.)

Sein erstes Lied, nach der Weise Malbrough s’en va-t-en guerre, hat natürlich einen Dialog, mit seinem Weib Judith zur Folge; aber der unverschämte Hund Toby unterbricht ihre Zärtlichkeit durch sein bestialisches Wau – wau. Der Undank, mit welchem er Pulcinell’s zuvorkommende Höflichkeit belohnt, und der Umstand, daß dieser ihn bei dem empfindlichsten Theil eines Mannes von Ehre – bei der Nase – ergreift, führt den tragischen Fall herbei, mit welchem das Stück anfängt, nämlich den Tod nicht bloß Toby’s, sondern auch seines Herrn, Scaramutz, dessen Kopf – wenn auch nicht der beste, doch ein harter Verlust für ihn – durch den ergrimmten Pulcinell abgeschlagen wird.

Eine häusliche Scene zwischen dem Sieger und seinem Weib dient den Zuschauern zur Erholung von dem Schrecken über diese Katastrophe.

Judy tritt ein: „Gut, hier bin ich! Was willst du jetzt, da ich da bin? – Pulcinell: (Bei Seite) Was für ein allerliebstes Geschöpf! Ist sie nicht eine wahre Schönheit? – Judy: Was du willst? frage ich. – Pulcinell: Einen Kuß, einen schönen Kuß! (Küßt sie, während sie ihm einen Schlag ins Gesicht giebt). – Judy: Nimm das, du Schelm! Wie gefallen dir meine Küsse? Willst du noch einen? Pulcinell: Nein; einen auf einmal, einen auf einmal, mein süßes allerliebstes Weib! (Bei Seite): Was sie immer spaßhaft ist! – Wo ist das Kind? Bring mir das Kind, Judy, meine Liebe! (Judy ab.) Pulcinell (allein): Das ist euch ein Weib! Was für ein kostbares, liebenswürdiges Geschöpf! Sie geht, unser Kind zu holen.“

Leider ist nichts vollkommen auf dieser Welt und Familienscenen und Kinder sind oft die Ursache zu Streitigkeiten zwischen Papas und Mammas. So ist dieß auch hier der Fall und der klägliche Tod von Judy und ihrem Kleinen ist die Folge davon. Meister Pulcinell zeigt sich bei dieser Gelegenheit, gleich andern Männern dieser Welt, äußerst hartherzig: (indem er wahrnimmt, daß sie sich nicht mehr bewegt): Hier, steh auf, Judy, meine Liebe; ich will dir nichts mehr thun. Keine Kindereien mehr! Das ist bloß dein Spaß. Hast du Kopfweh bekommen? Wie? Du schläfst bloß. Wach’ auf, sage ich! Gut also, nieder mit dir! (Schlägt ihren Leichnam, den er aufgerichtet hat, wieder zu Boden). He, he, he! (Lachend) Wer ein Weib verliert und drei Kreuzer, verliert einen Groschen. [1] (Singt.)

„Wer würde sich mit Weibern plagen,
wär er so leicht wie ich befreit? –
Einen guten Strick um ihren Kragen,
Hilft kein guter Stock, wie heut!“

Die Inhumanität dieses Betragens wird bald erklärt durch die Erscheinung der hübschen Polly, die den ruchlosen Pulcinell jetzt für seinen Verlust entschädigt.

Im zweiten Act finden wir Meister Pulcinell auf einer Reise. Er hat einen Unfall und läßt einen Arzt rufen; doch bald kommt er in Streit mit ihm und da er ein Mann ist, der keinen Spaß versteht – wie wir gesehen haben – erschlägt er ihn ohne Weiteres. Dasselbe Schicksal hat der Aufwärter im Gasthause, der Pulcinell seine Klingel zu schellen verwehrt, und ein alter blinder Bettler, der Almosen von ihm begehrt. Aber jetzt wird die Verwicklung immer dicker. Ein Constable, (Gerichtsdiener) erscheint, um Pulcinell als Mörder zu verhaften; er wird in die Flucht geschlagen. Darauf kommt ein Offizier, mit Federbusch und Schärpe. Offizier: Hör’ auf mit deinem Lärm, mein schöner Bursch! – Pulcinell: Ich will nicht. – Offizier: Ich bin ein Offizier. – Pulcinell: Gut. Hab ich gesagt, ihr wäret keiner? – Offizier: Du mußt mit mir gehen; du hast dein Weib und Kind erschlagen. – Pulcinell: Es waren meine eignen, denke ich, und ich kann mit meinem Eigentum thun, was mir gefällt. – Offizier: Das wollen wir sehen; ich bin gekommen, um dich aufzuheben. – Pulcinell: Und ich komme, um dich niederzulegen. (Schlägt ihn zu Boden und singt und tanzt, wie vorher.) Mitten in diesem thörichten Uebermuth, kommt die Wache mit dem Kerkerschließer; sie fallen über ihn her, überwältigen ihn und werfen ihn ins Gefängniß. Aber uns darüber zu verbreiten, wie er aus demselben befreit wird, den Henker hängt und den Teufel – der ihn holen will – todt schlägt, verbietet uns der tief rührende, melancholische und erhabene Character der Begebenheiten und das Pathos der Schilderung; – die Kraft des Genies reißt den Geist der Zuschauer in einem so schnellen Wirbel mit sich fort, die Phantasie ist so aufgeregt und das Gefühl so übermannt, daß es unmöglich wird, diesem Thema die verdiente Gerechtigkeit zu erzeigen. Wir müssen daher den Vorhang fallen lassen.


  1. Englisches Sprichwort: He that loses his wife and sixpence, loses a tester.



Die Kalmücken.



(Fortsetzung.)

Die Fürstin machte sich und uns das Vergnügen, uns ihre Putzsachen zu zeigen. Unter denselben zeichnete sich ein goldenes Ohrgehänge mit einer birnförmigen echten Perle von der völligen Größe einer Haselnuß aus, welches sie für ein uraltes Familienstück erklärte. Auch war ein sehr schön gearbeiteter Rosenkranz merkwürdig. Derselbe bestand aus glatten schwarzen Kernen einer uns unbekannten Frucht, zwischen welchen rothe Korallen und ein geriefter kugelförmiger Chalcedon aufgereiht waren. Bei Vorzeigung eines zierlich gestickten Beutels fragte sie uns, ob wohl die deutschen Frauen auch so schöne Sachen besäßen? Eine Frage, die wir freilich nur bedingt beantworten konnten. Als hierauf die Reihe auch an ihre

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 462. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_480.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2023)